Abendschleier
Weihnachtsgedichte (und andere ...)
rückblick aus gebotener distanz
(ein weihnachtsgedicht)
und wieder sind sie da
unausweichlich
unüberhörbar
in sattsam bekannter
medialer inszenierung
lamettabehangen der
sprachduktus
habitus
in maskenhafter starre
fratzenhafte langeweile
gedämpft sprudeln ihre
wörter
sichtweisen
gespielt in bühnenhafter
drittklassigkeit
schauspielerei zum
vergessen
mißachten
und doch vielfache
beifallsorgien
einstudierte existenz
professionell
erstarrt
mit belehrungen und
ermahnung garniert
stimmen salbungsvoll
gedämpftes
kunstprodukt
austauschbar gemäß
jeweiliger jahreszeit
abgelesen von papieren
längst vergilbt
ausgetrocknet
fern jeglicher form von
gesuchter unmittelbarkeit
anerzogener gongschlag
nur dröhnend
nur berieselnd
nichtigkeit in äther gesetzt
dem anlaß genüge getan
deformation professionelle
in reinkultur
als seinsidol
strahl aus ungemütlichkeit
und überflüssigkeiten
und hoch auf dem berge
schloßmauern
unüberwindbar
weihnachtsbeleuchtung
aus einzelnen fenstern
es wird froh gefeiert
geschlossene
gesellschaft
kennzeichen ferner orte
verraten still die meute
abgehoben vom volke
privilegiert
anmaßend
man gönnt sich ja sonst
nichts oder viel zu wenig
am wolkenhimmel bilder
aldous huxley
gar leibhaftig
seine brave new world
wo schweine schmatzend
sie feiern ihre feste
tischgesittet
wohlbehütet
was schert das draußen
man dünkt sich halt gleicher
und baut dicke mauern für
wiederholungen
selbsterhöhung
vor allem für erhaltung
allzu angenehmer pfründe
zu fortgeschrittener stunde
gläserklingen
aufmerksamkeit
zuchtmeister der rhetorik
bieten ihre weisheiten an
gierig saugend an ihren mündern
nun lauschorgasmen
bereicherungshoffnung
damit allzeit bereit zu neuer
dampfblasenschwadroniererei
(begonnen Dezember 2014, fertiggestellt am 16. Mai 2015)
<< Als Gott sah, daß der Weg zu lang, der Hügel zu steil und das Atmen zu schwer wurde, legte er den Arm um sie und sagte: 'Komm heim!' >>
Es gibt tatsächlich Leute, die Weihnachtsfeste veranstalten. Ist das komisch!
(Gustave Flaubert)
Weihnachten: ein besonderer Tag der Völlerei, Trunksucht, Gefühlsduselei, Annahme von Geschenken, öffentlichem Stumpfsinn und häuslichem Protzen gewidmet.
(Ambrose Gwinnett Bierce, genannt Bitter Pierce, 1842 - 1914)
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Weihnachten 2016
Heiliger Abend, heilige Nacht, heiliger Tag:
heilig nicht im Verständnis märchenhafter
Erklärungen aus klerikalen Mündern; NEIN:
heilig verstanden als heilbringend, heilvoll.
Diese Zeit als Momentum, eine Gelegenheit
zur Entschleunigung, zum Innehalten ...
Sich bewußt machen, derartige Auszeiten
immer wieder zu reklamieren, zu leben:
entfernt von Lärm, Hast, Fremdbestimmtheit!
Sich befreien von Belehrungsmaschinerien,
von volkspädagogischer Infiltration und den
tumben Versuchen, den Geist zu knechten.
Salbungsvoller Geschwätzigkeit widerstehen!
Heil als Glück, als Wohlergehen, als Rettung
vor all jener alltäglichen Impertinenz, aus
welcher Richtung auch immer ...
Versuche, heil zu bleiben, also unverletzt,
unbeschädigt, gesund das Schöne, das Gute
strebend zu suchen, auszuweichen all den
Hindernissen aus Frechheit und Dreistigkeit.
Heilig als Maxime für ein erfülltes Diesseits,
ohne Projektionen auf Unwirkliches ...
Hic Rhodos, hic salta hic et nunc: ganz
ohne Vertröstungen auf Unerfüllbares!
(24./25. Dezember 2016)
Verschwommen
Schreiten und Flügelschlag
Lebendigkeit im Flug
im Spüren des Grundes
Klarheit im fernen Blick
Verschwommene Nähe
Dann wiederum die leise
Verkehrung jener Welten
Tanzen auf ziehend Wolken
Tauchen in kühlendes Naß
Höhe und Tiefe gleichsam
sich nährend aufsaugen ...
