An Hand zunächst eines Beispiels möchte ich den Versuch einer Annäherung an eine meines Erachtens nicht untypische deutsche Denkweise wagen ...
Lehrkräfte zwischen Ausbeutung und Orientierungslosigkeit
Elternteilhabe als Farce bei offensichlichem Mangel an einschlägiger Kompetenz
Familienbild zwischen Idealvorstellungen und oft trauriger Wirklichkeit
Die trügerische Förderung von Erziehung durch (mehr) Kindergeld ...
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Eine deutsche Perspektive
Wie soll man aus gesellschaftlicher Sicht eigentlich
mit Lehrer und (schulischer) Erziehung umgehen?
"Eine neue Bürgerschaft fällt nicht vom Wertehimmel, sie bildet sich in Konflikt und Kooperation, Wahrnehmungung und Neugierde, Unverständnis und Gespräch."
(Ein Leitspruch der Aktionsgemeinschaft "potsdamer-toleranzedikt", entnommen einem Plakat auf einer Litfaßsäule am Fußweg zum Pfingstberg.)
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Die etwas andere Berichterstattung und Kommentierung ...
Lehrer, ein Beruf ohne zeitgemäße Orientierung und Ordnung?
Qualitätsmanagement
Personalentwicklung in Schulen
Schulentwicklung, Evaluation, Organisation
Wirklich neue Wege? Effektive Lösungsansätze? Oder nur Schlagwörter?
Eine kleine kommentierte Einführung
Erstes Motto: Wer weise Antworten will, muß kluge Fragen stellen.
(Goethe)
Zweites Motto: Wer im Rätsel sitzt, soll nicht mit Antworten werfen.
(Piet Klocke)
Drittes Motto: Zu oft beschäftigen sich die großen Chefs mit ihren eigenen Visionen anstatt
mit denen ihrer Kunden.
(Hans-Olaf Henkel)
Mit Visionen fängt oft angeblich so einiges an. Dabei ist das tauglichste an diesem Begriff das Wissen um seine sehr eingeschränkte Tauglichkeit zur Veränderung. Auch scheint mir dieser Begriff zum Lieblingsvokabular all derer zu gehören, die gerade wenig Vorstellung von Veränderung und Zukunft haben. Zu jenem Personenkreis, der eigentlich nichts oder kaum etwas Konkreteres zum Aspekt Zukunft und ihrer Ausgestaltung zu sagen weiß. Zu jenen, deren dominantes Darstellungselixier die Spiegelfechterei ist. Kurz: Der Begriff wird gerne von Leuten benützt, die sich eher durch Perspektivlosigkeit kennzeichnen lassen denn durch innovatorisches Potential. Wer sich mit Hans-Olaf Henkel eingehender beschäftigt hat, der weiß, dass auch er die ideologische Abgenutztheit der Vokabel “Visionen” sieht; deshalb bleiben wir bei dem bescheideneren und ehrlicheren Begriff “Vorstellungen” und schon wird die Tragweite des dritten Mottos mehr als deutlich.
Qualitätsmanagement ist eigentlich unverzichtbar und kommt all denjenigen zugute, die mit dem Produkt und Gegenstand von Qualitätskontrolle konfrontiert sind. Aus der Wirtschaft kennen wir die Maßnahmen, die der Qualitätssicherung dienen, die Ausschuss minimieren sollen und damit logischerweise auch die Verluste: Es handelt sich also nicht um Selbstzweck. Nun ist das mit der Übertragbarkeit von Verfahrensweisen so eine Sache. Es macht halt doch einen Unterschied, ob ich marktorientiert mich der Energiesparlampenproduktion öffne, die Prozessabläufe hierzu sorgfältig (und unter großem Konkurrenzdruck) plane, um dann im laufenden Produktionsprozeß stichprobenartig entsprechende Lose herausnehme, um die Qualität durch rechtzeitiges Erkennen von Schwachstellen zu sichern oder ob ich herausfinden will, ob eine Schule und deren Lehrer das Gut Bildung effektiv bereitzustellen vermögen.
Im ersten Fall haben wir eine weitestgehend klare Definition der Zielorientierung; wir können entsprechende Operabilität von Untersuchungsverfahren feststellen und das Ergebnis im Produktionsprozeß ist deutlich sichtbar und bereits im Vorfeld benennbar. Besonders deutlich wird dies im Extremfall, wenn bei Maßnahmen der Qualitätssicherung zur Gewährleistung effektiver Produktionsprozesse die für die Untersuchung zufällig ausgewählten Einheiten zerstört werden (müssen), etwa im Bereich von Belastungsgrenzwertfestlegungen.
Mit Schülern, mit Lehrern, überhaupt mit Menschen läßt sich das nicht so durchführen. Darin dürfte Einigkeit bestehen. Damit stellt sich aber auch die Frage, ob die von der Wirtschaft “abgeschauten” Methoden einfach so übertragbar sind. Es macht wenig Sinn, eine Terminologie einfach aus anderen Bereichen zu übernehmen. Sinn trennscharfer Terminologie ist es, Sachverhalte möglichst klar zu definieren und zwar so, dass der Begriff nicht von Alltagskonnotationen bis hin zur Beliebigkeit erklärbar bleibt. Wer “Wettbewerb” sagt, der sollte zunächst einmal prüfen, ob überhaupt Raum für diesen in einem nennenswertem Umfang gegeben ist. Wer Eltern als “Kunden” bezeichnet, der verkennt wohl die Tatsachen der Gliederung des Schulsystems sowie dessen staatlich durch ein relativ starres Regelment geordnete Struktur einerseits als auch den Umstand, dass es wohl kaum Eltern gibt, die ihr Kind ohne Not und Zwang freiwillig auf einem niederen Niveau beschulen lassen als es unbedingt notwendig ist. Vor dem Hintergrund der sicherlich notwendigen Schulpflicht erscheint es absurd anzunehmen, dass vor der Möglichkeit einer Wahl Eltern ihr Kind auf eine Hauptschule mit bestem Image (der Begriff “Marketing” sollte in diesem Zusammenhang wohl überdacht werden ...) schicken, wenn es auch nur irgendwie die Chance hat, auf ein Gymnasium mit geringem Öffentlichkeitswert oder auf eine entsprechend schlechter qualifizierte Hauptschule zu schicken. Es besteht eine Selektions- und auch eine Allokationsfunktion innerhalb des Schulsystems hinsichtlich dem Wunsch nach bester (und das ist für die breite Öffentlichkeit in der Regel die mit höherwertigem Abschluss) Schulbildung als auch der damit eröffneten Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Was muß modifiziert werden, damit der Sinn einer Qualitätskontrolle noch erkennbar bleibt? Welche generalisierbare Aussagekraft kommt den Ergebnissen zu, wie valide und reliabel sind sie überhaupt? Kann es Vergleichbarkeit überhaupt hier geben? Wer ist in diesem komplexen sozialen Zusammenhang zu evaluieren und welche Interdependenzen bestehen zwischen den einzelnen involvierten Sozialgruppen? Man fängt da meist ganz unten an, also bei den Schulen. Die Eltern bleiben sehr oft gerade von politischer Seite (Immerhin sind sie alle Wähler) außen vor; im Gegenteil, es wird ihnen eine Mitwirkungskompetenz zugeschrieben, ohne dass diese auch nur annähernd einer kritischeren Betrachtung unterzogen würde. Und die bestimmenden Mächte (Politiker, Ministerialbürokratie vor allem) kommen nicht im entferntesten auf den Gedanken, dass sie vielleicht gar an erster Stelle stehen sollte, wenn man Objekte für die Evaluation von Bildungsleistungen festlegt. Damit sind wir beim Kopf: Wer das Ziel nicht kennt, dem ist kein Wind der rechte. Und nur vor dem Hintergrund der Zielsetzungen, die für eine Evaluation jedoch eindeutig operabel ausformuliert sein müssen, läßt sich Qualitätsmanagement betreiben. Und der Prozeß dieser Zielfindung mit ihrer anschließenden Fixierung im sprachlichen Kodex gehört an erster Stelle evaluiert. Aber so scheint es gerade nicht zu laufen. Und davon handelt meine Abhandlung.
Kurz: Wer ist in den Prozeß schulischer Qualitätssicherung einzubeziehen, wen gilt es alles zu evaluieren und macht es vor diesem Hintergrund überhaupt einen Sinn, nur willkürlich ausgewählte Bereiche zu evaluieren, wenn man an einer Verbesserung der Verhältnisse wirklich interessiert ist?
Volkstümlich gesprochen: Wird hier wieder einmal zu wenig gedacht, wird hier wieder einmal mehr nur populistisch orientiert gehandelt, wird hier erneut genau das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich will, nämlich die Bildungsmöglichkeiten der heranwachsenden Generation zu verbessern?
Also werfen wir einen Blick auf den Staat, seine Bürger, seine Schule, seine Lehrer, seine Schüler, seine Erziehungsberechtigten (Erziehungsverpflichteten), seine Politiker und seine Bürokraten. Eben auf das gesamte Bildungsgeflecht. Jegliche Organisation ist - und das ist mehr als banal, trotzdem wird es faktisch nicht immer als Selbstverständlichkeit gehandhabt - so gut wie ihre Mitglieder. Und das bedeutet, dass wir hier auch auf die Zusammensetzung zweier Hauptsystemträger im Evaluationskontext werfen werden: auf die Evaluationsgruppe (sie nennt sich natürlich TEAM, weil das implizit so viel Gutes verspricht ...) auf der einen Seite und auf die Steuergruppe, die an den Schulen einzurichten sind, auf der anderen Seite. Man darf gespannt sein, ob es sich hier wirklich um etwas Neues handelt.
Die Misere an vielen deutschen Schulen und vor allem im Bildungswesen scheint unübersehbar. Studien bescheinigen deutschen Schülern unzeitgemäßes Leistungsniveau. Natürlich taugen dann in den Augen einer breiten Öffentlichkeit die Lehrer auch entsprechend wenig. Die Politiker, auf vielen Gebieten vielfach mehr oder weniger als allenfalls drittklassige Kompetenz ausgewiesen oder gar völlig inkompetent, nehmen sich der Bildungssache mit dem dann ihnen gemäßen ‘Einfallsreichtum’ an.
Die Zauberworte zur Lösung der Probleme heißen unter anderen: Qualitätsmanagement, Evaluation, Organisationsgestaltung und eben Schulentwicklung.
Natürlich ist zur Zeit in diesem Zusammenhang dann ganz besonders “in” die Erarbeitung einer ‘Schulverfassung’, eines ‘Schulprogramms’, einer ‘programmatischen Orientierung’, von ‘Leitlinien’ oder anderen Wortschöpfungen, die mehr oder weniger innovatorisch gewichtbarer Einfallsreichtum auch immer noch zu produzieren imstande ist.
Dass man sich da gerne an der Wirtschaft orientiert, mag nicht zuletzt die Assoziation mit dort einsetzbaren Effizienzkriterien bedingen. Nur wird dann meistens übersehen, dass genau jene so hochgelobten Kriterien eben nicht überall wirksam sein können, dass statistische Auswertungsverfahren bestimmte Skalenniveaus voraussetzen und vor allem, dass all jene Verfahren ein Know-how erfordern, das den meisten im Schulbereich Tätigen gänzlich abgeht. Aber darüber später mehr.
Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich bin weder gegen Qualitätsmanagement, noch gegen eine Evaluation, schon gar nicht gegen eine zielangemessene Organisationsstruktur. Mit anderen Worten: Schulentwicklung muß sein.
Aber diese Wege erfordern ein klares Fundament. Dies bedeutet vor allem, dass zunächst eine ehrliche und schonungslose Bestandsaufnahme erstellt wird. Nachdem schulisches Arbeiten ohne Zielvorgaben nicht gelingen kann, müssen dann diese pädagogischen Ziele in einem diskursiven Prozess festgesetzt werden. Dabei ist selbstverständlich von dem Bestehenden auszugehen und eine erfolgte Festlegung darf niemals als statisch verstanden werden. Wenige Ausnahmen hiervon stellen zum Beispiel die Verpflichtung auf die Menschenrechte und Grundrechte dar, wie sie im Grundgesetz der BRD festgelegt sind.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass derartige Ziele auch qua Verordnung von “Oben” festgesetzt werden können, auf dem Verordnungswege mehr oder weniger erzwingbar zu gestalten sind; diese Vorgehensweise würde jedoch jeder demokratisch Gesinnte - zu Recht - ablehnen.
Sind diese Ziele dann (vorläufig) festgesetzt, gilt es zu fragen: Gibt es Bedingungen, die grundsätzlich erfüllt sein müssen, damit jene Ziele überhaupt erreichbar bleiben? Gibt es gegenwärtig Hinderungsgründe oder Erschwernisse, die einer Zielerreichung entgegenstehen? Oder um es wissenschaftlich zu formulieren: Es ist unabdinglich, die Frage nach der Bedingungen der Möglichkeiten zu stellen.
Halten wir zunächst fest: Ohne ehrliche Bestandsaufnahme und ohne die einer Wertentscheidung unterliegenden Festlegung von Zielen wird jeder Versuch, etwas verbessern zu wollen, scheitern müssen. Dies ist eine systemimmanente Logik.
Die Aussage mag banal klingen (vor allem für Menschen, die ihr Arbeitsleben mit leichter messbaren Praxis verbringen), aber viele Schwierigkeiten in gesellschaftlichen Prozessen entstehen gerade daraus, dass man derartige Banalitäten negiert.
Es entspricht leider dem Zeitgeist, dass Probleme hierzulande gerne mit Euphemismen umschrieben werden und schon glauben die entsprechenden Geister, damit bereits den Lösungsschlüssel gefunden zu haben. Es ist gängige Praxis, dass gerade in den Bereichen, in denen der Erfolg oder Mißerfolg nicht unmittelbar evident wird, durch intersubjektive Übereinkunft ein Ergebnis bestimmt wird, dass realiter überhaupt nicht vorhanden ist. Auch nicht selten ist der Weg, sich als Folge irgendwelcher Belobigungen oder Preisverleihungen auf die Schulter zu klopfen. Aber Schönrednerei hat selten den Spiegel der Wirklichkeit mit seinem erhobenen und wohl auch mahnenden Zeigefinger über einen längeren Zeitraum überdauert.
Einige Beispiele mögen hierfür zur Erläuterung des Gemeinten genügen. Als Bayern den sogenannten ‘Quabi’ (eine jener dem Zeitgeist huldigenden Abkürzungen; gemeint ist damit der sogenannte qualifizierende Bildungsabschluss) eingeführt hatte, dauerte es keine drei Monate und dieser wurde auf der Landwirtschaftsmesse in Kempten von seinem Schöpfer, einem Kultusminister, als “voller Erfolg” gewertet. Dazu muß man wissen, dass dieser ‘Quabi’ den erfolgreichen qualifizierenden Abschluss der neunten Hauptschulklasse voraussetzt und daran muß sich erst noch eine Lehre, die mit der Note Zwei oder besser abzuschließen ist, anschließen. Erst dann erhält man auf eigenen Antrag diesen ‘Quabi’, vorausgesetzt man kann auch “ausreichende Englischkenntnisse” vorweisen. Dieser ‘Quabi’ entspricht formalrechtlich der mittleren Reife, ist also ein mittlerer Bildungsabschluss.
Es konnte also zum Zeitpunkt der Lobhudelei auf das selbst gelegt Bildungsei noch überhaupt nicht festgelegt werden, ob es sich um einen “vollen Erfolg” handelte. Entsprechendes Befreiungsgackern war unangebracht. Aber es waren genügend Leute anwesend, die dieses Loblied mitsangen und diejenigen, die es hätten besser wissen müssen, haben in ihrer großen Masse geschwiegen. Die Presse - im Gefolge jenes intersubjektiven Selbstbeweihräucherungsgedusels - konnte vermelden: “Quabi bereits ein voller Erfolg.” Faktisch war da jedoch weit und breit kein “voller Erfolg”. Es war schlicht noch nichts in dieser Hinsicht beurteilbar.
Baut man nun auf einem derartigen Potemkinschen Dorf eine Bildungsstruktur auf, kann sie nur scheitern.
Und es pfeifen übrigens die Spatzen von den Dächern: Letztlich entscheiden die Wirtschaft und andere Manpower-Nachfrager über den berufspraktischen Wert eines Bildungsabschlusses, was seine Qualität angeht. Und bei weiteren Bildungswegen entscheiden die Anforderungen der jeweiligen Institutionen in Verbindung mit tatsächlich vorhanden subjektiven Wettbewerbskriterien, die von allgemeinen unterschiedlichen formalen Voraussetzungen bis hin zur Durchsetzungsfähigkeit und Standvermögen bei übervollen Hörsälen und Überlastungen von Bibliotheken als auch von wissenschaftlichen Mentoren und den damit verbundenen Limitationen auf dem Weg zu einer angestrebten Bildung reichen.
Ein weiteres Beispiel: Eine Schule erhält einen Preis für ihre Leistung auf dem Gebiet der Schulentwicklung. Dieser Preis ist gut dotiert - zumindest auf die Realität dieser Szene bezogen. Nun argumentiert die Schulleitung allenthalben, sie hätten immerhin für ihre Leistungen einen Preis bekommen, was die Qualität ihrer Arbeit unterstreicht. Unkritisch betrachtet, möchte man diesem Verkünder eigenen Lobes ja recht geben. Doch wer weiß - und damit wollen wir doch lieber kritisch bleiben - , wer, wie, wann heute oft einen Preis bekommt, der wird dies alles schon weniger euphorisch und wohl auch viel skeptischer begleiten ...
Liest man dann das Schulprogramm, das Schulprofil und über das, was dort über Steuergruppe, “freundliche Kritiker” (H-G. Rolff) und andere (längst nicht alle hier angedeuteten) Beteiligte formuliert worden ist, wundert man sich über ein Sammelsurium von nichtssagenden oder aus einem Gesamtkonzept gerissenen (z.B.: unkritische Rezeption von TZI) Satz- und Worthülsen, die letztlich nichts anderes bestätigen als Selbstverständlichkeiten, Leerformeln, ideologisch verbrämte Herrschaftsinteressen und viele Dinge, die unter anderen Umständen wohl kaum “preiswürdig” (im Sinne von herausragend und wirklich innovativ) sind beziehungsweise gewesen wären. Aber man kann sich loben, reist sogar herum, um diese ‘glorreichen Taten’ zu verkünden (und wohl zur Nachahmung aufzufordern). Ob dies der Schule hilft? Oder wie soll man es verstehen, wenn am 19. Januar 2004 in Bayern 2 frühmorgens angekündigt wird, dass in Dachau an diesem Tage von der bayerischen Kultusministerin Hohlmeier Preise an besonders innovative Schulen vergeben werden sollen und dabei das Schulprogramm eines Gymnasiums mit dem Hinweis, dort würde auf “gegenseitigen Respekt” verwiesen und ein solcher auch expressis verbis verlangt, hochgelobt wird? Man hat es dort (und anderswo) nun schwarz auf weiß: Gegenseitiger Respekt. Warum macht man aus einer mitmenschlichen Selbstverständlichkeit nun einen solchen Popanz? Glaubt man diesen ‘gegenseitigen Respekt’ herbeireden zu können? Was soll das denn? Darauf haben meine Grundschullehrer schon in den fünfziger Jahren stets verwiesen, diesen in der Mehrheit auch vorgelebt und abgefordert - ohne dass es an die große Glocke gehängt oder gar als preiswürdig gesehen werden mußte ...
