Erste Gesänge
Die Differenz zwischen Wort und Tat kann man als eine besondere Form der Lüge bezeichnen, gegen die man in stetem Bemühen ankämpfen sollte.
fagusarua
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... welch ein Blühen, welch ein Glühen ...
Der Magnolienbaum
Nach endlos scheinend’ Winterstarre
Erwacht zu strahlend neuem Glanz
Vergessen scheint nun das Verblühen
Das Frühjahr windet seinen Kranz
Die Farben spielen ihren Reigen
Dringen in Herz und Gemüt hinein
Erwacht sind auch die trillernd’ Stimmen
So erfüllt sollte schönes Leben sein
Gedanken fernab zerrend’ Düsternis
Hin zu den Träumen aus Ewigkeit
Getragen von Feen aus heller Welt
Auf Fäden froher Ausgelassenheit
Sieh doch wie all die Farben leuchten
Wie mit ihnen deine Sinne glüh’n
Ein göttlich Anblick was für Freuden
O könntest du halt nur ewig blüh’n
Von kurzer Dauer doch dieses Glück
Von Wind und Regen fortgetragen
Es bleibt die Erinnerung allein zurück
Und mit ihr tausend’ bohrend’ Fragen
Weshalb warum und auch weswegen
Ist derart’ Freude von kurzer Dauer
Läßt ziehend’ Schmerzen überleben
Und der Seelenqualen Hagelschauer
Ach könnte gekonnt Zeit verweilen
Ein wenig länger die Pracht erhalten
Nicht immer das Schöne so enteilen
Das Große größer dann gestalten
Warum nicht beständig Tiefe leben
Jene Gefühle endlos heilsam pflegen
Warum nicht fassen die süßen Reben
Freude wie Sinne sorgsam hegen
Sitzend so viel am Magnolienbaum
Seine Zeichen wachsam ganz still lesen
Wirklichkeit trennt sich jäh vom Traum
Und das was ist scheint bald gewesen
Doch jedes Jahr da blüht er uns wieder
Wenn auch kurz jedoch unsagbar schön
Bringt höchste Freuden in all die Glieder
Bis er für immer dann wird vergeh’n
(14. Mai 2013)
Überlegung, weshalb ich überhaupt schreibe. In seinem Buch "Die Städter" läßt Adrian Naef, ein Schweizer Schriftsteller, seinen Protagonisten, der seine vielen Erfahrungen und Gefühlsregungen schon in sehr jungen Jahren in "Notizheften" umfassend aufschrieb, sagen: "Und mit jeder Stadt, die ich mir in den nächsten Jahren zu bereisen leisten konnte, wuchsen die Notizhefte an, bis die Einträge weniger wurden und der Koffer mit den Heften allmählich verstaubte. Es waren -- keineswegs regelmäßige -- tagebuchartige Notizen, angefangen mit meiner Pendlerzeit als Sekundar- und Handelsschüler bis zur Geburt meiner Tochter, als ich siebenundzwanzig war und mein erstes Buch in einem veritablen Verlag erschien. Einige wenige Texte, meist Entwürfe für Zeitungsartikel und Anläufe zu Manuskripten, folgten noch nach. Im Ganzen aber war es so, als verflüchtigte sich das Notieren mit dem Ernst des Lebens, der allmählich seine Zwänge geltend machte, als verflüchtigte sich die Schreiblust mit dem Andrang der tatsächlichen Erfahrung." (weissbooks.w, Frankfurt am Main 2011, S. 22 f.)
Bei mir verlief es eher umgekehrt. Zwar habe ich schon in sehr frühen Jahren angefangen, meine Eindrücke in einer Art Erlebnis- und Erlebensaufzeichnungen festzuhalten. Einem regelmäßig geführten Tagebuch kam dies nicht gleich, es waren eher kleine Aufsätze, in denen ich von mir erlebte Zusammenhänge schilderte. Das war etwa mit dem Eintritt in die Internatsschule. Von da an behielt ich diese Praxis bei. Anders als bei Naefs Ich-Erzähler, nahm bei mir diese Aktivität mit zunehmenden Alter immer größeren Platz in meiner Zeitgestaltung ein. Ich teile übrigens auch nicht die landläufige Ansicht, was unter "Ernst des Lebens" zu verstehen ist -- meistens eben der Beginn der Erwachsenenphase (was das dann auch immer bedeuten mag; Stichworte u.a. der Vorwurf "Du wirst niemals erwachsen!" --, denn ich vertrete die Ansicht daß jegliche Entwicklungsstufe immer schon mit dem "Ernst des Lebens" konfrontiert wird. Dies reicht vom Lernen über Gestalten bis zum Aushalten, womit wir es tun bekommen. Schreiben ist hier ein Mittel, sich auszudrücken, seine Sicht und Empfindungen in Worte zu fassen, aber auch weiterhin eine Welt der Hoffnungen und Träume angemessen zu pflegen. Dem "Ernst des Lebens" zu entsprechen, ist eine Aufgabe, der man sich zu keiner Zeit, der jeweiligen Entwicklungsstufe angemessen, entziehen kann. Dieser "Ernst des Lebens" ist vielmehr ständiger Begleiter, solange man lebt. Und ich finde, fühle, weiß für mich: Schreiben ist eine sehr gute Möglichkeit, dieser Tatsache kreativ, phantasievoll, aber auch mit Blick auf seelische Gesundheit, umzugehen. Vor allem zwingt Schreiben zum Reflektieren des Daseins, zum geistvollen Umgang mit der Sinnsuche. Einen Rat möchte ich -- freilich sehr subjektiv und entsprechend abhängig von der eigenen materiellen Situation -- hinsichtlich Schreiben geben: Schreiben erfordert Freiheit des Denkens, Schreiben verlangt nach zumindest gewisser Unabhängigkeit. Insofern sollte beim Schreiben ein merkantiles Interesse auf gar keinen Fall dominierend und handlungsleitend sein respektive werden. Schreiben muß Vergnügen sein und bleiben. Schreiben bedeutet gewiß auch: Ausleben von Phantasien. Eine gewisse Hemmungslosigkeiten im Denken und Ausgestalten von Inhalten. Beim Schreiben sollte freilich aber auch möglichst kein narzißtischer Drang die Oberhand gewinnen ... Auch beim Schreiben geht es letztlich um: ein eigenverantwortetes Leben.
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