Zurückgezogen
Glücksgefühl aus tiefer Unerreichbarkeit
Blicke auf die Spiele all der Vögel
im Fadenkreuz der Winde
Dabei deren Gehetztsein nicht ignorieren
Deckung im dichten Buschwerk
Suchend das Nahe umfassend zu begreifen
Die Gesänge all der Gänse und Kraniche
Wenn Moore erwachen oder sich ruhigen
Einmaligkeit jeweiliger Augenblicke
Nähe wächst wallend zu einer Endlosigkeit
Ferne durch eigene Füße bestimmen
Weiten in Selbstbestimmung eingrenzen
Ein Buch mit Fingerzeigen
Der Kuchen mit Rosinen
Dampfender Kaffee
Bisweilen etwas Musik
Radio zu gegebener Zeit
Gelebte Langsamkeit
Fremdes Verlangen ausgesperrt
Medienabstinenz als edler Seinsgrund
Sorgsame Wahl dessen was wirklich
wichtig und glücklich stimmt
Die Störche in ihrem ernsthaften Spiel
mit der Thermik bewundern
Zum Erkennen eigener Grenzen gestimmt
Träumen in sinnstiftende Linien gebettet
Lust und Wirklichkeit gewähren lassen
mit selbst gewählten Zügeln
Ausgrenzen von deutlich Unerreichbarem
sorgsam mit knapper Zeit umgehen
Die Eile der anderen als Mahnmal begreifen
Dem eigenen Atmen lauschen
Eigene Schritte tonhaft werden
Das Ticken der Standuhr
Nahes Klopfen vernehmen
Verbannung von Geschwätzigkeit
Nichtmitmachen als Gebot
Fremdes Verlangen ausgesperrt
Aufstiegsverzicht als Lebensmodell
Verstehen die Gnade der späten Geburt
Das siebte Kreuz als Menetekel
Jenes Versagen von Schöpfungsgedanken
Notwendige Erinnerungen bewahren
Die Kunst richtig trennen zu verstehen
Absonderung von Überflüssigem
Einbeziehung des Notwendigen
Vermeiden von Gleichschritten
Stets Zeichen der Zeit richtig deuten
Sich über erwidernde Blicke freuen
Glücksgefühl begrenzter Erreichbarkeit
Ein Teller ist zu wenig ...
Ein Teller ist mir zu wenig, so sprach einst ein geklonter König und kaum gesprochen,
ward es getan, man schaffte ihm schnell zwei, drei, vier, gar tausend davon heran.
Und des Kunst-Königs Pupillen wuchsen stetig hinein in die Unendlichkeit, er umgab sich mit
ganz besonderer Heiterkeit, zufrieden schallte es aus seinem Bauche, so sei es fürderhin auch
stets der Brauche denn mit heiterem Getöne schaffe ich mir dann mein ureigenes Gedröne.
So wandelte jener in seinen Gefilden, mit frostig Gehabe er an seiner Aura baute: sie zu bilden;
dabei er doch auch nach den Himmeln schaute, dies hob ihn hinweg von eigener Flaute, ob er
noch hatte der Götter Wohlgefallen, war in furchtgedräuter Stunde in ihm ein Widerhallen, und
er verwischte für sich dann schnell ein drohend Menetekel, verbat sich gar fremder Leute Ekel;
wobei der königlich abgehoben vergaß, wie tief im Inneren der Zweifel stetig in ihm weiter fraß.
Man könnte nun sagen, all dies sei fügsam glücklich Wende fernab von feindselig Meute,
doch er lebt gut märchenhaft ja so auch weiter, nicht gestorben also tellerreich bis heute:
Und wer wollte da behaupten: er hätte auch irgendwann gepatzt, wo er doch niemals geplatzt!
Wer wollte da kritisieren, wenn Königliches sich niemals tat genieren noch aufhörte zu gieren!
Nein, es ist schlicht Fakt und Takt: am eigenen Wesen sollen tunlichst die anderen genesen ...
(fagusarua)
Fehlgeleitet ...