Klar: Man muß Menschen schon immer wieder daran erinnern, dass gegenseitiger Respekt unverzichtbar ist. Dazu gehört aber als Voraussetzung zum einen ein Verhalten, das es einfacher macht, diesen Respekt entgegen zu bringen, zum anderen aber auch das Vorleben im Sinne von Reversibilität. Dieses Prinzip bindet natürlich auch vorgesetzte Dienststellen im Umgang mit Untergebenen. Hierunter fällt auch Vertrauen. Die anvisierten Maßnahmen sind unbestreitbar auch von einem gehörig Maß an Mißtrauen gegenüber der Lehrerschaft getragen. Und das ist für jeden Erfolg - den doch eigentlich alle wollen sollten - kontraproduktiv. “Vertrauen stellt keine Bedingungen. Es ist aber die Bedingung für jeden Erfolg.” (Gertrud Höhler) Soll es nach oben gehen, und damit meine ich in Richtung positiver Veränderung - wie auch immer diese in einem diskursiven Prozess ausgehandelt worden sein mag -, dann ist eben dieses Wagnis mit einem entsprechenden Vertrauensvorschub einzugehen oder es wird mißlingen. Selbstredend muß für ein konkret gerichtetes Vertrauen die entsprechende Kompetenz ausweisbar sein. Wer würde denn schon zu jemanden in den Bus steigen, dessen schlechte Fahrkünste landauf und landab berüchtigt sind? Und so ist es auch mit übergeordneten, aber auch mit nachgeordneten Instanzen und den sie besetzenden Personen. Evaluateure sind nicht allein dadurch schon ‘Fachleute’ dass man sie zu solchen ernennt. Leitungsfunktionsträger erweisen ihre Kompetenz (leider) nicht allein schon durch die Ernennung, sondern durch die von ihnen vorgelebte Praxis. Erscheinen jene dann als ‘zu leicht gewogen’, darf man sich nicht wundern, wenn sie nicht ernst genommen werden (können); beharren solche Führungsleute dann trotz eingeschränkter Qualifikation auf ihrer Definitionsmacht, bleiben Gleichgültigkeit, Resignation, innere Emigration, Obstruktion, Fluchttendenzen in einer Belegschaft nicht aus - dies mit all den negativen Auswirkungen auf die Organisationsziele.
Wir können also nicht umhin, genauer hinzuschauen, ehe wir das Loblied auf Evaluation und Qualitätsmanagement singen können.
Da sind jene, deren Posten einer ministeriellen Streichung zum Opfer gefallen sind oder aber demnächst geopfert werden. Ehemalige Lehrer, nun Verwaltungsfachleute in der Schulaufsicht. Die sollen nun trotz ihrer jahrelangen Nähe zum schulischen Geschehen dem Sparstift zum Opfer fallen. (Sicherlich sollte mehr als einmal kritisch gefragt werden, ob unter den Bedingungen gegenwärtiger Bildungssituation überhaupt an Bildung gespart werden darf!) Wenn aber schon Streichung von Institutionen, dann wären vielleicht doch im Sinne von Verbesserung ortsnaher Bildungsbemühungen höhere Ebenen zu reduziern oder zu streichen. Gleichwohl gilt für alle, die sich vorwiegend im administrativen Bereich aufhalten, zu fragen: Welche Qualifikation hat dieser Personenkreis eigentlich, um aus dem Wirtschaftsleben abgeleitete und in evolutionären Prozessen modifizierte Managementmethoden zu praktizieren oder aber auch nur “an den Mann oder an die Frau” zu bringen? Ja, es gilt im selben Atemzug zu fragen, inwieweit derartige Verfahren überhaupt effektiv im Bildungssektor anzuwenden sind. Ohne diese kritischen Fragen an alle betroffenen Adressaten, können Evaluation und Personalmanagement nur scheitern oder dünne Ergebnisse im Lichte einer Input-Output-Analyse zeitigen.
Wer bereits im Vorfeld bei der Ankündigung und Einführung in evaluatorische Maßnahmen nicht umhin kann zu verkünden “Die Wirtschaft kriegt schwierige Leute leicht los, wir leider nicht so.”, der muß sich schon fragen lassen, ob er Evaluation als Einbahnstraße begreift oder auch, wie er denn gedenkt (s)ein altes Herrschaftsgefälle durch eben ein neues zu ersetzen. Ob dies der Schule hilft? Oder ein Schulleiter, der in ‘seiner’ Schulverfassung das Hohe Lied auf Kooperation, Pluralität und kritische Teilhabe singt, raunzt einen Kollegen, der sich nicht den Worthülsen kritiklos beugt, an, er möge sich doch eine andere Schule suchen. Ob diese ‘Worthelden’ wirklich geeignet sind für eine solche Führungsposition und für Implementation von Evaluationvorhaben? Die Leser mögen sich hier ihre eigenen, wertvollen Gedanken machen ...
Oder jener, der schon mehrfach versucht hat “aufzusteigen”, bislang aus welchen Gründen auch immer damit nicht zum Zuge kam, findet endlich wieder ein Feld, in dem er (oder auch sie) seine profilneurotischen Defizite aufarbeiten zu können glaubt (freilich kein kognitiver sondern ein unbewußter Prozeß), der wird wohl kaum die geeignete Persönlichkeit haben, um den Bedingungen für die weiter unten aufgezeigten Methoden einer anderen Organisation schulischen Arbeitens zu genügen.
Es gibt aber auch andere ‘Verkleidungen’ ideologischer Machenschaften (die wir freilich im Rahmen einer ideologiekritischen Untersuchung von Sachverhalten stets zu enthüllen trachten); diesmal ein kleiner Blick in die einschlägige Literatur. Ich beziehe mich auf ein ‘Gruppenpuzzle’ mit Fallbeispielen zur Steuergruppe aus der Veröffentlichung “Schulentwicklung konkret: Steuergruppe, Bestandsaufnahme, Evaluation” von H.-G. Rolff, Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung 2001; ich werde im Verlauf meiner Ausarbeitung nicht nur im vorliegenden Zusammenhang auf dieses Werk noch des öfteren zurückkommen; zunächst soll der Blick auf vermeintliche oder tatsächliche Gegner dieser Umstrukturierungsmaßnahmen gerichtet werden. Auf Seite 129 finden wir den “Trainingsfall F: ‘Stinkstiefel’ stört Arbeit der Steuergruppe”:
“Eine Grundschule befindet sich in einem Schulentwicklungsprozess, und sie richtet eine STG (Anm.d.V.: Steuergruppe) ein. Sie weiß aus der Literatur, dass nicht nur die Aktivisten in die STG geholt werden sollen, sondern möglichst alle Gruppierungen zu berücksichtigen sind, d.h. auch Kritiker und Skeptiker.
Bei der Arbeit der STG stellt sich heraus, dass ein Lehrer dabei ist, den Norddeutsche einen Stinkstiefel nennen würden. Er meldet sich dauernd zu Wort, fordert zunächst eine Grundsatzdiskussion über das Menschenbild, wirft der Schulleiterin Manipulation vor und behauptet, Schulentwicklung sei ein Trick des Ministeriums, um die letzten Leistungsreserven aus der Lehrerschaft herauszupumpen. Er nervt die ganze STG.”
Dies die situative Vorgabe; verlangt ist vom Autor nun: “Der Schulleiter dieser Schule fragt Sie zu diesem Fall um Rat. Wie schätzen Sie die Situation ein? Was würden Sie antworten?”
Ich habe diesen Fall bewusst an den Anfang meiner Überlegungen gestellt, da sich an diesem bereits einige Problemlagen, die nicht einfach übersehen werden können, wenn man von der Einführung eines Qualitätsmanagements und von Evaluation als auch von Personalentwicklung spricht, verdeutlichen lassen. Unmittelbar daraus läßt sich dann der für derartige Prozesse nicht taugliche Menschen- und Führungstypen in einer negativen Abgrenzung ableiten.
Nun wird man sehr leicht dagegen halten können: Es handele sich nur um einen Trainingsfall, das Ergebnis sei offen und solle offen bleiben und man dürfe vor allem dem Autor nicht unterstellen, er begründe hier schon eine Legitimation im Sinne der ‘höheren Sache’ zur Eliminierung eines solchen ‘Stinkstiefels’. Auf Letzteres werde ich unter Hinzuziehung seines Buches genauer eingehen, um zumindest meinen Verdacht zu begründen.
Zuvor möchte ich erst ganz einfach feststellen: Entweder ich lasse Kritik zu oder aber ich lasse sie nicht zu. Letztlich ist dies der Unterschied zwischen ‘Geistes-Demokratie’ und ‘Geistes-Diktatur’. Wenn Kritiker und Skeptiker mehr sein sollen als eine reine Alibifunktion für eine wie immer geartete Zielgruppe, dann ist diese Forderung nach ihrer Teilnahme und Teilhabe sinnlos. Dann: Was ist eigentlich im pädagogischen Bereich verwerflich an der Forderung nach dem zugrunde liegenden ‘Menschenbild’. Zweifellos ist die Frage nach dem ‘Menschenbild’ für die Pädagogik und für das erzieherische Wirken konstitutiv. Was den letzten Vorwurf an den Stinkstiefel im Szenario betrifft: Wer erlebt, wie wenig nachhaltig und verlässlich sich Politik und Verwaltung bezüglich Lehrerarbeit verhalten hat und verhält, dem dürfte die Feststellung “Schulentwicklung sei ein Trick des Ministeriums, um die letzten Leistungsreserven aus der Lehrerschaft herauszupumpen” zumindest stark untersuchungswürdig als auch hinreichend untersuchungsfähig erscheinen. Soweit meine persönliche Einschätzung und mein Beitrag zur ‘Stinkstiefel-Thematik’.
Wollen wir uns nun dem Wissenschaftler zuwenden und herauszuarbeiten versuchen, wie er sich die Lösung vielleicht vorstellen könnte. Dabei soll stets der Aspekt der Befähigung der Teilnehmer zur Verbesserung der Verhältnisse handlungsleitend sein.
Welche Aussagen werden zur Thematik der Steuergruppe (STG) getroffen?
Die Steuergruppe dient “hauptsächlich der Steuerung von Schulentwicklungsprozessen” und soll signalisieren, dass das Kollegium bereit ist, “Verantwortung für Schulentwicklungsprozesse zu übernehmen”. (S. 12; Anm.: Sofern nicht anders erwähnt, beziehen sich die Seitenangaben im folgenden Abschnitt auf die o.g Veröffentlichung von H.-G. Rolff)
“Im Anfang bereits die Perspektive erkennen; im Anfang bereits eine Vision von einem zukünftigen Zielzustand imaginieren; den Schwung, die Energie und Motivation gewinnen aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem, was ist, und dem, was sein soll; das soll sich so verankern, dass es innerlich handlungsleitend wird; ein wirkliches Motiv, das aus Bedürfnissen gespeist wird; aus der Spannung, aus dem Unterschied einen Prozess machen. Darauf kommt es an. (...) Ich muss mir nicht nur etwas vornehmen, sondern bereits im Start den Zielpunkt ins Auge fassen und eine Pragmatik der Zielerreichung entwickeln. Ein Anfang gelingt nur, wenn er das ganze Kollegium erreicht, wie auch immer. (...) Es sollte in den konkreten Prozessen vor Ort mit der trügerischen Gewissheit unverrückbarer Abläufe und Prinzipien Schluss gemacht werden, damit es zu einem neuen Anfang kommt: Ein Anfang von Schule als selbst-lernender Organisation.” (S. 10f.)
Dabei fordert Rolff ausschließlich Rat, moderierende Begleitung, Dialog und Anregung von außen, denn: “Druck, Stress, Überforderungserleben haben sie (Anm.: die Lehrer) selbst mehr als genug. Spannung als destruktives Gegenüberstehen unterschiedlicher Positionen ist reichlich vorhanden, Irritationserlebnisse und jahrelange Belastungen ohne Perspektive, das Gefühl des ‘Ausgepowert-Seins’, des Verschlissen-Werdens sind ebenfalls in vielen Fällen festzustellen. Vielfach hat sich auch eine recht gute, befriedigende Routine oder Alltagstrance eingestellt, die den Veränderungsimpuls eigentlich nicht braucht, ihn sogar fürchtet und sich in Form einer ‘resignativen Zufriedenheit’ selbst stabilisiert.” (S. 11)
Treffen diese Annahmen zu - und wer die schulische Landschaft kennt, der weiß, dass dies weitverbreitete schulische Realität ist -, dann wird bereits die Anfangsproblematik deutlich. Dies soll natürlich nicht heißen, dass man angesichts dieser turmhohen Schwierigkeiten resignierend den Stillstand betreiben sollte.
Die Kluft zwischen den Wünschen aus dem ersten Abschnitt und der danach aufgezeigten Realität verbietet jegliche Blauäugigkeit des Vorgehens, jegliche Besserwisserei, jegliche Kompetenzanmaßung, aber auch jegliche Ausgrenzungen.
So einfach dürfte es nicht sein, wie Rolff es formulieren konnte: Die Vision von einem zukünftigen Zielzustand dürfte bereits eine vielfach schwer zu überwindende Klippe sein, sofern man diesen relativ konkret ausformuliert. Der Dissens innerhalb Kollegien, aber vor allem auch mit der Administration und der Politik über Machbar- und persönlicher Leistbarkeit dürfte in nicht seltenen Fällen wieder dazu führen, dass man als Zielvorgaben ‘schwammige’, alles- und nichtssagende Begrifflichkeiten verwendet, denen dann (fast) jeder zustimmen könnte und wohl auch muß. Motto: Der Mensch werde edel, gut, hilfreich, gescheit und lebenstüchtig - und natürlich ein nützliches Mitglied dieser Gesellschaft. Wer wollte, ja wer könnte bei einer solchen Vorgabe widersprechen? Nur dürfte es schon sehr unterschiedliche Vorstellungen bezüglich Edelmut, Gutsein, Hilfsbereitschaft, Gescheitheit und Lebenstüchtigkeit als auch Nützlichkeit als Gesellschaftsmitglied geben. Gehört der ‘Stinkstiefel’ von oben zu den nützlichen Mitgliedern einer Gesellschaft oder sollte es ihn besser erst gar nicht geben? Ich denke (wobei ich ihn freilich nicht ideologisch negativ besetzt interpretieren und entsprechend abwertend benennen würde), er dürfte eines der notwendigsten Mitglieder einer freien, pluralistischen, demokratisch ausgerichteten Gesellschaftsordnung sein; gewiß unverzichtbarer als die Überzahl der Ja-Sager und Kopfeinzieher und Unter-den-Teppich-Kehrer.
Aber da fängt der langwierige Diskussionsprozess an; und nicht nur an dieser Stelle, sondern an unzähligen Ausgangspunkten. Es ist leicht, sich vorzustellen, welche soziale und psychische Belastungen auf den ‘Betrieb Schule’ da zukommen, bei gleichzeitiger Forderung, dass der Betrieb ja kontinuierlich weitergehen muß- und das permanent mit einem Maximum an Erfolg, ungeachtet sozialer Spannungslagen, Überforderungen und teilweise nicht mehr ganz so einfach handzuhabenden Schülerzusammensetzungen, von der Hilflosigkeit und Inkompetenz hinsichtlich Unterstützung schulischer Maßnahmen vieler Eltern ganz zu schweigen.
Diese Dichotomie innerhalb des Systems führt zunächst zu einem Mehr an Belastungen, die sich zu den von Rolff (und auch vielen, vielen anderen Autoren) gesehenen Stressfaktoren addieren; dies gerade in einer Zeit, wo die Reduktion von enervierenden Sachverhalten Gebot der Stunde wäre. Wie soll sie denn aussehen, jene ‘Pragmatik der Zielerreichung’? Und sind die Spannungen in der schulischen Wirklichkeit wirklich die, welche aus den Unterschieden jenen positiven Prozess generieren werden? Überwiegen gegenwärtig vielerorts nicht jene Spannungen und Unterschiede, die eher destruktive Tendenzen und die sich daraus ergebenden Strategien erzeugen? Erhebliche Zweifel an der pragmatischen Orientierung Rolffs dürften hier trotz seiner Verweise auf Erfolge in anderen Ländern angebracht sein; zumindest zur Euphorie, zum Jubilieren, den Stein der Weisen gefunden zu haben, kann wahrlich kein Anlass sein.
Es handelt sich hier um zu leistende ‘Knochenarbeit’, die jegliche Form von Beschönigung und Gut-Menschen-Attitüden im Sinne einer effizienten Analyse verbietet. So einfach ist die gegenwärtige gesellschaftliche Wirklichkeit nicht und - das kann man nach Studium der Geschichte vorhersagen - künftige werden es auch nicht sein. Dass bei dieser Arbeit viele auch gesundheitlich auf der Strecke bleiben können und werden, liegt auf der Hand. Das scheint aber weniger das Problem zu sein, denn: “Schonen ist ein Aspekt, der häufig übersehen wird - und doch gehört er konstitutiv dazu. Es geht im Kern darum, dass die Schulleitung ‘kontrolliert’, dass sich keine Lehrkraft gesundheitlich übernimmt, niemand (z.B. durch Evaluation des Unterrichts) an den Pranger gestellt wird, die Arbeit untereinander so gerecht wie möglich aufgeteilt wird, nicht übermäßig viele Projekte gleichzeitig durchgeführt werden und eine lebendige Streitkultur entsteht, die sich strikt von Mobbing unterscheidet.” (S. 107) Fast möchte man da sagen: Friede, Freude, Eierkuchen; oder exakter: Nachtigall, ick hör’ dir trappsen.
Es wäre ja schön, wenn dies alles so einfach wäre. Fangen wir einmal bei der Kompetenz der Führungskraft an; die dürfte sicherlich nicht immer in dieser geforderten Ausprägung gegeben sein. Denn es sind oft ganz andere als rein altruistische und idealistische Beweggründe, die Menschen eine derartige Position anstreben lassen. “Hinter vielen Karrieren verbergen sich womöglich eine frühe Kränkung oder lebenslanger Kummer. Das quälende Gefühl etwa, zu wenig zu taugen oder mehr zu taugen als andere einem zubilligen. Ergo ist der Wunsch nach Macht nicht zuletzt Schwäche. Minderwertigkeitsgefühle und Geltungsdrang sind zwei Seiten derselben Medaille.” (Barbara Bierach, Das herrschende Geschlecht, München 2003, S.123)
Zumindest von dieser so attribuierbaren Spezies dürften die von Rolff geforderten Leistungen wohl kaum erbringbar sein. Dann wie steht es um eine “gerechte Aufteilung” der Arbeit. Wie soll sie denn ausschauen, diese Gerechtigkeit angesichts der Tatsache, dass Lehrkräfte teilweise völlig unterschiedlich bezahlt sind, viele mit unterschiedlichem Stundendeputat beschäftigt, andere wiederum in Teilzeit unterschiedlicher zeitlicher Bemessungsgrundlagen tätig, wieder andere mit einem Maß an Anrechenstunden für Leistungen, die von der verbleibenden Allgemeinheit der Lehrkräfte in diesem Umfang als ungerechtfertigt angesehen wird, um nur einige wesentliche Beispiele anzuführen. Wenn eine Führungskraft mit fast der doppelten Bezahlung von einer in keinerlei Hinsicht, was den Beschäftigungsstatus angeht, vergleichbaren Lehrkraft verlangt, sie möge ohne Rücksicht auf diese Unterschiede sich ebenso für den Betrieb Schule aufarbeiten, da sie ja auch nicht nach Vertragszeiten frage und sich richte, dann ist der Konflikt in mehrfacher Hinsicht offensichtlich: Diese Führungskraft scheint die Realitäten nicht richtig zu erfassen, sie ordnet Forderungen wohl egozentrischer Zielsetzung unter und ihr scheint die Fähigkeit zu nüchterner analytischer Vorgehensweise allenfalls nur sehr eingeschränkt zur Verfügung zu verstehen. Jedenfalls hat sie sicherlich keinen Sinn für die in diesem Kontext notwendige Gerechtigkeit. Man darf in diesem Zusammenhang sehr wohl eine Parallele zum rechtlichen Gleichheitsgebot ziehen, wonach dieser Grundsatz gerade dann verletzt ist und wird, wenn wesentlich Gleiches ungleich oder wesentlich Ungleiches gleich behandelt wird. Dass vor den vorgenannten Hintergründen das entstehen kann, was hier als “lebendige Streitkultur” angesprochen ist, dürfte schon in den Bereich des Wundersamen oder eher in den der Unmöglichkeit rücken. Es fehlt hier einfach schon an den Bedingungen der Möglichkeiten für diese sicherlich richtige Forderung Rolffs und anderer auf diesem Gebiet spezialisierten Autoren.