In fremde Texte schnüffelnd eintauchen
um sie dann inhaltlich zu verfälschen
mit geübten Grenzen eigener Perspektive
und sattsam hohler Wahrnehmungstrübung
Jenes gelebte Nichtverstehenkönnen als
Sucht nach endlosen Unterstellungsorgien
Gründeln abgrundtief im Nichtgesagten
Eigene Vorstellungsgrenzen als Korsett
Gelebte und gepflegte Unaufgeräumtheit
als Bollwerk gegen mögliche Aufklärung
Unverständnisaskese gegen Herausforderung
Und bodenlos versunken in Wirklichkeitsflucht
Selbstgewählt all diese nichtende Unmündigkeit
Dieses perfektionierte Scheitern im Stumpfsinn
Jene Selbstkasteiung des Denkens als Tugend
Perfektionierter Drang auf einfachste Antworten
Ablenkungsexzesse als erkorene Rettungsanker
Sedativum eigene Anstrengungen zu verhindern
Nachplappern als entlarvende Exegesepraxis
Erspähtes so konsequent stets fremd bleibend
|
Langeweile und Öde?
Nichts will ihn mehr entfachen
Kein Grund mehr für freies Lachen
Alles dünkt ihm nur seltsam öde
Die meisten Angebote allzu blöde
Die Umwelt nur mehr dumpfe Last
Fern der Lust auf jene Alltagshast
Gar nichts mehr lebendig ihn zu locken
Von allem gänzlich nur erschrocken
Krähen mahnen von hoch oben
Elstern auch laut krächzend toben
Die laute Welt sie lärmt und schreit
Von Pfaffenkanzeln es stets gedeiht
Leerformeln aus dem Hirngewühl
Mal drohend leis dann mit Gebrüll
Das bunte Locken macht ihm bang
Gewichen längst der Mitmachdrang
Doch von ihm das ist kein Witz
Nimmt nun niemand mehr Notiz
Ungesehen nicht mehr wahrgenommen
Der Druck im Körper zu beklommen
Wohin man mag sich da noch wenden
Wie wird wohl all der Jammer enden
Die Zeit verrinnt und aus grauer Macht
Wird sanft und deutlich Trost gebracht
Es heißt bei allem sei doch ohne Not
Denn geduldig wartet Gevatter Tod
|
Hemmungslos
Anfangs noch gut gespeist
fröhlich mit Stil getrunken
dann:
nur mehr sich vollgefressen
und sich dummgesoffen
irgendwann dann geplatzt
weil: hemmungslos
Zunächst gemütlich und mit
wachen Sinnen unterwegs
dann:
mit bepackten SUVs all die
Gegenden und Landschaften
durchwühlt, tote Gefühlswelt
weil: hemmungslos
Noch nie die Grenzen gespürt
Fern jeglicher Bescheidenheit
zudem:
der Welt stets besserwisserisch
begegnet, Vereinfachung als
Zepter eigener Überheblichkeit
weil: hemmungslos
Träume in Grenzenlosigkeit
ausgeufert, niemals gezähmt
dann:
Wirklichkeit begegnet und in
krankhaftem Wahn verkannt
versucht sie zurechtzubiegen
weil: hemmungslos
Vermeintlich geliebt und sich
stets verantwortlich gegeben
dabei:
nur wilde Fickerei und Habgier
als Lebenselixier stets erkoren
und dabei seelisch verkrüppelt
weil: hemmungslos
Zuletzt dagelegen, dicker Wanst
aufgedunsen und ekelerregend
und:
Gedanken und Wörter nicht mal
mehr als nützliche Asche überlebt
keine Erinnerungen mehr an ihn
weil: all dies vom Winde verweht
Hemmungslosigkeit ohne Zügel
Gefallsucht als nichtendes Nichts
Die Frau mit dem Bodypainting
längst verwelkt in Unsichtbarkeit
Liebhaberei längst im Nebeldunst
Schattierungen gewesener Zeiten
Gedanken im Labyrinth des Orkus
Eigentlich nicht einmal so gewesen
Eine Existenz ohne wirklichem Sein
Mitgelaufen kräftig mitgeödet sowie
längst schon gestorben obwohl sich
selbst stets besonders aktiv gedüngt
Funktionierender Körper ohne Geist
Jasager in Grenzen engen Blickfeldes
Nicht einmal Erinnerungen sind nun
weil: stets so hemmungslos gewesen
(fagusarua)
Freundlichkeit ist eine Sprache, die Taube hören und Blinde lesen können.