Aber auch Rolff hebt meines Erachtens weitere vorhandene Widersprüchlichkeiten und deren Möglichkeit zur Auflösung allzu sehr in den Bereich von Wunschdenken als dass er sie einer angemessen kritischeren Würdigung unterzieht. Das geschieht nämlich auch dadurch, dass man diese Widersprüchlichkeiten leugnet oder auch nur unkommentiert läßt. Und das sind meistens dann die Spannungsfelder, die nicht zu fruchtbringender und tragfähiger Evolution eines sozialen Systems führen, sondern eher kontraproduktiv wirken. Man kann dies auch als Problem zwischen den Polen Zwangsverpflichtungen und Freiwilligkeit betrachten, dies verbunden mit der Frage, was trotz der sicherlich manchmal oder gar häufig berechtigten Einwände “freiwillig geschieht doch nichts” und “die sind nicht fähig, ihre außerunterrichtliche Arbeitszeit und Innovationsverpflichtung persönlich angemessen zu gestalten” besser im qualitativen Sinne sein wird: Bevormundung durch neu geschaffene Systemzwänge (oder modifizierte alte) oder aber ein Vertrauen in die intelligente und von Empathie getragene Weiterentwicklung durch Mündigkeit (bekanntlich nach Kant in letzter Konsequenz die Fähigkeit, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen - ohne die Bevormundung oder Lenkung durch andere) erfahrener, nicht gerade schlecht ausgebildeter Menschen. Ich will nicht bezweifeln, dass es auch, wie unter allen anderen Berufsgruppen auch, eine nicht gerade geringe Anzahl weniger “guter” Kräfte gibt. Nur ist mit dieser Feststellung überhaupt nichts gewonnen. Zum einen entscheiden über die inhaltliche Definition (oft bleibt es hier leider sogar nur bei einer schwammigen Vorstellung ...) die Menschen je nach Gusto und ihrem persönlichen Gesellschaftswissen, zum anderen läßt sich heuristisch die ganzheitliche Tätigkeit eines Pädagogen, also die von Lehrkräften, zur Betrachtung in sehr viele Dimensionen aufteilen.
Ein kleines Beispiel mag dies verdeutlichen: Eine Lehrkraft hat vielleicht wegen ihrer Persönlichkeit die Fähigkeit, Schülern informell viel an Feinfühligkeit, Menschlichkeit, Ruhe und Gelassenheit, Geduld, Gespür für das Miteinander, Verständnis und ähnliche wertvolle Eigenschaften vorzuleben (man sollte das Lernen durch Erfahrung und Imitation nach wie vor als für die Persönlichkeitsbildung sehr wesentlich ansehen ...), hält aber eher ‘durchschnittliche’ Unterrichte ohne einen Riesenaufwand an medialer Orientierung, ohne eine strenge Anlehnung an ‘allgemein akzeptierte’ didaktisch-methodische Vorstellungen, zieht vielleicht gar den - zumeist in der Literatur und bei Bewertungs- und Evaluationsaposteln verpönten - Frontalunterricht vor und ist durch dieses ständige ‘tiefe’ Eingehen auf die unterschiedlichen Psychen der Kinder und Jugendlichen nach sechsstündiger Arbeit völlig geschafft, dass der Sinn nicht mehr nach sozialem Ausgeliefertsein sondern nach Ruhe und Regeneration steht, nicht zuletzt um am nächsten Tag sich wieder der selbstverpflichteten Aufgabe sinnvoll stellen zu können. Nehmen wir an, diese Lehrkraft würde es gerade in Bezug auf ihre berufliche Tätigkeit nicht entlasten, wenn sie nachmittags mit schulischer Anwesenheit und sie anödenden und belastenden Stressfaktoren sowohl in sozialer als auch arbeitstechnischer Hinsicht geknebelt würde. (Und die Beurteilung hierfür sollte man tunlichst dem jeweiligen Individuum selbst überlassen, denn nach wie vor kann der einzelne Mensch seine Befindlichkeit besser beurteilen als eine übergeordnete Behörde; letztere übrigens umso schlechter desto weiter entfernt sie ist. Da dürfte das Ministerium dann am untersten Ende der Fähigkeitsskala zur Beurteilung individueller psychischer und physischer Konstitution sein!). Soll man diese Lehrkraft dennoch zu einem Alibiverhalten zwingen und riskieren, dass sie ihre anderen für die Entwicklung der Schüler sehr wertvollen Fähigkeiten zunehmend verliert, selbst wenn dafür ein geringes Maß an besserer methodisch-didaktischer Orientierung entstehen sollte? Ich fürchte, dass der Schuß eher nach hinten hinaus geht. Irgendwann stellen sich somatische Probleme ein oder gar noch destruktive; also es geschieht genau das Gegenteil dessen, was man zu erreichen vorgibt. Zur Erinnerung die politische und kultusministerielle Behauptung für die Notwendigkeit dieser zeitlichen Zusatzbelastungen: Die nachmittägliche Anwesenheit dient der Entlastung der Lehrer, dient der Verbesserung der gesundheitlichen Situation, dient der Verminderung von Distress, dient effektiverer Arbeit, Vorbereitung und einem die Gesamtsituation stabilisierendem Sozialaustausch, nicht zu vergessen die nach meinem Dafürhalten einfältige wenn nicht gar unverschämte Feststellung, die Lehrerarbeit würde dadurch nicht vermehrt sondern “nur konkretisiert”(Stoiber). Unverschämt deshalb, weil den Lehrern damit implizit unterstellt wird, sie wären bislang nicht fähig gewesen, ihre notwendige Arbeit selbst hinreichend zu organisieren. Unverschämt auch deshalb, weil man glaubt, Leute für dumm halten zu können.
Oder nehmen wir den anderen Fall: Eine Lehrkraft ist herausragend in Methodik und Didaktik, benötigt zu einem effizienten Unterricht jede Menge an medialer Unterstützung, setzt diese gekonnt ein, hat jedoch zu den Schülern aber gerade noch den tragbaren ‘sachlich-menschlichen’ Bezug, der Unterricht noch gut zuläßt. Er wird seine Arbeitsweise notwendig wieder anders organisieren müssen, können und wollen als die Lehrkraft in unserem ersten Beispiel. Beide sind, je nach gewählter Perspektive, “gute Lehrkräfte”. Hier ließen sich zwischen diesen beiden idealtypisch gewählten (und zugegeben: etwas konstruierten) Personen mannigfaltige Zwischenausprägungen an Persönlichkeitspräferenzen bilden und vorstellen und für die Administralen und ihren Informationszuarbeitern (die freilich nach bestimmten Kriterien ausgewählt sind beziehungsweise sich auswählen lassen) aus der Wirklichkeit ablesen.
Natürlich sind die Vokabeln der Ausgrenzung längst ge- und erfunden: Teamunfähigkeit, Fortbildungsresistenz, Innovationsfeindlichkeit, Kundenabstinenz (Der informierte Leser weiß Bescheid: Die Eltern sind ‘Kunden’ - zumindest bei einigen Autoren, die jedoch mehr in der Administration als in der Wissenschaft zu finden sind ...), Eigenbrödlerei, Fortschrittsfeindlichkeit, um nur einige zu nennen ...
Was ist das also, dieser ‘gute’ Lehrer? Will man den Konformisten, will man den Exzentriker, will man ‘Originale’, will man den Vorsichtigen, will man den Kundenorientierten (Böse Zungen fiele in diesem Zusammenhang der Begriff ‘Schleimer’ ein.), will man den Angepassten, will man den Fortschrittsfanatiker, will man diese moderne Mischung aus “Kopf-in-den-Sand-stecken-aber-doch-jovial-fortschrittlich-aufgeschlossen-Wirkenden”, will man den “Immer-Freundlichen”, will man den “Sich-selbst-stets-Kontrollierenden” oder aggregiert gefragt: Will man den emanzipierteren Typus oder den auf Homogenität bedachten?
Natürlich will man alles. Natürlich gibt man vor, Pluralität zu wollen. Selbstverständlich würde man es weit von sich weisen, den Angepassten als Lehrer zu wünschen, ja dies geradezu als bösartige Unterstellung bezeichnen. Selbstredend wird das System Schule durch diese Evaluation und durch das Personalmanagement ein pädagogisches Schlaraffenland, ein Lernparadies, als das, was letztlich mit dauerhaftem Prozess vor dem Hintergrund von “Visionen” (Ja, dieser Begriff fehlt nie, wenn man sonst nicht viel Gescheites zu sagen weiß!) gemeint ist. Der Wollen-Moloch ist übergroß und entspricht dem Zeitgeist der Fungesellschaft: Viel Wollen, dies bei wenig eigener Anstrengungsbereitschaft oder dem Mangel an ebensolchem Vermögen. Man will und will, leisten sollen jedoch die anderen; man kritisiert und kritisiert, aber weitgehend nicht sich selbst sondern recht schnell die anderen. Kurz: Mit Schuldzuweisungen ist man schnell bei der Hand. Ebenso mit psychischen Rationalsierungsmaßnahmen nach dem sicherlich bei den meisten unbewußten Motte “Haltet den Dieb”.
Wo man hinschaut, wird man Widersprüchlichkeiten finden. Dies natürlich nur dann, wenn man sie sehen will und danach auch systematisch sucht. Da sind sie jedenfalls! Wer sie nicht zur Kenntnis nehmen will (oder kann), der hat das Scheitern eines jeglichen Evaluationsvorhabens von Anfang an schon mitverschuldet.
Einige dieser relevanten Widersprüchlichkeiten sollen an dieser Stelle zur Auflockerung einmal in Frageform angedeutet werden.
Wer hat eigentlich die Erfinder (oder Entdecker) der neuen schulbezogenen Vorgaben evaluiert? Evaluiert bezüglich Kompetenz und Legitimation? Wer evaluiert sie in der gebotenen Konstanz?
Wer hat eigentlich die sich für zuständig haltenden und vom Wähler nur als politische Vertreter legitimierbaren Politiker evaluiert hinsichtlich ihrer Qualität in Bezug auf erziehungswissenschaftlichen und organisationssoziologischen Sachverstand?
Wer evaluiert beziehungsweise supervisioniert deren Selbstverständnis, damit partielle oder gar totale Selbstüberschätzung nicht handlungsstiftend und entscheidungsleitend werden kann?
Wer evaluiert eigentlich die Ansprüche, die an Lehrkräfte gestellt werden vor dem Hintergrund und Umfeld gesellschaftlich-sozialer Bedingungen, von den politischen einmal ganz zu schweigen.
Wer untersucht den komplexen gesellschaftlichen und jeweils individuellen Belastungszusammenhang, in dem diejenigen stehen, die jene Forderungen verschiedenster Gruppierungen mit ihren jeweiligen, teilweise sogar antagonistischen Erwartungshaltungen auf der einen Seite erheben oder erheben zu müssen glauben oder auf der anderen Seite dann ‘auszubaden’ haben?
Welchen Sinn macht es eigentlich, einen Prozess initiieren zu wollen, der angeblich und vornehmlich von der Basis ausgehen soll, wenn die Vorgaben dann doch wieder von oben übergestülpt werden?
Kann es eigentlich sein, dass so ein Evaluationsteam (Ich übernehme hier nur der Konvention halber und nicht aus Überzeugung den Terminus ‘Team’. Den Team-Begriff als solchen halte ich, wie ich an anderer Stelle ausführlich dargelegt habe - vergleiche hierzu auch H. Kellers Buch “Die Teamlüge”-, eher geeignet für eine ideologische Verschleierung verschiedener Interessentatbestände denn für eine realistische und ehrliche Beschreibung eines Sachverhalts.) faktisch ein bereits gewachsenes Team sprengt, Unfrieden stiftet, Zwietracht säht, sich für sakrosankt hält (von mir aus auch, weil es eine Einführung in Coaching, Supervising, Projektmanagement u.a. erhalten hat und dann irgendwann jegliche Bescheidenheit hinsichtlich eigener Kompetenz fahren läßt und durch Anmaßung und Selbstüberschätzung ersetzt; seien wir erinnert, an die bescheidene - und wohl wirklich evaluative - Feststellung des Philosophen nach endloser Fortbildungsanstrengung, dass er, je mehr er an Wissen sich aneignet, desto mehr auch - bescheiden und einsichtsvoll - feststellen muß, dass er “nichts weiß” ... Welcher Sozialtypus und welche individualpsychologische Ausprägung von diesem Denken um ‘Bescheidenheit’, von diesem Prozess der Reflexivität gänzlich oder zumindest weitestgehend unerreicht bleibt, dürfte den aufmerksamen Beobachtern der gesellschaftlichen Szenerie nicht unbekannt sein. Wie gesagt: Die Friedhöfe sind voll von Menschen, die sich für unersetzbar hielten; nota bene: freilich, wir alle anderen müssen auch irgendeinmal den Weg ‘Knocking on heaven’s door’ gehen - aber dann doch - zumindest innerlich - aufrecht, nicht wahr?)
Es wird behauptet, diese Konzepte brächten mehr Freiheiten. Durch nichts, aber durch rein gar nichts gibt es hierfür Indizien. Es wird immer auf die ERGEBNISSE im hierfür ausgewählten Ausland verwiesen. Welche Ergebnisse? Abgeglichen mit Zufriedenheit, gesellschaftlich ermöglichten Spielräumen, eingeräumter Identifikation, quantitativer (dann worauf bezogen ...) Erfolgsmeldungen, Zeitdimensionen, Schwerpunktsetzungen und damit verbundenen Limitationen, Scheinerfolgen, Zwängen? Japan hat schulisch sicherlich in meßbaren Bereichen (Es sei die Frage erlaubt: Welchen Wert haben QUALITATIVE Elemente, weitgehend überhaupt nicht meßbar, zumindest nicht in dem gesteckten Langzeitbereich schulischen Daseins, gegenüber quantitativen wie z.B. in Mathematik, Sprache soweit sie überhaupt SINNVOLL reduzierbar auf meßbare Items ist, ohne eigentlich den wirklichen Sinn von Sprache zu beschneiden, Physik und Chemie, um nur einige Fächer zu nennen?) sehr gut abgeschnitten. Und sie haben auch eine höhere Selbstmordrate bei jugendlichen aufzuweisen. Als alter Statistiker will ich damit nicht sagen, dass zwischen den gemessenen (guten) Schulleistungen und der Selbstmordrate ein direkter Zusammenhang nachzuweisen wäre. Überhaupt nicht. Es käme wohl auch keiner auf die Idee, aus einer zunehmenden Geburtenhäufigkeit und einer (sicherlich zufälligen) Zunahme der Störche in einem Land einen Zusammenhang zu generieren. Eine derartige Korrelation verbietet sich aus rein sachlichen Erwägungen.
Aber es scheint in Japan ein Wertproblem bezüglich Wertschätzung von Leben zu geben. Alles was ich damit sagen will: Wenn ein Interesse daran besteht, diese Selbstmordrate zu ändern, dann ist auch im Erziehungssektor zu fragen, ob etwas unbeabsichtigt schief läuft. Und ich treffe für mich die Wertentscheidung: Erziehung muß auf Lebenstüchtigkeit und Lebensbejahung zielen. Und vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung hat auf Erziehung ausgerichtetes Denken und Handeln mit der Analyse nach den Bedingungen der Möglichkeiten anzusetzen.
Wem PISA zur Darstellung deutscher Bildungsergebnisse in einer diesbezüglich erfolgreicheren Zukunft genügt, der darf sich dann aber auch nicht wundern, wenn andere Werte auf der Strecke bleiben oder zumindest zu kurz kommen. Natürlich wird nun jeder Verantwortliche sagen: Wir wollen alle die Verwirklichung aller ‘guten’ Werte anstreben; Schule “muß eben so bezogen” verändert und gestaltet werden. Nur da tun sich schon einige Gräben auf, deren jeweils gegenüberliegende Berge sich nicht immer so wohlgesonnen sind. Im Fachjargon: Antagonismen oder zumindest Herausforderungen, die eine gewisse Reduktion zugunsten anderer Präferenzen verlangen. Oder deutlicher: Geschieht so etwas wie in Erfurt (Man erinnere sich an die Bluttat), dann werden plötzlich für eine Universität Forschungsgelder in erheblicher Höhe zur Verfügung gestellt, damit die Ursachen und Bedingungen eines qualitativen menschlichen Miteinanders gründlich untersucht werden können, dies mit dem Ziel: So etwas darf nie mehr geschehen. Dann kommt kurz danach PISA und im Gefolge der öffentliche Aufschrei über die vorher anscheinend unbekannte bildungsdefizitäre Situation in Deutschland. Was geschieht nun? Die Forschungsgelder werden nun plötzlich umgeleitet (Nicht vom zuständigen Professor, sondern von politischer Seite!): Es müssen die Voraussetzungen erforscht werden, dass Deutschland in quantitativ meßbaren Lernbereichen nie mehr so beschämend schändlich abschneidet. Vergessen ist Erfurt, vergessen sind die Lehren, die im Gefolge der Trauer man versprach zu ziehen. Politik scheint gerade im Bildungsbereich hinsichtlich ihrer Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit eine nicht gerade gutes Beispiel gebende Rolle zu spielen.
Man denke nur daran, dass jetzt überall (vor allem von politischer Seite) gefordert wird, das Lehrerbild in der Öffentlichkeit müsse besser werden, es müsse gestärkt werden, der Lehrerberuf müsse attraktiv dargestellt werden (angesichts des sinkenden Interesses der Jugendlichen an Lehramtsstudiengängen), er müsse auch materiell und in Bezug auf die Arbeitsbedingungen wieder interessanter ausgestaltet werden. Toll. Was passiert faktisch? Mehrarbeit, Mehrbelastung, Gängelung. Davon abgesehen, dass dieses Thematisieren in der Öffentlichkeit kontraproduktiv bezüglich Attraktivität des Lehrerberufs wirkt, bleibt zu fragen, wer ist denn für dieses schlechte Lehrerimage außer der Boulevardpresse maßgeblich verantwortlich? Wer? Richtig. Bei Günter Jauch wäre diese Antwort allenfalls auf der 100 EURO Ebene vergütet worden. (Sicherheitshalber für diejenigen, die sich auf dieser Erkenntnisebene schon schwer tun: Die Lehrer selbst sind es nicht!)