(Mark Twain)
still geworden
inmitten:
lästiger betriebsamkeiten
endlos dumpfen wetteiferns
hast und hatz um erste plätze
monotoner geschwätzigkeit
lug und trug aus feistigkeit
maskenhafter geltungsbürger
inmitten:
scheinheiligkeit und schein
hohlem aufstiegsgegeifere
angeberei sowie täuschung
öder selbstdarstellungsweisen
aufgesetzter fröhlichkeitsorgien
verordneter kulturereiferungen
inmitten:
all jener drögen überflüssigkeiten
all jener ekligen großmannssucht
all jener gigantomanien gespeist
aus überbordender nichtigkeiten
all des nichts aus so tun als ob
all übelster selbstdarstellungen
inmitten all dessen jedoch:
selbst einfach still geworden
inmitten all dessen jedoch:
heilsame und gesunde distanz
inmitten all der seichtigkeit:
angemessen abstand halten
die wohltuende langsamkeit
und wertvolle stille als balsam
inmitten:
nicht mitmachen als zeichen
deutlichkeit als abgrenzung
dem alles reinigenden wind
seinen wohl gebührenden platz
und: still geworden mit der
schweigsamkeit als zepter
(Fagusarua 19.02.2017)
Kurzlebig
Gleich der kristallinen
Schneeflocke in ihrem
tänzelnden Gleiten auf
den allzu irdischen Grund
im Strahl von Wintersonne
ein Hauch von Dauer in
der Zeit des Augenblicks
Vergänglichkeit als Stachel
nur der Moment als Sein
orkanhafter Leidenschaft
löst sich die fast endlos
dünkende große Liebe in
Nebel aus Vergänglichkeit
Gleich der ruhigenden Flocke
doch nur dem Verfall geweiht
(Fagusarua, 26.02.2017)
Freue dich des Lebens, es ist schon später, als du denkst. (aus China)
Wo?
Wo? die Kronen gülden glänzend
fern jeglichem Tallois-demi-or
auf authentischen Häuptern
machtvoll in Aufrichtigkeit
Wo? die Gesänge hell und klar
frei von ödenden Textzeilen
aus Schwülstigkeit und Leere
gesäubert vom Nichtssagenden
Wo? die Abwesenheit von Antworten
auf nichtgestellte Fragen und
mediales Schweigen beim Nichts
in inhaltsleer tönenden Welten
Wo? Blumenreichtum und Flirren
wärmender Umgebung und
Fliegen Fleuchen und Kreuchen
als Zeichen gelebter Vielfalt
Wo? jene Ruhe vor dem Sturm
und der Sturm vor der Ruhe
als Begleiter des Rausches
pulsierender Fröhlichkeit
Wo? das Schweigen von Kanzeln
bei gegebener Unsagbarkeit
so sich bescheiden der Enge
eigener Begrenztheit stellen
Wo? das Aufbegehren gegen all die
tosenden Gockelhaftigkeiten
lächerliche Selbstdarstellungen
als gut nichtender Seinsmodus
Wo? die wirkliche reine Schönheit
in Wort in Bild in Tat und in
Erscheinung aus Natürlichkeit
aus Klarheit und aus Tiefe
Wo? Langsamkeit als Elixier für
ein sinnvoll gelebtes Leben
als Ausbruch aus dem Takt
fremder allzu naher Anmaßung
Wo? der Aufstand gegen derart
aufkeimende Wut und Last
gespeist aus Sinnentleertheit
zahlreicher dröger Mächte
Wo? die Befreiung aus den Ketten
häufig unsichtbar weil verdrängt
Zeichen eigener Wertschätzung
als Handlungsziel und Leben
Wo? auf die Suche gehen und sich
nicht verletzen dabei mühend
jene Nadeln im Heuhaufen zu
finden Umwege nicht scheuen
Wo? Irgendwo! Ganz bestimmt!
(fagusarua 27.03.2017)
"Die Menschen wollen glauben. Man möchte glauben an die Liebe. Man möchte glauben an die Jugend, und an das Jetzt, und an das Gefühl im Jetzt. Man möchte glauben, dass die Dinge gut werden am Ende, und wenn das Leben lacht und sagt, ach, ist das nicht naiv, wie die geglaubt hat, dann möchte man glauben, dass man gelernt hat aus dem, was nicht gut geworden ist."
(Lena Gorelik, MEHR SCHWARZ ALS LILA, Berlin, Rowohlt 2017, S.223)
"Und wie du daraufhin grinst. Wie du riechst, es ist nur eine kurze Ahnung. Wie du manchmal zu mir schaust, und wie sehr ich mir wünsche, dass es ein Zu-mir-Blicken ist. Und dass ich nicht immer zwischen Leben und Traum unterscheiden kann."
(Lena Gorelik, a.a.O., S. 119)
Und nochmals aus diesem hervorragenden Buch von Lena Gorelik:
Ratte holt einen Schreibblock aus dem Rucksack, reißt ein Blatt heraus unt teilt es in drei Teile. Dann kramt sie in ihrem Rucksack, bis sie drei Stifte gefunden hat. Mir gibt sie den schwarzen. "Eins, zwei, drei. Jeder einen Satz", sagt Ratte.
Es gibt Fehler im Leben, die man nicht wiedergutmachen kann. Obwohl man alles dafür tun würde.
Das ist meine Art, mich zu entschuldigen.
Manchmal ist es schwer, an das Gute danach zu glauben. Und vielleicht gibt es das nicht, das Gute danach.
Das ist Pauls Antwort, aber da hat er meine Entschuldigung noch nicht gehört.
Die ewige Frage ist doch dies: Ob Liebe alles übersteht?
Das ist Ratte, die gern das letzte Wort behält.
(aus: Lena Gorelik, a.a.O., S. 250f.)
Kreise ziehen ...
1. Abschnitt
Den Mittelpunkt im Sinn,
dabei das Trachten an die
Peripherie gerichtet.
Grenzen überwinden und
Möglichkeiten ausloten.
Dem so Gewöhnlichen
gezielt die Stirne bieten
und Selbstverständlichkeiten
ernsthaft hinterfragen:
Welt entdecken als Ziel.
2. Abschnitt
Den Radius enger ziehen,
sich im verbliebenen Feld
gerne gewichten lassen.
Fremde Mächte als Hort
zukünftiger Bestimmung.
Einstige Träume in eine
neue Wirklichkeit gebannt
und sich sittsam verortet.
Gut gesichert fühlen:
im Räderwerk der Zeit.
3. Abschnitt
Mittelpunkt und Peripherie
fast schon in eine Einheit
eng zusammengerückt.
Ein Radius kaum noch zu
erkennen, fast unsichtbar:
Bescheidung in dem engen
Korsett gelebter Kreisläufe.
Zeichen still gelebter Einsicht
oder geronnener Resignation?
Jedenfalls: Rückzüge.
4. Epilog
Erinnerungssuche in all den
Fragmenten aus Kreisspuren:
Die Frage nach Wirklichkeit,
Gedanken um Mögliches.
Und vor allem: Versäumtes?
Hier geblieben
Der Zug:
längst abgezogen, streng seinem Namen folgend.
Der Flieger:
seit geraumer Zeit verflogen, ins ferne Abwesende.
Das Auto:
seinem Namen gehorchend sich nun wohl endgültig,
für immer selbständig gemacht, irgendwie verstaut.
Abhängigkeit von Zeit und Druck
Versuch des Reduzierens:
Der Sucht nach Ferne entsagen,
Nähe als Erkennen!
Ende dem Hetzen und Hasten,
der Unruhe und dem Druck,
dem Wetteifern, der Konkurrenz.
Absage an: Alles-ist-möglich;
möglich vielleicht, aber notwendig?
Mitnichten: Das Viele sei überflüssig!
Überfluß als störende Enteignung,
Saat des Verzichts auf wirkliches Sein.
Deshalb: Kreise besser enger gezogen,
Kraftquell Nahbereich wieder entdecken!
Nicht der Zeit fremder Mächte gehorchend:
Schlicht den Tag leben, sich fallen lassend,
Erleben als Nahaufgabe, als Eigentlichkeit.
Züge, Flieger, Autos endlich deren rastlose
Wege gehen lassen, ohne hier mitzuspielen ...
Seht sie: die gehetzten, verbissenen Gesichter!
Körper in Papageiensynthetik gehüllt,
trampelnd auf ihen Fahrradmaschinen ...
Nummern als Erkennungsmerkmal,
preisgegeben der Lächerlichkeit des Seins.
Schwitzende, stinkende Körper
Dieser Entäußerung nicht erliegen:
Wie auch nicht vielen anderen.
Nein, nein: Nichtmitmachen als Elixier.
Banale Normalität in guter Einfachheit:
Eigene Ziele und Gestaltung!
Fremdbestimmung mindern
Langsamkeit und Entschleunigung,
Verzicht auf vermeintlich Notwendiges:
Es wenigstens einmal versuchen,
sinnlosen Aufwand sich sparen,
Zufriedenheit im Kleinen suchen!
Eigene Füße neu entdecken, vor allem:
einfache, langsame Form des Reisens.
Kleine Kreise um echten Mittelpunkt!
Endlich Mut und Kraft zu eigener Belehrung:
Hier geblieben. Sich besser nah bleiben! Nähe ...