Nein, mehr Freiheiten bringt diese Konzeption gerade nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Zumindest nach meinem Verständnis von Freiheit. Ich brauche jedenfalls nicht die ‘Freiheit’, von anderen mich zu einem Verhalten gängeln zu lassen, das einen faktisch eher zu einer Marionette degeneriert als zu einem souveränen, verantwortlich handelnden Lehrer. Welche Freiheit wollen wir: Die vor Erfurt? Die nach PISA? Die japanische? Die Freiheit, Amboss sein zu dürfen? Oder die Freiheit, die irgendetwas noch mit Mündigkeit, Selbstverantwortung und Selbstverpflichtung, mit Offenheit und Pluralität zu tun hat und die jungen Menschen authentisch vorgelebt werden kann, damit auch jene vielleicht sich um diesen Weg bemühen können, dazu in die Lage versetzt werden um letztlich eigenständig und verantwortungsvoll ihr Leben in jeglicher Hinsicht gestalten zu können? Nur diese will ich. Keine andere. Schon gar nicht die Freiheit, denen zuhören zu müssen, deren geistige Luftblasen und Schönfärberei aufs Gemüt drückt und obstruktives Denken provoziert.
In einer Gesellschaft, in der Geld, in der Kosten, in der die Erzeugung von Mehrwert, in der tatsächlich entsprechendes Verhalten den Religionen und anderen Wertsystemen längst den Rang abgelaufen hat, in solch einer Gesellschaft soll nun Bildung, der einzige Rohstoff dieses Landes, wie immer beteuert wird, möglichst billig zu haben sein? Ja, wenn nicht einmal dieser Widerspruch weh tut, wie wollen die Herrschaften dann erst die anderen Widersprüche erkennen können!
Einmal oben, einmal unten. Oder so ähnlich heißt dieses Lied doch, nicht wahr? Vom Hubert von Goisern. Und das haben wir hier auch. Es wird von der “inneren Evaluation” und von der “äußeren Evaluation” gesprochen; erstere machen die Personen einer Schule selbst, letztere kommt von außen, von oben. Wie wird die Frage nach der Schnittstelle von einem diesbezüglich befragten ‘Experten’ eines Evaluationsteams beantwortet? Wen hätt’s gewundert: Es fände ein “wohlwollender Einbezug” statt.
Da werden dann längst mehrfach erfasste und nach oben gemeldete Statistiken nochmals der Evaluationsgruppe gemeldet, also ein zusätzlicher Arbeitsaufwand betrieben als hätten die Schulleitungen nicht schon genügend zu tun - und vor allem Wichtigeres ... Man sieht schon, wo es wahrscheinlich langgehen wird. Eben die übliche Prozedur. Von oben wird angeordnet. Grüppchen werden gebildet. Imposantheiten generiert. Kompetenzen geschaffen. Und die eigentliche Arbeit wird denen aufgebürdet, die ohnehin schon an der Belastungsgrenze angelangt sind. Ach ja, und noch etwas: Selbstverständlich werde die Stimmung nach oben weitergegeben; das heißt, nicht ganz nach oben, aber zumindest auf die Ebene, wo die Evaluateure im Schnellkursverfahren ausgebildet werden. Nur entschieden wird dort nicht. Wo dann? Eben. Weiter oben. Aber da traut sich unser Evaluateur wohl nicht hin. Und wenn doch - da darf er dann wohl auch nicht hin. Und wenn doch? Dann bleibt immer noch Gefahr der Wirksamkeit des Inhalts der alten Rede von “Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe”...
Welche Kommunikation ist eigentlich dem Ganzen vorausgegangen? Jedenfalls sind die an der Basis im Regelfall nicht ge- und befragt worden. Dies läßt sich sehr leicht in Gesprächen mit und aus dem Unmut von Lehrkräften ableiten. Damit fehlt das Prinzip der Reversibilität von Anfang an. Und so wird es dann folglich auch kaum effizient werden können, wenn die Besserung der Verhältnisse angestrebt werden sollen.
Nicht erst seit Niklas Luhmann sollte bekannt sein, dass Kommunikation keinen Zweck, also keine immanente Entelchie hat: Kommunikation findet statt oder auch nicht. Freilich lassen sich innerhalb von Kommunikationssystemen “zweckorientierte Episoden” (Luhmann) ausmachen, aber genauso wenig wie man sagen kann, der Tod sei der Zweck des Lebens, kann man sagen der Zweck eines Kommunikationssystems sei das Zwecksetzen. Das Kommunikationssystem ist ein geschlossenes System, das neben seinen Elementen (z.B. die unterschiedlichen Selektionen bei Information, Mitteilung und Verstehen, deren Selektivität und Selektionsbereiche jedoch erst durch die Kommunikation konstituiert werden) letztlich alle Komponenten, die für das System als Einheit wirken, systemimmanent produziert und auch vom System selbst reproduziert werden. Was also nicht kommuniziert wird, kann zum Prozess nichts beitragen. Wer nun geltend macht, es handele sich um ‘Binsenweisheiten’, der wird auch sehr schnell begreifen müssen, dass gerade aus diesem Zusammenhang heraus argumentiert werden muss, dass der von den oberen Instanzen bislang beschrittene Weg eigentlich nur scheitern kann, wenn man unterstellt, es gehe um die Einbindung aller Beteiligten. Es sind dann nämlich gerade nicht die notwendigen reflexiven Operationen möglich.
Und bei näherer Betrachtung dieser Umstände keimt ein Verdacht: Kann es vielleicht sein, dass bei dieser Distanzierung von einer konsensgerichteten Entelechie (wie man sie in gewissen Maße dem aristotelischen Denken und vor allem auch der Habermasschen Theorie der Rationalität kommunikativen Handelns unterstellen kann) und der damit verbundenen Zuwendung zu einem Denken, das letztlich in die Erkenntnis mündet, wonach eine Alternative abgefordert wird, nämlich entweder die Akzeptanz oder die Ablehnung mitgeteilter (befohlener, angeordneter, aufgezwungener) Information und deren Manifestationen im gesellschaftlichen Alltag, schon aus Angst oder Furcht vor dem Scheitern der eigenen Ideen und Vorhaben bewusst oder auch nur unterbewußt eine mehr oder weniger einkanalige Informationsübermittlung von ‘Oben’ nach ‘Unten’ stattfindet?
Dies jedoch sollte bei einer offenen Kommunikationskultur sich von selbst verbieten; auch widerspricht es den systemimmanenten Vorgaben (zumindest soweit sie öffentlich proklamiert werden) hinsichtlich der Evaluationsvorhaben. Dieser Gedankengang findet seine uralte Tradition übrigens in den fernöstlichen Kulturen in weiter Verbreitung: Man versucht Kommunikation mit Ablehnungswahrscheinlichkeiten zu vermeiden und strebt danach, Wünsche bereits antizipierend zu erfüllen (beide Phänomene sind übrigens nur eine andere Form von letztlich repressiven Verhaltensweisen); ‘Kommunikation’ findet dann nur ohne Widerspruch und unter Ausklammern eines unerwünschten (in diesem Fall auch durch gesellschaftliche Tradition begründeten) Feedbacks statt.
Diese Verfahrensweise entspricht eigentlich nicht dem abendländischen Denken, sie widerspricht der (vor allem auch vor Wahlen immer wieder beschworenen) Mündigkeitsforderung und den Ansprüchen an eine demokratische Gesinnung; vor allem aber konterkariert sie alle konstitutiven Elemente, wie sie von den Apologeten der TEAM-Ideologie, der Evaluations-Fetischisten und von den Beschwörern einer Notwendigkeit an Flexibilität in jeglicher Hinsicht im Munde geführt werden. Diejenigen, die wirklich ernsthaft sich der Zielsetzung jener drei Bereiche widmen, die werden meine Bedenken und kritischen Äußerungen im Sinne der Nichtbeachtung der Bedingungen der Möglichkeiten von reklamierten Zielvorstellungen und deren Realisation sehr wohl verstehen.
Der aufmerksame Beobachter der Szene kann jedoch nicht umhin, zu bedenken, dass die von mir skizzierten “fernöstlichen” Elemente auch bei uns in sehr vielen Bereichen fröhliche Daseinsweisen ausleben. Die “Behandlung” und “Handhabung” der Lehrertätigkeit von höheren Stellen zumindest liefert zu dieser Denkweise einige Ansätze.
Oder mit den Worten von Niklas Luhmann: “An die Stelle der unverständlich rauschenden Bewußtseinsumwelt des Kommunikationssystems tritt eine in der Kommunikation traktierbare Entscheidung: ja oder nein, Rückfrage, eventuell Verzögerung, Vertagung, Enthaltung. Die Kommunikation läßt sich, anders gesagt, durch Bewusstsein stören und sieht dies sogar vor; aber immer nur in Formen, die in der weiteren Kommunikation anschlußfähig sind, also behandelt werden können. Auf diese Weise kommt es nie zu einer Autopoiesis der Systeme (also zu einem nur das eigene Wirken und Schaffen betreffenden Aktionismus der Systeme, d.V.) und doch zu einem hohen Maß an Koevolution und eingespielter Reagibilität. (...) Das wechselseitige Rauschen, Stören, Pertubieren ist, von dieser Theorie her gesehen, ja gerade der Normalfall für den eine Auffang- und Absorptionskapazität bereitsteht, sowohl psychisch als auch sozial. Vermutlich entsteht der Eindruck des Pathologischen erst, wenn gewisse Toleranzschwellen überschritten sind; oder vielleicht könnte man auch sagen: wenn die Gedächtnisse der Systeme hierdurch in Anspruch genommen werden und Störungserfahrungen speichern, aggregieren, wieder präsentieren, über Abweichungsverstärkung und Hyperkorrektur verstärken und mehr und mehr Kapazität dafür (Hervorhebung d.V.) in Anspruch nehmen.” (aus seiner Abhandlung “Was ist Kommunikation”).
Nehmen sich nun aber von diesem Prozess - aus welchen Gründen auch immer - mehrere oder auch nur eine Instanz aus, dann kann das nur kontraproduktiv wirken. Jedenfalls sollte man diese Überlegungen bei der kritischen Würdigung der schulpolitischen Entscheidungsstränge gebührend beachten ... Unabhängig davon stellt sich auch in diesem Zusammenhang erneut die Frage nach der qualitativen Zusammensatzung von Gremien und Entscheidungsträgern.
Der Leser kennt vielleicht den unter dem Namen “Heinz von Foersters Theorem Nr. 1" bekannt gewordenen Satz: “Je tiefer das Problem, das ignoriert wird, desto größer die Chancen für Ruhm und Erfolg.” Jener Naturwissenschaftler, bis zu seiner Emeritierung 1976 als Professor in den USA tätig, stellt sachlogisch fest, dass in den “hard sciences” (etwa unserem Begriff Naturwissenschaft entsprechend) durch die Methode des Reduktionismus, als einer fortschreitenden Isolierung der Teile vom Ganzen zwecks besserer Handhabung der Untersuchungsmöglichkeiten “unweigerlich zum Erfolg führt.” Letztlich geht es hier darum, ein komplexes System, das nicht verstanden wird, zunehmend bis zu einem Grad zu verkleinern, dass zumindest die - reduzierten - Stücke verstehbar werden. Das offensichtliche Problem: Das System als solches gerät so leicht aus dem Blick. Diese naturwissenschaftlich gleichwohl heuristisch oft sinnvolle Verfahrensweise läßt sich nicht mit relevantem Erkenntnisgewinn und einem Minimum an Sinn in Bezug auf die tatsächliche Komplexität des Systems ‘Gesellschaft’ auf die “soft sciences” (entspricht in etwa unserem Begriff “Geisteswissenschaften”) übertragen. Insoweit treffen wir hier bereits auf den praktizierten Reduktionismus durch die Evaluateure, wenn sie sich dem Schulganzen nähern: Sie beschäftigen sich eigentlich nicht mehr mit dem (ganzheitlichen) System, mit dem sie sich zu beschäftigen vorgeben. Dass im Kontext sozialer Systeme einzelne Teile sich nicht qualitativ mit zulässiger Entsprechung auf das Ganze zurückführen lassen, und zwar in dem Sinn, das Ganze dann auch tatsächlich im Blickwinkel zu haben, dürfte allen bekannt sein. Die Summe der Teile ist eben nicht das Ganze.
Hier schlägt Heinz von Foerster in Anlehnung an sein zweites Theorem “Die ‘hard sciences’ sind erfolgreich, weil sie sich mit den ‘soft problems’ beschäftigen; die ‘soft sciences’ haben zu kämpfen, denn sie haben es mit den ‘hard problems’ zu tun.” vor, “das Fachwissen - und nicht die Methode der Reduktion - , das wir in den Naturwissenschaften erworben haben, zur Lösung der harten Probleme in den Geisteswissenschaften einzusetzen.” In einer ausführlichen naturwissenschaftlich orientierten Ableitung kommt er über das biologisch erschließbare “Gehirn-Problem” auch zu einer Aussage über Erziehung, die mir in unserem Zusammenhang bedenkenswert erscheint: “Der Großteil unserer institutionellen Erziehungsbemühungen hat zum Ziel unsere Kinder zu trivialisieren. Ich verwende diesen Begriff ‘Trivialisierung’ genau so, wie er in der Automatentheorie gebräuchlich ist. Dort ist eine triviale Maschine durch eine festgelegte Input-Output-Beziehung gekennzeichnet, während in einer nichttrivialen Maschine (Turingmaschine) der Output durch den Input und den internen Zustand der Maschine gekennzeichnet wird. Da unser Erziehungssystem daraufhin angelegt ist, berechenbare Staatsbürger zu erzeugen, besteht sein Zweck darin, alle jene ärgerlichen inneren Zustände auszuschalten, die Unberechenbarkeit und (unerwünschte, Ergänzung d.V.) Kreativität ermöglichen. Dies zeigt sich am deutlichsten in unserer Methode des Prüfens, die nur Fragen zuläßt, auf die die Antworten bereits bekannt (oder definiert) sind, und die vom Schüler auswendig gelernt werden müssen. Ich möchte diese Fragen als ‘illegitime Fragen’ bezeichnen. Wäre es dagegen nicht faszinierend, sich ein Erziehungssystem vorzustellen, das die zu Erziehenden enttrivialisiert, indem es sie lehrt, ‘legitime Fragen’ zu stellen, d.h. Fragen, deren Antworten noch unbekannt sind?” (vgl. Heinz von Foerster, Kompetenz und Verantwortung, Vortrag, in: Shortcuts 2.Auflage November 2002, Zweitausendeins Frankfurt, S. 193 f.)
Ein derartiges Erziehungssystem setzt entsprechend disponierte Träger voraus. Sollte man diese Zielsetzung verfolgen wollen (eine Wertentscheidung, die jeweils theoretisch die Gesellschaft zu treffen hat, faktisch jedoch von einer allenfalls repräsentativen Minderheit getroffen wird), dann dürften diese Träger sicherlich nicht Opfer einer ‘Trivialisierung’ im vorgenannten Sinne geworden sein, sollen sie ihre erzieherischen Aufgaben erfüllen können. So stellt von Foerster, schwer zu widerlegen, fest: “Es liegt auf der Hand, dass unsere Gesellschaft als Ganze von gravierenden Funktionsstörungen befallen ist. Diese äußert sich auf der Ebene des Individuums schmerzhaft in Apathie, Mißtrauen, Gewalt, Isolierung, Ohnmacht, Entfremdung usw. Ich spreche hier von einer ‘Partizipationskrise’, denn das Individuum wird von der Mitwirkung am sozialen Prozeß zunehmend ausgeschlossen. Die Gesellschaft wird zum ‘System’, zum ‘Establishment’ oder was auch immer, zu einem unpersönlichen kafkaesken Monster von eigenwilliger Böswilligkeit. Es fällt nicht schwer, zu erkennen, dass der wesentliche Grund für diese Funktionsstörungen im Fehlen des adäquaten Inputs für das Individuum liegt, mit seiner Gesellschaft zu interagieren. (...) Die sogenannten ‘Kommunikationskanäle’ (...) bieten nur eine Einbahnstrasse. (...) Da der Rückkoppelungseffekt fehlt, ist das System nicht zu kontrollieren.” (Heinz von Foerster, ebd. S. 194 f.) Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen (für die Behandlung von Lehrkräften und deren Arbeitsgestaltung) eine Aussage von Foersters einmal so richtig zu Herzen nehmen: “Handle stets so, dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird.” Ich fürchte nur, die meisten jener Verantwortlichen würde eine Vermehrung der Wahlmöglichkeiten mehr ängstigen denn freuen ...
Ein Kybernetiker-Kollege von Foersters, Professor Karl Steinbuch, hatte schon zu früherer Zeit immer wieder, vor allem in seinem leider heute noch stellenweise sehr aktuellem Buch “Falsch programmiert” (dva, 2.Auflage 1968) auf einschlägige Mängel hingewiesen: “Der Gesellschaft fehlt ein Codex von Denk- und Verhaltensregeln, der ihren aktuellen und zukünftigen Problemen angemessen ist.” (S.31) Er sprach von “Profan-Philosophen, den Unteroffizieren des Geistes” (S. 30) und stellte in diesem Kontext fest: “Was bei den klaren Geistern eine Metapher, eine Denkmöglichkeit, ein historisches Beispiel, ein skurriler Schnörkel ist, wird bei ihren trüben Erfüllungsgehilfen zur absoluten Wahrheit, zum Dogma, zum Geßler-Hut.” (ebd.) Und für klare Geister spielerisch nachvollziehbar weist er darauf hin, “dass die Anerkennung irgendeines Wahrheitskriteriums, das nicht mehr wertfrei begründbar ist, jeder wissenschaftlichen Aktivität zugrunde liegt.” (S. 43) Ein solcher a-rationaler Kern könne zwar offensichtlich verschoben, jedoch niemals gänzlich beseitigt werden. Seine Forderung nach einem “rationalen System” setze als grundlegendes Kriterium für Qualität dieser Rationalität voraus, dass es umso eher rational erscheint, “je größer der Bereich der Beobachtungen und Probleme ist, der sich hiermit in kohärenter Weise lösen läßt, und je zugänglicher dieses System der Kritik ist: Rationalität begründet Kritisierbarkeit.” (S. 43) Logisch ergibt sich aus diesem Zusammenhang die Notwendigkeit und Qualität von Kommunikation als a-priori Festlegung: Ohne Kommunikation kann sich keine menschliche Intelligenz entwickeln (vgl. S. 87) und bereits für damals konnte Steinbuch festhalten: “Im weltpolitischen Rahmen zeigt es sich ganz deutlich, dass der ökonomische Erfolg einer Gesellschaft immer weniger von den materiellen und energetischen Ressourcen abhängt und immer mehr von der Fähigkeit, informationelle Strukturen zu schaffen, welche effizientes Verhalten ermöglicht.” (S. 105) Für den Personenkreis, der sich einem aufgeschlossenen, kritischen, vor allem auch auf Rationalität gründenden Denken mehr oder weniger verschließt, fand Steinbuch seinerzeit zwei für diesen Sachverhalt sicherlich recht gute konnotative Begriffe: “Hinterwelt ” (typisch für jene sei unter anderem ihre Beschäftigung im Elfenbeinturm) und “Astlochmoralisten” (jene, die unter anderem dafür verantwortlich sind, dass Gelerntes und Anerzogenes beim Eintritt in den größeren gesellschaftlichen Bezug, z.B. in das Wirtschaftsleben, in die Politik, etc., zu Unsicherheit und Desorientierung aufgrund von qualitativ unterschiedlichen Widersprüchlichkeiten oder gar zum Erleben von Antagonismus führen - und damit zu einer Relativierung von Werthaltungen bis hin zur Ablehnung der einst bejahten Werte). Es bleibt Steinbuch (und wohl jedem aufmerksamen Betrachter der politischen Szenerie) nichts anderes übrig, als einen Widerspruch zwischen zwei Antipoden zu konstatieren: den zwischen Politikern als Vertreter momentaner (und durch die Wahlen) Macht auf der einen Seite und den Intellektuellen (vor allem auch als Gegenpol zur Hinterwelt und den Astlochmoralisten, womit der ‘Begriff’ Intellektueller schon eine recht brauchbare Operabilität durch diese Negativabgrenzung erfährt) auf der anderen Seite. “Das Verhältnis zwischen Politikern und Intellektuellen ist nicht durch ‘Macht und Ohnmacht’ zu beschreiben, zutreffender ist ‘Momentane Macht und langfristige Wirkung’.” (S. 77) Hierfür liefert Steinbuch zahlreiche Beispiele an Intellektuellen, die ihren Platz in der Geschichte im Gegensatz zu ihren damaligen Peinigern und Beleidigern erhalten haben.