(fagusarua 19. September 2017)
14:25
oder welche zeit auch immer:
el condor pasa,
immer wieder, immerfort ...
das alte spiel ernüchternder
abschiede in die gefilde der
unwiederbringlicheit.
normative kraft der fakten
als regelungsmechanismus.
zeit als zerrend.
zeit als drängend.
zeit als fordernd.
zeit als mahnend.
der zug in richtige richtung:
verlässlichkeit und freude;
immer wieder dann auch:
jene anderen richtungen ...
wiedersehen und abschiede,
das kommen und gehen
zeitlich begrenzte spiele:
getakteter lebensrhythmus.
el condor pasa wohin denn?
kraniche fliegen ihre vertrauten wege.
störche ziehen wieder ums überleben.
frühlingsgesänge längst vergangenheit,
herbstsaat breitet sich weit aus:
es wird wieder winterlich und kalt,
stummheit legt sich breit übers land;
14:25 oder welche zeit auch immer ...
(Photos: J. Buchenau, aufgenommen im Unterallgäu; Gedicht in einem längeren Zeitraum geschrieben: Fagusarua, Januar - April 2019)
Mensch oder Tier -- wer oder was hat mehr Rechte hier auf dieser Welt?
Dieser Frage hat sich Bertrand Russell mit der für ihn bekannten kritischen Sichtweise und deutlichen Sprache gestellt. Mit ihm läßt sich vielleicht so mancher "Abendschleier" wenigstens etwas lichten: Bertrand Russel "is adament that there is 'no personal reason for regarding the interests of human beings as more important than animals.' It would seem that there is no dominion of mere power. 'We can destroy animals more easily than they can destroy us; that is the only solid basis of our claim to superiority ... All ethical systems, in the last analysis, depend on weapons of war.' Horkheimer recoils from a 'pragmatic' view which sees animals simply as utilities or 'obstructors of traffic.' He criticises the western Christian tradition for failing to recognise the independent worth of nature, and animals in particular. The principle of copying nature, he argues, involves regression 'to primitive urges.' Not only do animals suffer because of this, but also 'such expedients lead from historically reasonable to utterly barbaric forms of social domination.' All in all, however, the most important question is one of practical philosophy: "What, if anything, is owed by humans to animals?" Additionally you should ask if humans are able to live in the long run without respect concerning nature in general and animals as source of living at all ...
Meine Antwort ist hier ganz eindeutig: Zerstört der Mensch Flora und Fauna, setzt er sich selbstherrlich und ausbeuterisch über deren Rechte und Belange hinweg, zerstört er letztlich auch seine eigenen Lebensgrundlagen. Der Mensch braucht die Natur, die Natur andererseits braucht den Menschen jedoch nicht ... Sie wird auch ohne ihn auf ihre eigene Art weiterbestehen können.
Der Rest der ursprünglich achtköpfigen Schwanenfamilie nach ihrem ausgiebigen Mahl auf der Wiese nun geordnet auf dem Weg zurück ins Gewässer, um sich dort wieder wohlzufühlen.
»Geschafft!«
Das Tageswerk vollbracht
Freude allenthalben:
Erleichterung!
Glücksgefühle!
Lohn der Anstrengungen.
Vergessen die Tage,
Monate und Jahre:
Ein weiteres Ziel erreicht.
Endlich: engelhaftes Strahlen.
Wieder: mehr sich selbst gehören.
Nach all der endlosen Plagerei,
Nach all dem Verzicht das
Gefühl, wieder Zeit zu haben
Für anderes, vor allem: für sich,
Für eben Wichtigeres im Sein,
wieder freier atmen können ...
Ein vorsichtiges Pochen des Herzens,
Anfrage aus der innersten Tiefe:
Wo sind aber sie Pfade der Ruhe,
Entschleunigung: weg von Hast?
Fliehen jener Fremdbestimmtheit!
Wo sind sie diese Lebensweisen
Einer anderen Genügsamkeit,
Horizonte fern jenes Messens?
Ein »geschafft!« oder »nicht geschafft.«
Als irrelevant Wege ohne solche Maßstäbe ....
(fagusarua, 23.10.2019 / 25.10.2019)
"... Auf de schwäb'sche Eisebahne ..."
IEH TSEH EH
Rollende Einheit der Geschwindigkeit:
immer schneller, immer größer,
mehr Künstlichkeit als Natürlichkeit:
verwaltet, verwöhnt, versorgt.
Vorbei: sanfte Beschaulichkeit!