Wer heute zum Beispiel Politiker - vor allem in den je nach Teilnehmerqualität mehr oder weniger leidigen Talkshows - beobachtet, der kann sehr schnell die Schwätzer unter ihnen, und diejenigen, die sich - meist aus der Perspektive sogenannter Altersversöhnlichkeit heraus - plötzlich pseudophilosophisch gebärdenden (man erkennt sie schnell an den nichtssagenden Floskeln, an unerträglicher Redundanz und vor allem auch am pathetischen Gestus ...) Amtsträger von den (dann auch meist bescheidener, sachlicher wirkenden) authentischen Abgeordneten und Funktionsträgern unterscheiden. Bei der großen Masse kommen letztere leider nicht ihrer Kompetenz entsprechend an. Bevorzugt werden zum Leidwesen einer Fortentwicklung demokratischer Strukturen immer mehr die Schaumschläger, die Phrasendrescher und die (sich allenfalls als drittklassige Schauspieler offenbarenden) Gernegroße.
Für die dritte Gruppe sei ein exemplarisches Beispiel hier angeführt: Die Tage war in Bayern 2 am Morgen ein SPD-Politiker (Joachim Poß, Wahlkreis Gelsenkirchen I) zu Gast. Er wurde zu steuerrechtlichen Themen befragt und konnte sehr sachlich und kompetent Auskunft geben. Vor allem redete er nicht um den Brei herum. Als der Reporter ihn dann mit dem Attribut “Der Finanzexperte Poß der SPD” verabschieden wollte, glaubte ich meinen Ohren nicht zu trauen. Was gab jener Politiker zurück? “Ich bin ‘nur’ Politiker, ich bin kein Experte.” Vor dem Hintergrund seines zuvor gebotenen Sachwissens sicherlich im “nur” eine Untertreibung. Aber: Solche Leute wünschte man sich mehrere, ja viele. Denn nur aus einer solch bescheiden-realistischen Selbsteinschätzung kann verantwortungsvolles Denken, Tun und Handeln für das Gemeinwohl entstehen. (Ach ja: Für die psychologistisch orientierten Erbsenzähler sei ausdrücklich angemerkt, dass jener Herr gewiß nicht einen Hauch von Minderwertigkeitsgefühl versprühte; sein einschränkender Hinweis klang selbstbewußt, aus einem Gefühl der Stärke heraus.) Nochmals: Solche Leute sieht man gerne im Parlament, jenen Menschentypus mag man in der Kommunikation, das sind Personen, die Anlaß zur Hoffnung geben ...
Steinbuch nimmt - eben weil er die Bedeutung von Erziehung und Schule im Ringen um eine bessere Gesellschaft ernst nimmt - auch zu seinem Lehrerbild Stellung. Das kann und darf niemals der subalterne, unkritische, ängstliche, den jeweiligen ‘Werteströmungen’ einer aus wirtschaftlichen oder aber auch populistischen Erwägungen heraus künstlich induzierten Veraltung ausgelieferte Typus sein. Vielmehr muß gelten: “Als erstes sollten alle Bildungsreserven mit den wirkungsvollsten soziologischen und psychologischen Methoden ausgeschöpft werden. (...) Eine solche quantitativ wirksame und qualitativ optimale Auslese der Kinder würde zweifellos Früchte tragen: In der Zufriedenheit im Beruf, in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft und im persönlichen Glück. Hochwertige Ausbildung ist eine Frage hochwertiger Lehrer. (...) Nur in der Minderzahl finden wir jenen Menschentyp, den wir als geborenen Lehrer empfinden: Die strahlende, geistreiche und humane Persönlichkeit.” (S. 158 f.)
Wie immer man diese “strahlende, geistreiche und humane” Ausprägung inhaltlich konkretisieren mag: auf dem Fundament von Gängelei, Aufgezwungenheiten, Mißtrauen, Einengung von Spielräumen, Besserwisserei und Rechthaberei, Nichtzulassung von Kritik, Auswahl von Führungspersonen nach für die jeweilige Position unangemessenen Kriterien, Einräumen von Kompetenzen an nicht-kompetente Personen, Sächliche Mittelkürzung, Verdrängung sozialer Brennpunkte, der ausschließlichen Evaluation von Subsystemen und anderen engstirnig anmutenden Zumutungen wird man sich dem Ziel einer solchen Lehrpersönlichkeit niemals nähern können.
Geht es um Menschen, dann ist es nie falsch, einige Dimensionen psychologischer Aspekte aufzugreifen. Dies soll nun in Hinblick auf mögliche Entscheidungsgründe für die Bereitschaft, evaluatorisch tätig werden zu wollen, geschehen. Dabei darf auch hier nie übersehen werden, dass bei einer idealtypischen Betrachtungsweise zwangsläufig Typisierungen vorgenommen werden, deren (annähernde oder gar vollkommene) Entsprechung in der Wirklichkeit stets individuell zu prüfen wäre.
Frage an den Psychologen: Was sind das eigentlich für Leute, die Positionen anstreben, von denen eigentlich klar ist, dass man dann als Kommender nur als persona non grata angesehen wird ?
Was sind das für Leute? Eine neue Form von Idealismus? Eine neue Form von Masochismus? Psychologe, kannst du mir die Antwort geben? Ich hätte gerne so eine Art von Gewissheit. Oft kann man schon an deren Mimik und Körperhaltung, vor allem auch an der Leere ihrer Sprache, an der Oberflächlichkeit ihrer Denke erahnen, mit welcher ‘Qualität’ man es da zu tun hat. Peinlich und enttäuschend vor dem Hintergrund einer intendierten Verbesserung der Verhältnisse wird es vor allem dann, wenn auf eloquente Art ein Substrat von Nichts oder Wenig oder Allgemeinplätzen verkauft wird, dies aber gerade wegen dieses durchaus anzuerkennenden Redetalents dem durchschnittlich aufmerksamen oder dem bereits völlig desinteressierten Zuhörer und Beobachter der Evaluationsszene nicht mehr auffällt. Hier gerät Sprachperformanz dann zur Beliebigkeit; jene Personen könnten auch genausogut für Kaugummi, Gummibärchen oder Unterhosen erfolgreich werben - ohne sich auch nur im geringsten mit dem jeweiligen Produkt identifizieren zu müssen. Die einzige Verantwortlichkeit besteht in solchen Fällen weitgehend im Bestreben nach materieller und struktureller Absicherung und oft natürlich im Streben nach Befriedigung narzißtischer Bedürfnisse.
Dann gibt es den reinen Machttypus, der nun endlich einmal sich aufwerten kann, der Befriedigung aus der Unsicherheit der Zielgruppe ziehen kann, oder der einfach sich überlegen fühlen möchte.
Oder nehmen wir den - vielleicht in der Auswirkung harmloseren - Typus des Fluchtmenschen, der endlich eine Gelegenheit gefunden hat, eine als eintönig erlebte Alltagsschulmaschinerie verlassen zu dürfen, und sei es nur für eine begrenzte Zeit, um entweder ein Stückchen Unverbindlichkeit zu leben oder aber auch ernsthaft sich in ein neues Tätigkeitsfeld mit Verantwortung einzuarbeiten.
Wie wäre es mit dem Typus des verhinderten Wissenschaftlers; seine Studienleistungen oder aber auch nur seine Lebensplanung haben verhindert, auf universitären Niveau zu forschen und ihn statt dessen nach Studienabschluss (vielleicht gar nur nach einem gegenüber echtem Universitätsstudium als zweitrangig empfundenen “PH-Studium”) schnurstracks in die Klassenzimmer geschleust und jetzt bietet sich endlich die Möglichkeit - auf der Grundlage rudimentärer Schnellausbildung - Statistiker und ‘Betriebsprüfer’ oder gar ‘Personalagent’ zu spielen? Ja, diesen Typus gibt es.
Wir kennen doch alle auch den Typus “Übermensch”. Nicht dass er dies tatsächlich wäre, nein viel schlimmer: er hält sich nur dafür. Diese Pöstchenanhäufer, die gleich einem Hamster sich einen Vorrat für irgendwelche, wie immer auch geartete Zeitläufte anhäufen. Nur beim Hamster weiß man, warum er dies tut: reine Notwendigkeit. Bei seinem menschlichen Nachahmer jedoch ergeben sich schnell Zweifel und vor allem ein Verdacht für dessen Tun: schiere Not. Wenn jemand zum Beispiel eine Führungsposition innehat, dann noch politische Ämter und Aufgaben aggregiert, zusätzlich noch Verbandsfunktionär ist, dann noch ausbildet und lenkt und führt und Öffentlichkeitsarbeit betreibt, schließlich noch Übervater für vermeintliche oder tatsächliche Zöglinge spielt, vielleicht noch dazu familiale Verpflichtungen (als Pädagoge unter dem kritischen Auge der Öffentlichkeit mit einer von dieser abgeforderten Vorbildwirkung, um auch glaubwürdig zu erscheinen), dann noch in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen seine Aufstiegsambitionen manifestieren muß und dann noch Evaluateur spielen möchte, dann würden sich doch einige Fragen ergeben: Einmal gibt es hier Probleme hinsichtlich Interrollen- und Intrarollenkonflikte; aber es muß auch gefragt werden, ob man bei derartiger Aufgabenhäufung überhaupt noch irgendeine Aufgabe mit der ihr gebührenden vollen Arbeitskraft - widerspruchsfrei - wahrnehmen kann? Zugegeben: Dieser Typus mag sehr konstruiert und artefaktisch wirken, aber es dürfte nicht allzu schwer sein, einen ähnlichen Vertreter bei angemessenem Aufwand aufzuspüren. Auch hier dürfte der alte Satz (leider) Geltung erfahren: Die Wirklichkeit schlägt jegliche Phantasie.
Es ist mir wichtig auf eine Selbstverständlichkeit hinzuweisen, denn diese wird heutzutage angesichts vieler Fehlentwicklungen leicht übersehen. Es gibt ihn sicherlich: Den gewissenhaften, idealistisch orientierten, verantwortungsbereiten und verantwortungsvollen Menschentypus, der sein Denken und seine Kraft einer guten Sache widmet, dabei nicht blauäugig und selbsttäuscherisch verfährt, sich von Widrigkeiten nicht unterkriegen läßt und der - zumindest solange seine Kräfte und Motivation hierfür ausreichen - sich auch durch noch so viele Ungereimtheiten nicht von seinem Weg abbringen läßt. Es gibt ihn sicherlich. Deshalb sei er hier besonders erwähnt und hervorgehoben. Dass ein solcher Mensch aus seinem Tun auch narzißtische Befriedigung ziehen darf, vergönnen wir ihm gerne, wo er sich doch engagiert. Wohlgemerkt: Ich schreibe hier nicht von den Pseudoakteuren, die zwar zeitlich gesehen auch sehr aktiv sind, dabei aber das, was sie mit den Händen aufstellen (Sofern es überhaupt so weit kommt!), mit ihrem ‘Arsch’ wieder umreißen, um dann nach endlosen identischen Wiederholungen abends ermattet auszurufen: “Mensch, war ich heute wieder fleißig und im Dienst der Sache tätig.”Also diesen Typus finde ich gelinde gesagt nur so zum Kotzen, eklig, langweilig, einen zu Vermeidenden. Nein, diese selbsternannten oder auch im Zuge einer intersubjektiven Übereinkunft erkorenen ‘Gutmensch-Exemplare’ kann man nicht loben; sie bewirken nichts Gutes, sind faktisch eher Sand im Getriebe, nicht zuletzt deshalb, weil sie in der Überzeugung vermeintlicher nützlicher Aktivität echte Analyse und in deren Folge dann eine entsprechende zielgerichtete Entwicklung verhindern.
Leider sind die Letztgenannten die Majorität und den ersteren, für Veränderungsvorhaben tatsächlich wertvollen Menschenschlag, den dürfte man wie die berühmte Stecknadel im Heuhaufen zu suchen haben.
Der Leser mag sich weitere Gedanken über die Vielfalt im ‘Evaluationszoo’ machen; gerne nehme ich einschlägige Information und Erkenntnisse entgegen, denn auch dieser Bereich gehört mitten hinein in fruchtbaren Garten kommunikativen Handelns ...
Verlassen wir den Psychologen und gehen geradewegs ins Reich der Empirie. Wie läuft’s ab? Wie stellt man es sich vor? Beispiel Hauptschule.
Also zunächst einmal die Erhebungsphase. Da werden Strukturdaten gemeldet. Also Daten über Räume, Schüler, Lehrkräfte, Schulentwicklung, Schulleben, Umfeld, etc. Dann sind die Schülerleistungen zu melden, die Orientierungsleistungen (was das auch immer sein soll ...), die Jahrgangsstufentests, die Ergebnisse vom Qualifizierenden Abschluss und wohl auch die - sofern vorhanden - der mittlere Reife Abschlussklasse.
Und jetzt die Besuchsphase. In einer dreitägigen Besuchsphase wird die Schule von den externen Evaluateuren inspiziert. Da wird es neben dem quantitativ Erfassbaren in voller Bandbreite ‘menscheln’, aber es möge gelten: Nichts menschliches ist mir fremd ...
Daran anschließend schreibt das Evaluationsteam einen Bericht, der an die Schule, an die Schulaufsicht und an die “Qualitätsagentur” in München (Bayern) verschickt wird.
Die Vereinbarung wird während der Versuchsphase (bis Ende 2004/2005) zwischen Schule und Schulaufsicht getroffen; später ist das dann für alle obligatorisch.
Methodisch ist hier auffallend, dass längst und kontinuierlich erhobene Daten von den Schulen nochmals bereitgestellt werden müssen. Sinnloser Arbeitsaufwand, egal wie gering er auch sein mag, wäre besser zu vermeiden. Sparappelle wären nicht zuletzt in diesem Bereich angemessen! Die externen Evaluateure sollten genau diese Daten von den vorgesetzten Stellen erhalten, die seit Jahren zunehmend diese anfragen und wohl auch irgendwie verwalten (Wenngleich Ergebnisse von Vorgaben manchmal an einer sachbezogenen Auswertung der erhobenen Daten zweifeln lassen.). Es handelt sich ohnehin zumeist um Information auf ordinalem Niveau mit der entsprechend eingeschränkten Anwendungsmöglichkeit statistischer Verfahren. Jedenfalls über die Möglichkeiten ordinal skalierter Merkmale geht die Datenerfassung an Schulen fast nie hinaus; und selbst diese Daten werden dann noch, wie man an der Berechnung der Notendurchschnitte, die von allen Seiten “zu statistischen Zwecken” abverlangt werden, beispielhaft sehen kann, mit Rechenoperationen bearbeitet, für die sie überhaupt nicht geeignet sind, kurz: falsch behandelt. Bereits bei Kenntnis mathematischer und statistischer Grundkenntnisse weiß man: Mit ordinal skalierten Merkmalen darf die Berechnung des arithmetischen Mittels nicht vorgenommen werden, das ist mathematisch schlicht falsch. Man sieht, auch bei der Handhabung von Information seitens übergeordneter Stellen wäre schon längst eine gründliche Evaluation notwendig gewesen. Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt ...
Warum eigentlich wird die externe Evaluationsgruppe (für in ihr tätige Volksschullehrer soll es angeblich drei Anrechenstunden für diese Tätigkeit, für Gymnasiallehrer zehn geben) nicht gehalten, sich die Daten von den vorgelagerten, Daten hamsternden, Dienststellen zu besorgen? Die Schulen wären entlastet, die Datensammlung würde dadurch zusätzlich legitimiert und es fände - wichtig - eine Evaluation der Datenhandhabe statt. Dann werden jene Erhebungsdaten aus zeitlichen Gründen stichprobenartig mit dem aktuellen Stand an der jeweiligen Schule verglichen, denn es könnte ja immerhin sein, dass sich während des laufenden Schuljahres seit der letzten Erhebung zum jeweiligen Schuljahrsende und -beginn kleine Veränderungen mit Relevanz für die Erziehungsarbeit ergeben haben. Und es würde vor allem auch eine Möglichkeit wenn nicht ausgeschlossen doch wenigstens reduziert: Die zur “Türkenbauerei”, die zum Vorführen einer Scheinwelt. Man könnte da - wenn man es nur wollte - von der Vorgehensweise bei Wirtschafts- und Rechnungsprüfern in der freien Wirtschaft gut lernen ...
Ich habe mittlerweile Kenntnis von zwei Fällen nehmen müssen, die auch erhellend sind: Ein Schulleiter stellt anklagend fest, dass bei dieser Evaluation “ja dann auch die Schulleitung evaluiert werden würde”. Potzblitz. Ich hatte gesagt, ich bin für Evaluation. Aber: Evaluation für alle. Vom Ministerium angefangen, also vom Kopf des Systems bis in den letzten untersten Winkel. Aber bitte exakt! Wer hat eigentlich evaluiert, inwieweit die fast ausschließlich politische Forderung nach Einbezug von Eltern in die externe schulische Evaluation sachlich, d.h. auch durch entsprechende Erfassungs- und Beurteilungskompetenz gerechtfertigt ist? Über eine Frau, Mutter mehrerer Kinder, beruflich sehr angespannt, aber von der Vorbildung laut meiner Information durchaus geeignet, schulische Belange würdigen zu können, wurde mir bekannt, dass sie eine Beteiligung an einer externen Evaluationsgruppe abgelehnt hat, weil sie sich selbst nicht für geeignet hielt. Der aufmerksame Beobachter der Szene weiß genau, dass diese Bescheidenheit in der Beurteilung eigener Kompetenz eher die Ausnahme sein dürfte. Dreimal darf geraten werden, wer sich um solche Positionen (verbunden mit der Möglichkeit einer Aufwertung eines eventuell schwächeren Ichs) bewerben wird. Aber diese Überlegungen betreffen sollten nicht nur den Elternanteil an der Evaluation betreffen!
Der zweite Fall. Es ist bekannt, dass in der Versuchsphase Schulen von sich aus um Evaluation bitten können, was nichts anderes heißt als dass sie die externe Evaluationsgruppe über die Schulaufsicht anfordern können. Von einer sehr profilorientierten Person wurde diese Gruppe angefordert zu einem Zeitpunkt, da andere von dieser Möglichkeit noch kaum gehört hatten. Nun, diese Person war auf dem Gebiet, auszuloten “was ankommt” schon immer recht schnell. Wenn es darum ging, sich sozial und selbstkritisch zu verhalten, war von dieser Bereitschaft schon deutlich weniger zu spüren. Nicht unwahrscheinlich, dass hier eine narzißtische Komponente (ICH profiliere mich ...) dem wenig ausgeprägten Wir-Gefühl (im tatsächlichen Verhalten, nicht in der Mundpropaganda) handlungsleitend war, dies verbunden mit dem Ansinnen, über der Sache, d.h. von der Evaluation ausgenommen, schweben zu dürfen. Mal sehen, wie das ausgeht. Man darf gespannt sein. Die Vergangenheit lehrt jedenfalls: Holzauge sei wachsam. Übrigens weist diese Schule eine relativ hohe Fluktuationsrate auf. Diese wäre ein guter Gegenstand für ein Evaluationsvorhaben.