Vorbei: ruhigende Entschleunigung!
Vorbei: Vielfalt und Tiefe im Reisen!
Vorbei: beschauliches Fortkommen!
Wo geblieben: vorbeigleitende Landschaften?
Wo geblieben: die Laute aus schöner Vielfalt?
Wo geblieben: Nähe und gute Begegnungen?
Wo geblieben: die alte Sprache aus Heimat?
Sänk juh werri matsch for dräffeling wiss ...!
Vieles: monoton, mechanisch heruntergeleiert:
marionettenhaft gesteuert von Vorgaben,
allzu oft sinnentleert und die falsche Moderne.
Nun: Willkommen an Bord AN BORD!
Nun: Service Point, Counter, Kiss & Ride.
Nun: mehr trostlose Quantität statt Qualität.
Nun: Unruhe, Unsicherheit, Talmi-Mythen.
Smartphone-Idyllen als trüber Ersatz für
Wirklichkeit, Ruhe und Beschaulichkeit.
Enge und Rücksichtslosigkeit, Zeitgeist:
Hier auch wiederbelebt: IEH TSEH EH
Hektik, Hetze, Verspätungen, verlorene Zeit,
Ausgleichszahlung für Unannehmlichkeiten,
Massenverkehr als Humus für Aggression,
Nährboden für misanthropische Gefühle ...
Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit nur als
Bemühen der Erfolg zumeist versagt.
Volle Züge, Zugausfälle, Materialversagen:
Erleben jener Bandbreite wahrscheinlich.
IEH TSEH EH, du Verwaltungsagent
Spiegel vom Ausschluß der Natürlichkeit.
Ein Singsang aus Allerweltsnivellierung,
Gefühlt: eine der dunklen Seite des Mondes.
Rollendes Geschoß aus Gigantomanie:
Verkehrung von Sinnhaftigkeit,
das Reisen zum Transport verkümmert;
entwertet, enteilt entfremdet!
(fagusarua, 07./ 08. 10.2019)
Menschen deuten oft nach ihrer Weise die Dinge, weit entfernt von ihrem Sinn!
William Shakespeare
Kitsch ist das Echo der Kunst.
Kurt Tucholsky
Only those who will risk going too far can possibly find out how far one can go.
T.S. Eliot
To do the useful thing, to say the courageous thing, to contemplate the beautiful thing: that is enough for one man's life.
T.S. Eliot, The Use of Poetry and the Use of Criticism
(Nützliches tun, mutig sprechen, sich in Schönes versenken: das ist genug für ein Menschenleben.)
We shall not cease from exploration
And the end of all our exploring
Will be to arrive where we started
And know the place for the first time.
T. S. Eliot, Four Quartets
(Wir werden nicht aufhören zu erkunden. Und am Ende unseres Weges werden wir zum Ausgangspunkt zurückkehren, um ihn zum ersten Mal kennenzulernen.)
Hier die komplette Fassung:
We shall not cease from exploration
And the end of all our exploring
Will be to arrive where we started
And know the place for the first time.
Through the unknown, remembered gate
When the last of earth left to discover
Is that which was the beginning;
At the source of the longest river
The voice of the hidden waterfall
And the children in the apple-tree
Not known, because not looked for
But heard, half-heard, in the stillness
Between two waves of the sea.
"You can travel on ten thousand miles and still stay where you are." (Harry Chapin)
Anmerkung hierzu: ... natürlich kann diese Aussage auch im Umkehrschluß zutreffen ...
Sometimes things become possible
if we want them bad enough.
(Wahrscheinlich fälschlicherweise T.S. Eliot zugeschrieben.)
"Wenn man sich nicht immerzu fragt, ob das Gras auf der anderen Seite des Zauns vielleicht noch grüner ist als unter den eigenen Füßen, entspannt das ungemein."
Andreas Voßkuhle
"There is something infinitely healing in the repeated refrains of nature the assurance that dawn comes after night, and spring after winter."
Rachel Carson
|
"I go to nature to be soothed and healed, and to have my senses put in order."
John Burroughs
"Study nature, love nature, stay close to nature. It will never fail you."
Frank Lloyd Wright
|
Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird.
Christian Morgenstern
|
Göttsies 2020, Blick auf Burgruine Burg-Montfort (Photo by I. Moser)
zäsuren
(schlüsseltage?)
sie wie oft (noch)
wie viele (noch)
wer weiß all dies
wer will es wissen
von pythias' spielen
sich streng fernhalten
die gelebten distanzen
freiheitlich auskosten
kommen und gehen
diese wiederholungen
all die geburtstage
gespielte weihnachten
und: osterhasenlieder
welch aufgeblasenheit
die peinliche imposanz
leerer wörterspielerei
! ! ach
ständig wahlgedonnere
mundstuhl exkremente
gänzlich verachtenswert
dies gegenseitig' hofieren
mittelmäßigkeit lobpreisen
solidarität in hemmungslos
ausgelebten dummheiten
vergesslichkeit und lügen
in medienabhängigkeit
unterworfen dem wenig
gewogen und viel zu
oft zu leicht befunden
! ! ach
klebriger dabeiseinssog
nur nichtend entwertend
im auf und ab geistiger
witterungskapriolen
dumpfes treiben inmitten
selbstbemalter jahreszeiten
und unaufhörlich
gar zu oft hohles
feiern lautstark
exzesse des nichts
nervendes getöse
verlogenheitstänze
gewogen und viel zu
oft zu leicht befunden
die sehnend seele nach
einem stillen erleben
lechzend fordernd
wärme und wahrheit
tiefe besinnlichkeit
ganz bewußt dann
abstände halten
sinne auf freigang
immer etwas leben
ein wenig sterben
morgendämmerung
horizonterwachen
dunkler mantel auf
siechendem land
gewogen und viel zu
oft zu leicht befunden
(fagusrua 21.10.2022)
"Mich ängstigt das Verfängliche
Im widrigen Geschwätz,
Wo nichts verharre, alles flieht,
Wo schon verschwunden, was man sieht;
Und mich umfängt das bängliche,
Das graugestrickte Netz."
Getrost! Das Unvergängliche,
Es ist das ewige Gesetz,
Wonach die Ros und Lilie blüht.
Johann Wolfgang von Goethe
Ich möchte mich, was Himmel und
Hölle betrifft, nicht festlegen, habe
ich doch da wie dort gute Freunde.
Mark Twain
Du bist die Zukunft, großes Morgenrot über den Ebenen
der Ewigkeit.
Rainer Maria Rilke
lebensquell ...
es dürstet
sehr:
das glas in reichweite,
weniger als halbvoll
kein sprudelndes quell
es zu füllen;
dabei: es dürstet,
sehr,
zu sehr!
beherrschung
maß halten,
einteilen:
zeit kraft ruhe ...
spuren? töne? rufe?
ach! ach? ach
wege
die bank am waldesrand,
schweifende blicke über
sanft abfallende hügel:
nicht weit entfernt
ruhigende landschaft.
äsendes rotwild
krähengesänge
lichtspiele aus
sonnenwelten.
weit? nah?
wie weit? wie nah?
greifende hand nach
der wasserflasche:
diese randvoll!
wundersam
labsal labsale ?
von welcher dauer ...
welch stille in
naturgesängen!
herzensmelodien!
seelenbalsam!
? ?
augenblicke:
genießen,
einsaugen,
festhalten, speichern.
kaum welche gedanken:
an das jetzt
doch sehr ferne fast
leere glas,
abgestellt ...
sich selbst überlassen ...
quellende füllspuren?
nun auch dort ?
nein: blicke und atem hier
in einklang
? ? ?
ja: mit einigem ...
vielleicht: sogar mit vielem.
genügsamkeit
einsicht ...
reich der notwendigkeit(en):
? insel besonderer momente ?
geben
nehmen
einbetten
zeit umarmen,
sie einhüllen!
fügsamkeit
wieder langsam bewegen;
vorwärts,
bedächtig,
mit offenem blick.
da! eine amsel baut ihr nest, dort
gegenüber: die alte hütte
noch unerreichbar
? ? ? noch
einfach niederschreiben
in das buch der seelenwelten
festhalten ...
welch lebensquell ...
(FagusArua 05.01.2023)
Für ewig aus dunkler Tiefe
Sprudelt der Lebensquell.
Wilhelm Busch
Alles im Leben hat seinen Preis; auch die Dinge, von denen man sich einbildet, man kriegt sie geschenkt.
Theodor Fontane
Müßiggang ist nichts Übles, ja man muß sagen: Ein Mensch, der für diesen keinen Sinn hat, zeigt damit, daß er sich nicht zur Humanität erhoben hat.
Soren Kierkegaard
Dem Müßiggänger fehlt es stets an Zeit zum Tun
und nie an einem Grund, warum er's lasse ruhn.
(Friedrich Rückert)
... weitere Inhalte werden je nach Lust und Laune sukzessive erstellt ...
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