Da gibt eine Schule den als von einigen als genial und modern gesehenen Slogan aus: “Wir nehmen unsere Schule in die eigene Hand!” Ja, was ist denn bislang geschehen? Haben denn die Kollegien bislang nichts in die eigene Hand genommen, zumindest innerhalb des Gestaltungsrahmens, den Schulaufsicht und Schulbürokratie und gesetztliche Regelwerke es zugelassen haben? Wollen wir doch einmal die Kirche im Dorf lassen und nicht schon wieder mit Lobpreisungsgesängen bei Dingen anfangen, die bislang auch gute Praxis waren, und so tun, als wäre plötzlich ein neuer Kontinent entdeckt worden. Multum non multa, mahnt da der Lateiner. Zu deutsch: Nicht so viel daherschwätzen, nicht so viel Schaukämpfe, nicht so viel Täuschung, nicht so viel Geringschätzung bisherigen Tuns; auf neudeutsch: not much ado about nothing ...
Einige Fragen zum Evaluieren des Sinns dieser Maßnahmen:
Wer sitzt mit welcher Kompetenz und mit welchem Herrschafts- und Gestaltungsverständnis in der sogenannten Qualitätsagentur? (Zugegeben: der Name klingt ja toll und vielversprechend, aber es wäre nicht das erste Mal, das sich hinter einem Namen noch weniger als Schall und Rauch verbergen ...)
Was geschieht eigentlich, wenn Lehrkräfte einige dieser Evaluateure nicht richtig ernst nehmen können?
Wie wird mit ‘subversiven Elementen’ umgegangen; das dürften jene sein, die das ganze in einer Form von Schweijkiade boykottieren, mit Desinteresse oder aber beharrlicher Gleichgültigkeit begleiten? Oder mit Lehrern, die offensichtlich überlegen und informierter sind als das Gros der Evaluateure, und diese Überlegenheit die Evaluateure auf Schritt und Tritt spüren lassen?
Oder mit denjenigen, die stoisch in alter Diogenes - Manier kalt bemerken: Papier ist geduldig.
Ich gebe zu, diese Fragen mögen vor allem an höherer Stelle die Bereitschaft zum Nachdenken über Sanktionsmaßnahmen anregen; vielleicht dann sogar in einer positiven Korrelation zwischen Problemdistanz und Aggressionstendenz. Nur an diejenigen sei nochmals die sinnvolle Frage mit dem Recht auf eine sinnvolle Antwort (Sie erinnern sich: Wer weise Antworten verlangt ...) gestellt: Was spricht eigentlich gegen wirkliche Autonomie, gegen Freiwilligkeit von Maßnahmen, gegen Vertrauen?
Ich gebe zu: Mit dem Vertrauen ist das so eine Sache. Wenn anderen häufig (oder auch immer) mißtraut wird, dann gibt es vereinfacht gesagt zwei Möglichkeiten: Entweder ist dieses Vertrauen bezüglich einer konkreten Person oder von mir aus auch gegenüber einer konkreten Gruppe durch empirisch nachweisbares Enttäuschtwerden begründet oder aber es ergibt sich aus der tiefenpsychologischen Erkenntnis, dass Menschen, die selbst entsprechende Fehler haben, diese in einer Übertragungsreaktion auf andere Leute abschieben und sie dort zu finden glauben.
Im ersteren Fall sollte dann das klipp und klar mit Fakten belegt werden und auch deutlich den Adressaten vorgehalten werden.
Ist das nicht leistbar, dann kommt bei der Analyse, warum man das Vertrauen (z.B. auf individuelle Gestaltung der Vorbereitung, der notwendigen Regenerationsphase, der Innovation, etc.) anderen nicht entgegenbringen kann, zu der Notwendigkeit, sich mit dem eigenen Selbstverständnis und der eigenen Kompetenz, den eigenen Limitationen zu beschäftigen, um dann als Folge der Analyseergebnisse wachsen zu können und die letztlich selbstzerstörerischen Mechanismen zu überwinden. Im Idealfall kann das dann wieder zu dem klaren Blick führen, der sich an Realitäten orientieren kann und nicht an Wunschprojektionen und falschen Schuldzuweisungen scheitern muß.
Leider ist es so, dass ein Scheitern in diesem Bereich oft erst dann virulent wird, wenn der oder die Verursacher längst gegangen sind ... Und das macht die Sache bezüglich Verantwortlichkeit und Verantwortbarkeit so problematisch. Zumindest für diejenigen, die darüber ernsthaft nachdenken.
Anmerkung zu einer Vorstufe von Evaluation (“i.s.i.”)
Da freut sich der Freund der Abkürzungen. Sind sie doch so geheimnisumwittert und vielsagend. Das wollen wir an dieser Stelle und in diesem einen Fall ein klein wenig lüften.
Setzen wir noch eins drauf, lassen wir die Punkte weg, schon haben wir das Akronym ISI und stellen fest: Bandwurmhaft Schwergewichtiges verbirgt sich dahinter, nämlich “Innere Schulentwicklung Innovationspreis”. Von 100 Schulen, die sich in Bayern an diesem Wettbewerb beteiligten, wurden 23 ausgezeichnet. Die ersten Preisträger erhielten 5000 Euro, die zweiten dann 4000 Euro und die dritten 3000 Euro. Alle nominierten Schulen wurden mit 500 Euro belohnt. Die Wirtschaft war auch beteiligt: Stiftungspartner Hewlett Packard schenkte jeder teilnehmenden Schule eine Digitalkamera.
27 Juroren reisten quer durchs Bayernland und bewerteten in Erinnerung an die Pisa-Studie und deren für Deutschland nicht gerade erfreulichen Ergebnisse (immer unterstellt, man teilt überhaupt die bei Pisa vorgenommenen Vorgaben bezüglich Bildungsziele) verstärkt die Unterrichtsqualität.
Die Jury bestand aus Vertretern der Schulaufsicht (Kultusministerium, Staatsinstitut für Bildungsplanung und Bildungsforschung, Bezirksregierungen), der Elternschaft, der Lehrer und Repräsentanten der Wirtschaft.
Es wurde gefragt, wie intensiv neue Unterrichtsformen eingesetzt werden, welche Schüler stärker in die Mitverantwortung nehmen (Schülerzentriertheit des Unterrichts). Dann wurden die Ergebnisse der Jahrgangsstufentests und die Konsequenzen, die man daraus ziehen werde, abgefragt. Ebenso wurde als wichtiger Punkt die Zusammenarbeit von Schulleitung, Lehrkräften, Schülern und Eltern unter die Lupe genommen. Nicht zu vergessen die “Fortbildungsfreude” der Lehrer. Aber auch: Gibt es einen Konsens unter den Schulpartnern, beispielsweise ein gemeinsam erarbeitetes Schulprogramm?
Als Anreiz ganz nett gedacht, sicherlich auch recht nett gemacht. Aber ob so ein Preis eine Aussagekraft über WIRKLICHE Schulqualität hat? An anderer Stelle habe ich so ein Schulprogramm eines Gewinners von i.s.i. dargestellt und kritisch durchleuchtet. Es trieft nur so von Allgemeinplätzen, ist letztlich nicht zuletzt wegen der Unbestimmtheit der dort verwendeten Begriffe zur Definition von konkreter Arbeit ungeeignet, spricht Selbstverständlichkeiten an (z.B. dass man sich gegenseitig achtet und mitmenschlich zueinander verhält; als ob diese Zielvorgaben für Schulen ohne derartige in Schrift gegossene Selbstbeweihräucherung nicht gelten würde ...).
Wenn man dann noch die sicherlich übertriebene Rationalisierungsaussage, wonach einige Lehrkräfte dieser Schule auf Wallfahrt gegangen wären, um zu beten, dass die Schulleitung eine höhere Stelle, für die sie sich beworben hatte, bekommen solle, um sie so los zu werden, hört, dann wird zumindest bei aller Relativität solcher (vielleicht sogar auch: dummer) Aussagen klar, dass es eben nicht so weit her ist mit dieser beschworenen Teamgemeinschaft, in der die Schulleitung vorgeblich allenfalls primus inter pares sein soll. Aber wir kennen das aus der Psychologie: Wer sich selbst immer wieder auf die Schultern klopfen muß, der hat es wohl nötig.
Aber es gibt sicherlich viele Schulen - auch solche, die keine Kraft und Zeit für derartige Wettbewerbe aufwenden, weil sie sich einfach lieber auf ihre schulische Arbeit konzentrieren wollen -, die sinnvolle Schulverfassungen / Schulprogramme aufgelegt haben (Ein Blick ins Internet kann hier erhellend wirken.) und dieses dann auch als Grundlage für pragmatisch ausgerichtetes Denken und Handeln verwenden können.
Ich bin bei derartigen Dingen immer an meine Zeit in der Bundeswehr erinnert. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen kam da ein General und inspizierte die gesamte Truppe und hielt am Ende meist eine längere Ansprache an seine Schäfchen, um sie nicht zuletzt auch sehr zu loben. Es war wirklich immer das gleiche Lied, wobei bei der Bundeswehr das Erreichen eines Ziels sehr oft schnell quantifizierbar und wirklich sichtbar war. Es ging um Sauberkeit, um Ordnung in der Liegenschaft, um das, was die Betroffenen dann plötzlich in seltener Übereinstimmung an Positiven in das Generalsohr sangen. Was ist aber im Vorfeld eines solchen Besuches abgelaufen? Man benannte das mit dem vielleicht nicht gerade schönen Wort “Türkenbauerei”. Es wurde geputzt, aufgeräumt, ein paar Schauveranstaltungen abgezogen, kluge Worte verbreitet, schöne Begründungszusammenhänge dargeboten und sogar ein wenig Kritik an Bestehendem dargebracht, dies freilich bereits mit anvisierten Lösungsstrategien, deren Tauglichkeit bereits ‘evaluiert’ (ja dort wurde das damals in den 60ern schon so genannt ...) worden war, wofür nochmals ein Lob des Generals für die Weitsicht der Verantwortlichen fällig wurde ...
Nichts gegen den jeweiligen General. Sie hatten gewiß herausragende Kompetenz zur Beurteilung der militärischen Maschinerie(Ob die Mitglieder der i.s.i.-Jury an Kompetenz da mithalten können, darf deshalb bezweifelt werden, weil jene Generäle täglich direkt mit der Materie vertraut und befasst waren und sie von Grund auf gelernt hatten!). Aber es ist ein Leichtes, Menschen zu täuschen, vor allem dann, wenn das Produkt eben nicht so griffig ist.
Ich kann mich aus meiner Gymnasialzeit an einige Lehrer erinnern, die von den Eltern wenig geschätzt worden waren, die von uns Schülern nicht zuletzt wegen ihres für uns so empfundenen langweiligen Unterrichts häufig als Gegner gesehen wurden und die auch bei der Schulleitung nicht besonders hoch in Kurs gestanden haben (So etwas spüren gerade Schüler, die eigentlich sehr viel Zeit und Gelegenheit zur Beobachtung ihrer Lehrer und deren unmittelbaren Umfeld haben sehr deutlich!) und wo wir es kaum erwarten konnten, aus deren Einflußsphäre verschwinden zu können.
Hätten wir die damals bewertet, das Ergebnis wäre vernichtend ausgefallen. Hätten die Eltern ihr Votum abgegeben: Jene wären als viel zu leicht befunden worden. Kaum vorstellbar, dass sie von unserer damaligen Schulleitung (während meiner Zeit wechselte die dreimal) mehr als ein “ausreichend” erhalten hätten. Und doch: Es fällt nicht leicht, später zugeben zu müssen, dass man das falsch gesehen hat, dass man von dieser einst so wenig geliebten Person mehr fürs Leben gelernt hat, als es damals einem bewusst werden konnte. Kurz: Die Langzeitkomponente, eigentlich das A und O jeglicher erfolgreicher Erziehung läßt sich eben nicht der Sache gerecht werdend messen.
Und ich kann versichern: “Türkenbauen” läßt sich gerade in der Schule wunderbar praktizieren. Ich habe das immer wieder erlebt. Dies hängt auch ein klein wenig damit zusammen, dass vorgesetzte Stellen gerne Unliebsames ausgeklammert sehen wollen, eine verständliche menschliche Wesensart. Welcher normale Mensch ist denn schon freiwillig Masochist?
Es wäre interessant bei “i.s.i.” einmal alle Unterlagen sichten zu dürfen, um sie dann auf ihre Tragfähigkeit bezüglich der getroffenen Urteile abzuklopfen. Jedenfalls mein Beispiel von oben liefert dem kritischen Betrachter eine erhebliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, dies leider jedoch nicht von dem spürbaren Impetus einer Hinterfragung eigener Positionen geleitet. Wäre nämlich Letzteres der Fall, dann hätte diese Diskrepanz ihren Wert in einem dialektischen Sinn als Möglichkeit zur Fortentwicklung. Wenn ich mich aber schon für sakrosankt halte, für weitgehend unfehlbar, dann kann wohl kaum eine Veränderung vonstatten gehen, nicht wahr? Und hier ist häufig das Bild, das jemand von sich selbst hat in Verbindung mit der Unfähigkeit, sich kritisieren zu lassen (Dies ist oft der Fall bei Menschen mit schwachem Ich, die im Falle von Kritik ihre Identität gefährdet sehen. Leider meist jedoch auch noch ein unbewußter Prozeß, so dass die Zugänglichkeit zu diesem Phänomen dadurch zusätzlich erschwert wird.) kontraproduktiv und zementiert alte Strukturen. Diese lassen sich zwar schönreden, viele gehen diesem Verfahren auch auf den Leim, aber die Auswüchse davon werden irgendwann virulent - in der Schule oft erst später, also werden dann andere dafür verantwortlich gemacht, ohne dass sie die eigentliche Schuld trifft ...
Es besteht auch immer die Gefahr einer völlig falschen Gewichtung. Nehmen wir das Beispiel einer Grundschule in Bayern. Diese endet nach dem vierten Schulbesuchsjahr. Bis dahin bestehen die Klassen aus einem hohen Prozentsatz an Schülern, die anschließend auf das Gymnasium wechseln (also auch bei den heutigen Maßstäben eines allzu leichten Übertritts, wie die Versagerquoten zeigen, dorthin, ein Hinweis auf leistungsfähigeres Klientel), aus einem hohen Prozentsatz (vor allem seit Einführung der sechsstufigen Realschule in Bayern) an Schülern, die an die Realschulen übertreten und dem verbleibenden Rest der zumeist an die Hauptschule wechselt sowie einigen, die dann die Förderschulen besuchen. Wird nun die Gesamtheit aller Schüler eines Übertrittjahrganges betrachtet, läßt sich leicht und schnell eine effektive Grundschularbeit in der jeweiligen Klasse behaupten. Vergleicht man aber nur die einzelnen Gruppen, also zum Beispiel diejenigen, die von der Grundschule an die Hauptschule überwechseln, dann dürfte die Erziehungsarbeit und Unterrichtsleistung der jeweiligen Grundschule schon ganz andere bewertungsmäßige Ausprägungen erfahren. Oder um es einfacher zu sagen: Es ist leichter, Leute zu unterrichten und zu erziehen, die vom Elternhaus und auch von der eigenen Leistungsfähigkeit her privilegierter sind.
Vor allem auch aus diesem Grunde verbieten sich vergleichende Bewertungen wie z.B. “Die Grundschule hat eine erfolgreiche Bildungsarbeit geleistet, in der Hauptschule wurden die Schüler dann demotiviert.” oder ähnliche kurzschließende Betrachtungsweisen. Nun ist dieses Beispiel von mir leider nicht erfunden, sondern hat längst seine Entsprechung in der Wirklichkeit gehabt. Mögen derart verkürzte Betrachtungsweisen vielleicht nicht gerade für die wissenschaftliche und analytische Kompetenz seines Urhebers sprechen, ja ihn sogar bei sachkundigen Menschen disqualifizieren: Bei der großen Masse kommt das an, fällt auf fruchtbaren Boden und wenn dann noch von anderer Seite für bestimmte Errungenschaften Lob zuteil wird, dann besteht zumindest die Gefahr, dass dieses Lob nicht differenziert entgegengenommen wird, sondern vielmehr als eine Art Generalbevollmächtigung für umfassendste Kompetenzanmaßung. Dies verhindert aber genau das, was vor dem Hintergrund echter Evaluation notwendig wäre: Eigene Schwachpunkte aufspüren, um sie im Interesse einer echten Fortentwicklung zu korrigieren. Aber wie gesagt: Wir haben ja das fruchtbare Feld der Türkenbauerei, die mindestens ebenso schädlich ist wie Kompetenzzuschusterung an Leute, die eine solche nicht oder aber noch nicht haben.
Steuergruppe (STG) konkret; einige Vorstellungen und Anmerkungen.
Die hier gemachten Ausführungen beziehen sich weitgehend auf Rolff, Seite 12 ff.
“Die Hauptaufgabe einer STG besteht in der Prozesssteuerung, genauer: in der Steuerung eines Schulentwicklungsprozesses - hier mit dem Schwerpunkt Qualitätsentwicklung - durch die Mitglieder der Schule selbst.” Hier sind vor allem “die Aufgaben der Bestandsaufnahme und der internen Evaluation” zentral zu nennen. Dann soll die STG neben der Schulleitung (der Kenner der schulischen Landschaft ahnt schon den Konfliktrahmen bzw. das Adaptionsverhalten, beides eigentlich für eine offene Kommunikationskultur abträglich) “für die Koordination verschiedener Projekte und Prozesse zuständig sein.” Ferner “sollte sie Kontakt zu anderen Schulen anbahnen und pflegen, vor allem zu Schulen in einem ähnlichen Entwicklungszusammenhang, damit Netzwerkstrukturen entstehen” und sie “sollte für eine Dokumentation des Schulentwicklungsprozesse sorgen.”
Auch wenn Rolff die “Fülle der Aufgaben” sieht und meint, dass man sich nur schrittweise dem idealen Endzustand nähern sollte: Eine Mehrbelastung in mehrfacher Hinsicht sollte dem Leser deutlich sein. Es ist nicht nur ein Mehr an reiner Arbeit, es sind vor allem psycho-soziale Spannungen, die aus dem zwangsläufig sich ergebenden und je nach Position im Geschehen bewerteten Spannungsgefüge aus echtem Idealismus, aus Eiferertum, aus Machtgefälle entstanden durch neue sich manifestierende Machtstrukturen, durch unterschiedliche Zweckbindungen und aus dem ideologisch verschleierten Wust unterschiedlicher Interessenlagen entstehen. Wer dies leugnet, wer einer “heile Welt”-Phrasierung huldigt und wer vor allem glaubt, strukturelle und gesellschaftliche Bedingungsgefüge mit sogenannter inneren Schulreform oder mit dem Mittel der TZI lösen zu können, hat schon verloren und ist bestenfalls naiv zu nennen. So funktioniert Gesellschaft nicht. So kann man vor allem keine Wege gehen, die eine umfassende Reform des Bildungswesens im Auge haben, denn dies muß mit einer schonungslosen Analyse des Ist-Zustandes beginnen (da stimmen mir natürlich alle zu, von der Putzfrau über Schulleitung bis zum Ministerium), die vor allem auch die eigene Unzulänglichkeiten und Defizite der jeweiligen Akteure einschließt (und hier lichtet sich der Kreis der Zustimmenden doch sehr, halten sich viele so sehr für sakrosankt in ihrem Tun und Wirken ...).
Die Lösung dieses Dilemmas - sofern es überhaupt eine sinnvolle geben kann - hängt natürlich von der Fähigkeit der betroffenen Personen zu folgenden Verhaltensweisen ab: reflexiv denken und handeln zu können, selbstkritisch Wertungen vornehmen zu wollen und zu können, echte Verantwortung (auch für Fehlleistungen) zu übernehmen und dem Prinzip “Mehr Sein als Schein” sich verpflichten zu können. Wer jedoch die Neigung zur spektakulären Öffentlichkeitsarbeit (und im Zuge davon die Gier der medial leicht steuerbaren Öffentlichkeit bezüglich Rezeption dieser häufig letztlich nur als ‘Schaumschlägerei’ zu wertenden Aktivitäten) kennt, der weiß, welcher Brocken bereits hier beiseite zu räumen ist.
Menschen, die jahrelang Selbsttäuschung gepflegt haben und die in nicht seltenen Fällen sich in intersubjektiver Übereinkunft mit Gleichgesinnten gegenseitig einschlägig hofiert haben, dürften enorme Schwierigkeiten haben, plötzlich rationalere Wege zu gehen.
Rolff fasst die Zuständigkeiten der STG wie folgt zusammen (S. 13):
“Organisation und Moderation des Prozesses der Qualitätsentwicklung insgesamt, Erfahrungsaustausch innerhalb und zwischen einzelnen Arbeits- und Projektgruppen der Schule,
Initiierung und Begleitung eines einzelnen Projekts zur Qualitätsentwicklung und Verkoppelung der Projektarbeit mit der Entwicklung der ganzen Schule,
Einleitung und Durchführung einer gemeinsamen Bestandsaufnahme und Stärken-Schwächen-Diagnose einschließlich der Auswahl bzw. Entwicklung der Diagnoseinstrumente,
Vorbereitung und Durchführung von Feedbackkonferenzen mit dem ganzen Kollegium,
Unterstützung bei der Anwendung bzw. Entwicklung von Instrumenten zur Qualitätsevaluation,
Koordinierung des durch Schulentwicklung entstehenden Qualifizierungsbedarfs,
Hilfe bei der Festlegung von Prioritäten für die Maßnahmeplanung in Form von Entwicklungsprojekten
Unterstützung und Koordinierung von Ansätzen zur Unterrichtsentwicklung
Information des Kollegiums und alle übrigen am Schulentwicklungsprozess Beteiligten (vor allem Eltern, Schüler und eventuell vorhandene außerschulische Kooperationspartner,
Zusammen mit der Schulleitung Einleitung und Vorbereitung einer schulinternen Evaluation von Projekten, Schulprogramm oder Unterricht,
Begleitung der schulinternen Evaluation.”
Eine geballte Aufgabenstellung! ‘Normalen’ Unterricht können derart geforderte Teilnehmer einer Steuergruppe grundsätzlich nicht mehr machen. Es müssen also entweder zusätzliche Lehrkräfte für die jeweiligen Schulen eingestellt werden, oder aber die Nichtmitglieder der STG müssen große Teile der Unterrichtsverpflichtung der anderen “steuernd” Tätigen übernehmen. Nährboden für Unzufriedenheit? Möglichkeit einer Dichotomisierung des Lehrkörpers? Oder eine neue Sphäre, mittels derer erneute Überlastung von Lehrkräften geschaffen wird? Die Gefahr der Möglichkeit einer neuen Art von Aufspaltung des Lehrkörpers sollte jedenfalls nicht ignoriert werden.
Einige mir bekannte Ergebnisse (Dokumentationen) von Arbeiten aus Steuergruppen weisen aber noch einen anderen Weg: Man liest Seite für Seite, schnüffelt sich durch Allgemeinplätze, Selbstverständlichkeiten und einen Rattenschwanz von mehr oder weniger unspezifischen Forderungen und Selbstdefinitionen, die letztlich in ihrer Unverbindlichkeit nur eines mit Sicherheit bewirkt haben: Unnütze Arbeit (allenfalls von ‘Nutzen’ im oben dargestellten Sinne oberflächlicher Öffentlichkeitsarbeit), deren verbratene Zeit man besser für die Schüler aufgewendet hätte ...
Aber wenigstens können sich einige Wenige in dieser Arbeitshitzigkeit sonnen. Vorsicht bei vorschneller Freude und Selbstbeweihräucherung ist jedoch angebracht: “Steht die Sonne der Kultur niedrig, werfen selbst Zwerge lange Schatten!” (Qualtinger)
Es kann nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, umfassend auf Evaluationskonzepte einzugehen; es sollen lediglich einige Schwachstellen und Ungereimtheiten vor dem Hintergrund vorgegebener Zielsetzung, nämlich: der Besserung der Verhältnisse, gespiegelt werden.
Wenn nun Rolff als Voraussetzungen für die Steuergruppe fordert, dass eine “klare Definition des Auftrags des Kollegiums, Freiwilligkeit der Mitarbeit, Repräsentanz der wichtigen Gruppierungen, Transparenz der Arbeit gegenüber dem Kollegium und anderen beteiligten Gruppen, Übernahme von Verantwortung durch alle Beteiligten, ein geklärtes Verhältnis zur Schulleitung” unabdingbar sind, ist man natürlich geneigt, ihm zuzustimmen.
Nur bewegt er sich hier schon auf einer recht utopisch anmutenden Ebene. Gibt es diesen Menschentypus, gar dieses Kollegium, das zu Euphorie diesbezüglich Anlass gibt? Eher nicht. Hier wird mit einem Menschenbild operiert, mit dem schon ganz andere Geisteskapazitäten gescheitert sind.
Bei einer solchen unterstellten Einsichtsfähigkeit des Menschen, bei einer solchen Unterstellung von altruistischer Unterordnungsbereitschaft, bei einem derartigen Glauben an die Vernunft des Menschen, wäre wohl so mancher schon wieder geneigt, die Gesellschaftsidee des Kommunismus aus der Schublade zu holen. (Sie erinnern sich an die Feststellung einiger Intellektueller nach der sogenannten Wende, dass der Kommunismus deswegen nicht funktionieren kann, weil es den als Voraussetzung notwendigen Menschtypus nicht gibt, nicht wahr?)
Wie wäre in einem solchen Modell denn zu verfahren, wenn Freiwilligkeit bei diesem Projekt aus Überzeugung nicht geleistet werden kann, wenn Verantwortung allenfalls nur partiell übernommen werden will, wenn als ‘wichtig’ erkannte Gruppen plötzlich virulent werdende Herrschaftsinteressen (oder gibt es die etwa gar nicht mehr in diesem Harmonietümpel?) ‘stören’ und genau Mitglieder jener Gruppen oder gar eine ganze Gruppe (wenn auch Gruppenbildung im Sinne von Interessenverfolgung unter Lehrern für vorgesetzte Funktionsträger ein geringeres Problem sein dürfte ...) als ‘enervierende Subjekte’ ausgeschlossen werden? Wo bleibt dann die stets so gepriesene und herbeigesehnte qualitative Kommunikationsstruktur?
Jedenfalls kenne ich wenigstens einen Fall (der mir sicherlich nicht zu einer Verallgemeinerung dient), wo eine eigentlich nachweislich kompetente Lehrkraft mit individueller Schwerpunktsetzung und bislang durchaus erfolgreicher Erziehungsarbeit vom sich selbst als liberal definierten Rektor, der sich vorgeblich als ‘primus inter pares’ versteht, weggeekelt werden soll, weil er sich nicht “in den schulischen Rahmen einfügt”.
Wer definiert denn dann in einer ach so demokratisch orientierten, vom Hauch der Steuergruppenintelligenz und Emotionalität durchwebten Kollegiumsstube, wo auch die Schulleitung die reinste Inkarnation des ‘Gutmenschen’ ist oder sich jedenfalls so versteht, wo die Ausgrenzung beginnt? Ist dann vielleicht bald niemand mehr da, den es ‘auszugrenzen’ gibt, weil alle sich in einen Einheitsbrei geistiger Nivellierung gefügt haben? Ist das dann jenes Bild von Individualität, Pluralität und Authentizität, das man Schülern als Modellhilfe zum Hineinwachsen in eine pluralistische und demokratische Gesellschaft präsentieren möchte.
Ich jedenfalls erinnere mich mit - durch die zeitliche Distanz bedingt - abnehmenden Schrecken an die weitgehend homogenen Kollegien meiner Gymnasialzeit, an die vielen farblos gebliebenen Stoffvermittler, an die zahlreichen Nicker unter den Lehrkräften; wohl präsent - trotz der zeitlichen Ferne - sind mir die wenigen Originale geblieben, Lehrkräfte mit Authentizität - Lehrkräfte für die ihre Silbe “Kräfte” Programm und Aufgabe zugleich war; eben: Lehr-Kräfte.
Die Schüler hätten bestimmt kein Interesse an ‘Abziehbildern’, an ‘Angsthasen’, an Leuten, denen der ‘vorauseilende Gehorsam’ selbstbindende Verpflichtung ist; eine Demokratie lechzt danach sicherlich wohl auch nicht.
Es klingt schon sehr theoretisch, wenn Rolff fordert, die Rekrutierung der Mitglieder einer Steuergruppe soll entweder durch “Wahl durch die Lehrerkonferenz” oder aber durch “Aushandeln der Mitglieder” erfolgen. (S. 15) Klappt das nicht, vor allem deshalb, weil sich viele Mitglieder der Lehrerschaft verweigern, könne man ja mit einer Kerngruppe starten und die dann - Potzblitz! - alle anderen “ansteckt” und mitreißt. Schöne neue Welt! Da finden wir sie dann letztlich alle friedvoll ausgehandelt und vereint im gemeinsamen Tun, gerichtet auf eine blühende Erziehungslandschaft, vereint in den Kriterien für die Zusammensetzung einer Steuergruppe: “Vertretung der Geistes- und Naturwissenschaften sowie des musischen Bereichs, Angemessene Beteiligung der Geschlechter, Gute Mischung von jung und alt, Einbeziehung von Aktivisten, Einbeziehung von Skeptikern, Schulleitung, Personal- bzw. Lehrerrat, Eventuell Schülerinnen und Schüler, Eventuell Elternvertreter.” (S. 16)
Jedenfalls sollte die so ausgehandelte Steuergruppe vom gesamten Kollegium bestätigt (und damit wohl auch legitimiert) werden. Wie geht man denn nun mit den als ‘Störenfried’ Empfundenen um?
“Schwieriger ist die Frage, ob erklärte Gegner eines Schulentwicklungsprozesses in die Steuergruppe gelockt werden sollen. Bei Gegnern, die sich eher als Skeptiker verstehen und nicht durch destruktives Verhalten aufgefallen sind, kann man diese Frage bejahen. Bei bekannten Störenfrieden wäre abzuraten, sie zur Mitgliedschaft zu bewegen. Nötigen sollte man ohnehin niemanden zur Mitgliedschaft. Wichtig ist es, die Aktivisten des Veränderungsprozesses in die STG zu holen, aber nicht nur die Meinungsführer, sondern auch andere.” (S. 17)
Rolff plädiert also nicht für ein Wegekeln von subjektiv als schwierig empfundenen Personen, sondern eher für einen toleranten Modus, der beiden Seiten gerecht wird. Möge sich das so manche empfindsame Schulleitung (Fragen, die sie sich stets stellen sollte: Warum empfinde ICH diese Person als schwierig? Gibt es für andere gute Gründe, NICHT mitzumachen? Bin ICH vielleicht gar von einer Art Selbstbegeisterung der Einfalt befallen?) einmal nachdenklich zu Gemüte führen ...
“Die Mitarbeit der Schulleiterin / des Schulleiters in der Steuergruppe ist nicht nur empfehlenswert, sondern unabdingbar. Denn die Schulleitung hat für alle innerschulischen Entwicklungsprozesse eine Schlüsselposition inne, da sie die Veränderungen sowohl nach innen - dem Kollegium gegenüber - als auch nach außen - der Schulaufsicht, den Eltern und der Gemeinde gegeüber - vertreten muß. Weitreichende Veränderungen im Schulalltag, in der Schulorganisation oder dem Schulprogramm bedürfen zudem nicht nur der Zustimmung der Schulleitung, sondern auch der Schulkonferenz, in der die Schulleiterin / der Schulleiter eine ausschlaggebende Stimme hat. Deshalb muss der Schulleiter bzw. die Schulleiterin selbst in der STG mitarbeiten.” (S. 17)
Ich habe diesen wesentlichen, gleichwohl eigentlich selbstverständlichen, Punkt deshalb hier aufgenommen, weil es immer wieder Lehrkräfte gibt, die der Schulleitung eine Interessenkollision (Intrarollen- und Interrollenkonflikte) unterstellen (was sicherlich zutrifft, jedoch durch kommunikatives Handeln aufgearbeitet werden sollte) und sie deshalb nicht in einem derartigen Gremium wollen.
Damit soll nur noch kurz die Rolle der Schulleitung in diesem durchaus möglichen babylonischen Evaluationsgetöse angerissen werden.
“Auch wenn die STG über Prozesskometenz und ein Mandat des Kollegiums verfügt, liegt doch die Gesamtverantwortung weiterhin beim Schulleiter bzw. der Schulleiterin.” (S. 20) Die Leitung in der STG sollte sie jedoch nicht haben; damit soll den Erfordernissen der ‘Selbstorganisation’ und der ‘Akzeptanz’ entsprochen werden.
“Die Schulleitung muss die Konzepte bzw. Arbeitsergebnisse der STG auf Realisierungschancen hin prüfen, und sie ist für die Umsetzung zuständig.” (ebd.) Offensichtlich ist das Problem, dass es unterschiedliche Sichtweisen bei der Bewertung von Realisierungschancen geben kann, selbst dann, wenn man sich auf die rein rechtliche Ebene reduzieren würde. Ebenso deutlich wird dann aber auch, dass eine Schulleitung sehr wohl Vorhaben einer Steuergruppe gänzlich verwerfen kann; dies nicht nur mit rein sachlichen Argumenten, sondern auch wegen der nicht aufgelösten hierarchischen Struktur und der damit verbundenen Verantwortungs- und Entscheidungsebene. Diese Probleme werden je nach Persönlichkeiten, die im Prozess involviert sind, mehr oder weniger handlungsstiftend wirken. Es soll an dieser Stelle lediglich auf diese Konfliktlinien hingewiesen werden; kluge Führung und ebenso kluge Mitarbeiter dürften damit weise umgehen können ...
Zur “wichtigsten Aufgabe (der Schulleitung, d.V.) gehört es, Arbeitsbedingungen und Entlastungen zu schaffen, mit denen das Engagement und die Initiative bei den Kollegen bzw. Kolleginnen erhöht und aufrecht erhalten werden kann.” (S. 21)
Zu dem Problem als Hierarch in einer angeblich nicht hierarchischen Gruppierung mitarbeiten zu müssen, kommt hier die Abwägung von Vergünstigungen, die immer auch Verlierer zeitigen wird. Wo jemandem z.B. Stundenermäßigung für STG-Arbeit gewährt wird, da müssen andere vielleicht Mehrbelastungen übernehmen, wenn zusätzliche Aufgaben nicht durch ein Revirement staatlicher Bildungspolitik aufgefangen werden. Und damit geraten nicht nur Schulleitung sondern auch das Gesamtsystem in eine sozialpsychologische Problemzone, deren Konfliktbewältigungsfelder durchaus kontraproduktiv wirken könnten.
In Anlehnung an Becker und Lutz stellt Rolff einen Fragenkatalog vor, mittels dessen die Schulleitung ihr Verhältnis zur STG klären helfen soll:
“Traue ich es der Steuergruppe zu, selbstständig und in eigener Verantwortung ihre Aufgaben wahrzunehmen?
Vertraue ich darauf, dass die Steuergruppe keine neue heimliche Schulleitung bilden oder installieren will?
Ist es meine Aufgabe, die Arbeit der Steuergruppe zu kontrollieren und zu steuern?
Kann ich es akzeptieren, dass die Steuergruppe einen eigenen Sprecher und Gruppenleiter hat?
Welche meiner Aufgaben delegiere ich an die Steuergruppe?” (S. 21)
Und aus gleichem Interesse gälte es für die Steuergruppe zu fragen:
“Wie verstehen wir die Rolle und Aufgaben des Schulleiters als Mitglied der Steuergruppe?
Welche Unterstützung brauchen wir von und welche Erwartungen haben wir an die Schulleitung?
Welche Aufgaben werden von der Schulleitung auf uns als Steuergruppe delegiert?
Wie erreichen wir einen umfassenden und kontinuierlichen Informationsfluss zwischen Schulleitung und Steuergruppe?” (S. 22)
Insofern wäre die Steuergruppe auch als Lernort, gerade auch für Schulleitungen zu betrachten, so Rolff. Dass dies heftigen Konfliktstoff im negativen Fall, also bei eher schwachen sozialen Bindungen und wenig ausgeprägter gegenseitiger Wertschätzung der geleisteten Arbeit, birgt, liegt auf der Hand. Andererseits lassen sich für den Fall, dass alle Seiten zur Selbstkritik fähig sind (oder zumindest die Bereitschaft haben, diese Fähigkeit sich allmählich aneignen zu wollen) und dazu lernen möchten, aus diesen teilweise antithetischen Elementen produktive Lernprozesse generieren. Aber wie gesagt: Es hängt von den Leuten ab, von all den Kränkungen oder Verstärkungen, die sie im Laufe ihrer Biographie auf verschiedenen Gebieten erlitten oder erfahren haben, von ihrem Selbstwertgefühl, von ihrer Fähigkeit zum Umgang mit Kritik, von ihrer Bereitschaft, sich des eigenen Verstandes im Kantschen Sinne zu bedienen ...
Wo immer wir auch hinschauen, es besteht bei allen Vorhaben, selbst im Mikrobereich, die Gefahr, dass Vorteile auf der einen Seite auch Nachteile auf der anderen erzeugen. Eine Besserstellung auf Kosten anderer dürfte aber psychosozial gesehen nicht verantwortbar sein. Von dieser Gefahr ist natürlich auch das staatliche Handeln im Erziehungsbereich nicht ausgenommen. Und dieser Aspekt soll uns nun weg von der Steuergruppe an den Schulen führen und uns eine andere Art von Steuergruppe, die auf der Makroebene, betrachten lassen.
Es besteht der begründete Verdacht, dass bei den staatlich und durch (sicherlich nicht immer gerechtfertigten) Öffentlichkeitsdruck veranlassten Maßnahmen zur Veränderung im Schulwesen dem sogenannte Pareto-Optimum entsprochen wird: die Besserstellung einer Person versucht man durch die Schlechterstellung anderer zu realisieren, was dann auch - gespiegelt am gesellschaftlichen Ist-Zustand widersprüchlicherweise - auf das Vorhandenseins eines Wohlstandsoptimums schließen ließe: Den Lehrern soll es schlechter gehen damit es anderen besser geht. So wird das natürlich nicht ausgesprochen. Aber es entspricht der eingeschlagenen Praxis, sei sie intendiert oder auch nur mangels anderer und besserer Kompetenz so anvisiert. Wem kann es demnach besser gehen? Zunächst den unfähigen Politikern, die so Populismus pflegen können und auch den Eindruck erwecken, es geschehe tatsächlich Effektives im Bildungswesen. Dann denjenigen Erziehungsverpflichteten, die wieder einmal eine Alibientlastung und in dieser Folge einen Amboss, auf den man nach der ‘Haltet den Dieb’-Methode draufschlagen kann, erhalten.
Nun gibt es in diesem Zusammenhang einen ‘altbewährten’, dabei nicht minder verlogenen Trick: Man behauptet, eine Gruppe werde nicht schlechter gestellt, die anderen nur besser. Beispiel der jahrelange Verzicht der Lehrerschaft auf Arbeitszeitverkürzungen. Dabei ist selbstverständlich der relative Unterschied zwischen den Gruppen derjenigen, die eine Arbeitszeitverkürzung erhalten haben und derjenigen, die nicht in diesen Genuss kamen, sowohl quantitativ als auch qualitativ berührt worden. Zum Nachteil der Lehrkräfte. Wenn nun zu dieser Disparität noch eine Arbeitszeiterhöhung hinzu kommt, verbunden mit einer sehr starken Gängelung der persönlichen Arbeitsgestaltungsweise - dies genau entgegen der Entwicklung in der freien Wirtschaft, die genau auf Selbständigkeit und diese absicherende Kompetenzen setzt -, dann ist offensichtlich, dass hier wahrscheinlich ein anachronistisches Planungsverhalten und mit Sicherheit eine rücksichtslose Ungerechtigkeit betrieben wird. Hier erweisen sich mindestens zweierlei als Nachteil: Einmal sind Lehrer in den allermeisten Fällen verbeamtet und können sich demzufolge nicht mit Arbeitskampf zur Wehr setzen und dann haben sie in den seltensten Fällen die Möglichkeit, sich in der freien Wirtschaft einen neuen Arbeitsplatz suchen zu können. Letzteres deshalb, weil die Ausbildung von Lehrkräften bislang - und wohl auch noch in absehbarer Zukunft - eine Einbahnstraße ist mit den entsprechend eingeschränkten Möglichkeiten der Arbeitsaufnahme. Und dieser Umstand dürfte auch eine wesentliche Rolle spielen, dass Lehrkräfte, durch diese Abhängigkeiten bedingt, weniger zu kämpferischen und von Aufbruch getragenen Mentalitätsausprägungen neigen, dafür aber mehr somatisieren, resignieren und sich - bei entsprechend aufgebauten Frustrationspotential - tendenziell zurückziehen.
Und die eigentliche Zielgruppe, die Schüler? Deren Verbesserung in einem umfassenden pädagogischen Sinne kann unter diesen Umständen allenfalls herbeigeredet und durch intersubjektive Konvention behauptet werden. Denen wird es nämlich mit diesen Maßnahmen ganz gewiß nicht besser gehen; denn ausgebrannte, demotivierte, überlastete, wenig wertgeschätzte Lehrer werden wohl kaum fruchtvolle pädagogische Arbeit leisten können. Mehrarbeit und Lohnverzicht, Einengung der Vorbereitungsökonomie, Begrenzung von Regenerationsphasen, Erzeugung zusätzlichen Drucks und vor allem auch die euphemistischen Umschreibungen von Nichts oder Wenigem wecken allenfalls bei unkritischen Geistern (von denen es freilich allzu viele gibt) unberechtigte Hoffnungen und schaden mit Sicherheit dem noch vorhandenen Impetus auf Veränderungsbereitschaft und Gestaltungskompetenz.
Einer dieser unreflektierten Begriffe scheint mir jener der “kritischen Freunde” (H.-G. Rolff) zu sein. Wer diese sind? Nun, das sind Leute aus der gesellschaftlichen Praxis, die Schule und Unterricht besuchen und evaluieren helfen sollen. Der Metzgermeister von nebenan, der Landwirt von jenseits des Flusses, Mitglieder des Elternbeirats oder auch nicht dorthinein gewählte Erziehungsberechtigte, der Diplomingenieur, der Verwaltungsprofi, sicherlich auch der kommunale Politexperte und wer auch immer noch sich im Nah- und (weit gedachten) schulaffinen Bereichen tummelt, nicht zu vergessen Schulleitungen und ‘kritische’ Kollegenfreunde anderer Schulen. All jene befruchten in diesem bildungspolitischen Schlaraffenlande dann in freundschaftlicher Verbundenheit durch ihre auch mit einschlägiger ‘Sachkompetenz’ oder/und mit typischer narzißtischen Selbstbedürfnissen angereicherte Personalität die neue schöne Schulwelt und alles wird dann (so) besser werden...
Nachgedacht haben Schöpfer jener Worthülsen sicherlich nicht ausreichend. Aber den Appellationscharakter von ihren künstlich geschaffenen Begrifflichkeiten mögen sie sehr wohl - zumindest unterbewußt - erkannt haben.
Welcher Metzgermeister würde allein schon aus Kostengründen sich schon die Zeit nehmen können, seinen Arbeitsplatz für schulische Evaluation zu verlassen?
Welcher vielleicht geltungssüchtige und selbsternannte Kritiker hätte schon die brauchbare Kompetenz zur Würdigung komplexer schulischer Sachverhalte?
Welcher Schreibtischritter ist nach Jahren der Entfremdung von sicherlich nicht wenigen Sphären gesellschaftlicher Wirklichkeit in der Lage, hier wirklich konstruktiv tätig sein zu können?
Man kann sich dieses “peer review” heute schon lebhaft vorstellen; vor allem auch, welcher Personenkreis nach derartiger Aufgabe lechzt ...
Aber auch Wissenschaftler dürften wohl mit ihren Ergebnissen, nicht selten gespickt aus Resultaten von Auftragswissenschaft und der Perspektive eigenen Horizontes, allenfalls mit Vorsicht zu beachten sein! Ja, und wo sind sie wohl alle, die selbstlosen, psychisch blütenrein gestrickten Kollegen, die nur wegen des idealistischen Zieles einer Verbesserung der Schullandschaft jegliche Herabwürdigungstendenzen (sicherlich in den meisten Fällen nur mit dem Hintergrund der Selbstaufwertung oder aber der Rationalisierung eigenen Tuns) plötzlich fahren lassen könnten (gleich einem befreienden Furze ...) und wirklich nur ehrlicher Diener der Sache sein könnten? Und wenn doch: Welcher Sache eigentlich? Welcher Zielsetzungen? Welchem System, frei von antagonistischen Widersprüchen?
Der Mensch, den dieses System zu seiner Realisierung als notwendige Bedingung erforderte - sozusagen als conditio sine qua non -, der dürfte wohl, wenn überhaupt, recht selten aufzufinden sein. Unsere Gesellschaft ist nicht so strukturiert, dass eben jener Menschentyp in ihr gedeihen könnte. Fraglich ist, ob sich überhaupt eine halbwegs realisierbare Gesellschaftsidee denken läßt, die - systemimmanent stimmig - einen solchen Menschentypus dann zulassen würde, ja notwendig machte. Aber derartige Fragen bleiben bereits im Vorfeld ausgeklammert. Frei nach dem Motto: Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand. Aber wir als kritische Beobachter der Szene wissen das längst: Dem ist leider nicht so. Verstand erfordert zuvorderst Bemühen um Qualitäten.
Es werden schlicht die falschen Fragen gestellt. Vielleicht weil man ahnt (oder gar schon weiß), dass die notwendigen Fragen zu Ergebnissen führen könnten, die man so nicht will (oder nicht wahrnehmen möchte.) Vielleicht auch weil man sich mit den relevanten Ergebnissen nicht auseinander setzen möchte. Spürt man, es könnte in Richtung Infragestellung des umfassenderen Systems gehen? Fürchtet man, die grundlegenden Erkenntnisse und Ergebnisse könnten Veränderungen oder Abwehrtendenzen abfordern, die man politisch nicht leisten kann oder möchte? Wer sieht, wie stellenweise in der Öffentlichkeit mit Interpretation von Äußerungen umgegangen wird (ich denke an Auslegungen, die die tatsächlichen Worte des jeweiligen Urhebers keineswegs hergeben, dann oft eine Hatz im Gefolge, bei der sich eine unkritische Meute oft auch mit dem Aufschrei unangemessener Empörung beteiligt), der wird verstehen, was ich meine. Aber es hat immer noch seine Gültigkeit, was der weise Goethe dereinst sinngemäß festgestellt hatte: Wenn du eine weise Antwort verlangst, mußt du vernünftig fragen!
Und wir wollen doch ‘weise Antworten’ und keine dummen, nicht wahr?
Aber wer fragt schon nach den notwendigen und hinreichenden Bedingungen, wenn er der Öffentlichkeit schnell ein Ergebnis zu schulden glaubt; wer unterzieht sich einem derartigen Analyseprozess, wo er doch so zeitraubend, anstrengend und vor allem auch demaskierend sein könnte? Vor allem: Wer setzt sich denn schon gerne dem Bumerangeffekt aus? Wer geht denn schon das Risiko ein, seine eigene ‘Wichtigkeit’ untergraben, relativieren zu lassen? Nur: Es ist genau dieses Unterlassen, das Erfolg von vornherein vereitelt!
Fazit für die lehrende Basis: Man sollte sehr sorgfältig darauf achten, ob diejenigen, die evaluieren tatsächlich die entsprechende Qualifikationen haben und das entsprechende kommunikative Sozialverhalten aufbringen, welches Grundlage jeglicher Evaluation zu sein hat, soll überhaupt eine Chance auf Erfolg bestehen. Zu den Kriterien vergleiche u.a. bei Claus G. Buhren und Hans-Günter Rolff, “Personalentwicklung in Schulen - Konzepte, Praxisbausteine, Methoden” (Beltz 2002) und das oben angeführte Buch von Hans-Günter Rolff “Schulentwicklung konkret”. Sollten diese Kompetenzen nicht gegeben sein, dann ist dies dem entsprechenden Adressatenkreis unmißverständlich kundzutun. Auch eine Öffentlichkeitmachung sinnlosen Tuns gehört hier dann zum Instrumentarium, da gerade die Evaluation in Hinblick auf gesellschaftliche Öffentlichkeit institutionalisiert werden soll. Ebenso ist der Umgang mit den ‘kritischen Freunden’ und deren Handlungskomponenten einer permanenten Kritik zu unterziehen; gegebenenfalls wären Begrifflichkeiten, die Sachverhalte exakter erfassen, zu definieren und zu publizieren.
Prinzip jeglichen Verhaltens im Kontext von Schulentwicklung und Evaluation sollte eine kritische analytische und reversible Zugangsweise der Basis sein.
Fazit für Schulabgänger auf der Suche nach einer beruflichen Zukunft: Es sollte gründlich überlegt werden, ob man sich einem Beruf aussetzt, der eine übergroße starke Abhängigkeit von einem Arbeitgeber mit den entsprechenden Restriktionen bedeutet; es ist von eskalierender Heteronomie im Lehrbereich auszugehen, Fremdbestimmtheit wird immer mehr zunehmen und die Zahl derjenigen, die sich auf diesem Gebiet kompetent nennen und Mitwirkung bis hin zur Leistungsmessung beanspruchen (und aus politischen Gründen ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Einflußsphären ausgeweitet werden, sicherlich gut begründbar), wird die Arbeit an Schulen sicherlich nicht erleichtern.
Geht man davon aus, dass durch erzwungene ‘Team’-Arbeit und diversen Formen von Öffentlichkeitsarbeit wie ‘Kundenpflege’ (Dieser dämliche Begriff stammt bestimmt nicht von mir! Ich halte ihn im schulischen Kontext als unangemessen, aber er erfreut sich in bestimmten Kreisen zunehmender Beliebtheit.), Tage der offenen Tür, mehr oder weniger sinnvolle Veranstaltungen als Minimarketing, erzwungene Anwesenheiten an Schulen in der unterrichtsfreien Zeit (und dies in einem unwohnlichen Ambiente, verglichen mit dem heimischen Arbeitszimmer; dies mit erhöhtem Störfaktor durch äußere Einflüsse und sicherlich auch durch unterschiedliche Formen von Sozialstress; dies mit dem Hintergrund schlechterer Vorbereitungsbedingung, was Materialien angeht - zumindest bei diesbezüglich gut sortierten Lehrkräften und das dürften die meisten sein ...), auch die Möglichkeiten individueller Arbeitsorganisation und der zeitliche Dispositionsrahmen immer mehr eingeschränkt werden, dabei jedoch die Notwendigkeit zusätzlicher häuslicher Fortbildung, Vorbereitung und Innovation bestehen bleibt, dann dürfte die Lehrerarbeitszeit zukünftig einen Rahmen einnehmen, der weit über dem liegt, was anderswo zu leisten ist. Da Ergebnisse pädagogischer Arbeit nicht so einfach zu messen ist, demzufolge in den seltensten Fällen auch nicht vergleichbar bleibt, dürften auch hier zusätzliche Stressfaktoren entstehen. Diese sind nicht, wie gegenwärtig von vielen Administratoren behauptet, durch intersubjektive Übereinkunft eines Evaluationsteams zu kompensieren, zumal dieses Feedback im Konflikt zum tatsächlichen Erlebens des pädagogischen Alltags stehen dürfte. Trotz sicherlich zunehmender Sozialisationsschwierigkeiten vieler Jugendlichen dürften die weiterhin das geringere Problem sein; im Gegenteil: die Zusammenarbeit mit ihnen ist in den allermeisten Fällen eine lohnende Angelegenheit, allerdings unter der Einschränkung, dass man das ganze Drumherum erträglich findet und sich ein Leben daran binden kann. Jeder muß selbst wissen, ob er nicht besser seine Persönlichkeit im Wirtschaftsleben behaupten möchte. Mit Abitur und Studium jedenfalls scheint mir unter den gegenwärtigen Voraussetzungen und den auf diesen extrapolierten der Zukunft die Berufswahl Lehrer die schlechtere Alternative zu sein. Übrigens: Ich selbst war einige Jahre im Wirtschaftsleben und habe mich auch dort behaupten können. Dies nur denjenigen ins Ohr, die meinen, ich wüßte nicht um die Klippen anderer Berufe. Aber: A ship in a harbour is safe but that’s not what ships are built for. Und selbst für diejenigen, die eine gewisse Absicherungsmentalität in sich spüren: Der Lehrerberuf bietet jenen zukünftig wohl auch nicht mehr das, was sie sich vielleicht erhoffen mögen - dies bei extremem Sozialstress und wenig Möglichkeiten der Selbstverwirklichung und Entfaltung kritischer Weltsicht, dafür aber mit einem Höchstmaß an Gängelei.
Und kritische Geister mit innovatorischem Potential dürften woanders mehr Entfaltungsmöglichkeiten finden - auch und gerade im Zeitalter der Globalisierung.
Die Bewerberzahlen zum Hauptschulstudium in Bayern sprechen derzeit eine deutliche Sprache. Hier ist längst mit den Füßen abgestimmt worden. Und ich gehe davon aus, dass die Versuche, den Lehrerberuf wieder attraktiver zu reden, für ihn zu werben, zumindest solange ins Leere laufen, als die derzeitige finanzielle, arbeitszeitliche und auf die Arbeitsbedingungen bezogene Richtung fortgeschrieben wird. Leid kann es einem da nur um die Jugendlichen tun; denn wer trotz dieser Voraussetzungen noch Lehrer werden möchte, der ist entweder ein unverbesserlicher Idealist, vielleicht noch mit einer gehörigen Portion an Altruismus versehen, oder aber jemand, der sich nicht hinaus ins offene Meer der Herausforderungen des Wirtschaftslebens wagt. Der erstere Typus dürfte schnell abzuzählen sein, der letztere dürfte Jugendlichen nicht gerade das notwendige Vorbild sein. Und dass es der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit nützt wenn heutzutage und zukünftig viele eigentlich befähigt junge Menschen bei ihrer Berufswahl sagen “Lehrer, nein danke!” darf vollends bezweifelt werden.
Man sollte auch in diesem Zusammenhang ruhig auch einmal von der Wirtschaft lernen (siehe Die Welt vom Samstag 31. Januar 2004, Seite B1: “Energieverschwendung. Wenn die Kraft der Mitarbeiter hauptsächlich in die eigene ‘Überlebensstrategie’ investiert wird, führt das zu echten Wettberwerbs-Nachteilen): Als Infineon in München einen starken Personalabbau, verbunden mit der damit einhergehenden Unsicherheit bei der Belegschaft, betrieb (5500 mußten den Betrieb verlassen) sprachen die Mitarbeiter von ‘Personalpolitik in Rambo-Manier”. Vorstandschef Ulrich Schumacher verkündete gleichzeitig, zukünftig Jagd auf ‘Minderleister’ zu machen. Vorgesetzte sollten gleichzeitig jedes Jahr einen bestimmten Prozentsatz ihrer schlechtesten Mitarbeiter identifizieren und diese für den Fall, dass die Leistungen nicht besser würden, dann kündigen. Im Frühjahr mußte dann der Personalvorstand gehen und man versuchte seitens Firmenleitung das alles dann als Förderprogramm für schwache Mitarbeiter zu verkaufen - allerdings ließen sich kaum welche von dieser Schönfärberei einlullen. Das Ergebnis jedenfalls ist laut einem Personalberater: “Das Unternehmen hat seine Glaubwürdigkeit verloren. Gute Leute bewerben sich dort nicht mehr.”
Bei derartigen Verfahrensweisen leiden nicht nur die Entlassenen sondern auch die Verbliebenen. Laut Laurenz Andrzejeweski, Experte für Trennungsprozesse in Usingen, verspüren die nochmals Davongekommenen, dass ihnen der “psychologische Vertrag” gekündigt worden ist, dies mit der Folge von Identifikations- und Loyalitätsproblemen. Direkt dürften jene kaum quantifizierbar sein, auch nicht direkt sichtbar, aber man findet sie in den Ausprägungen Unlust, innere Kündigung und Mobbing. Die Energie der so gestressten Mitarbeiter geht weitgehend in eine Art Überlebensstrategie, was den Unternehmenszielen wenig dienlich ist, weil die Kraft für die eigentlichen Aufgaben so abgezogen wird. Sich möglichst ruhig halten und nicht auffallen heißt vielerorts die Devise. Insofern sollten auch Zahlen mit gesunkenen Krankenständen wegen dieses bestehenden Drucks mit Vorsicht interpretiert werden. Wenn sich kranke Leute aus Furcht vor Repressalien in die Arbeit schleppen (von einigen der sogenannten Führungspersonen als “lebenskluge Anpassung” bezeichnet), dürfte damit allenfalls einer kurzlebigen Statistik gedient sein.
Am Rande sei die Kurzsichtigkeit dieser Art von Personalpolitik durch die Tatsachen, dass laut einer Studie 35 Prozent der entlassenen Mitarbeiter innerhalb der nächsten 18 Monate wieder durch neue ersetzt werden müssen, dass laut dem Magazin DMEuro jeder Zweite über einen Jobwechsel nachdenkt und sich jeder Sechste bereits bewirbt. Dabei hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt gegenwärtig noch nicht entscheidend gebessert. Was erst, wenn die Konjunktur anspringt? Dann dürfte so manche Personalentscheidung zu neuen Jammertiraden über fehlende qualifizierte Kräfte führen. “Der Weggang eines Facharbeiters kostet ein Unternehmen mindestens das Eineinhalbfache seines Jahresgehalts, bei Führungskräften ist es sogar das Zweieinhalbfache”, so Andrzejewski. Vor dem Hintergrund der Kenntnis dieser Sachverhalte, sollte ruhig auch einmal in den oberen Etagen der “Firma Bildungsproduktion” nachgedacht werden, ob man hier nicht gegen Grundbedingungen erfolgreicher Personalführung gesündigt hat! Wenn man schon etwas Neues einführen möchte, dann geht das wohl kaum gegen die Betroffenen, will man erfolgreich sein. (Dabei immer unterstellt, dass dieses Neue überhaupt sinnvoll ist und den vorgegebenen Zweck erfüllen kann.) Aber wir erinnern uns: Zuerst kamen die Ankündigungen von politischer Seite und als der Aufschrei dann doch zu laut war und von breiten Schultern getragen wurde (so haben sich in seltener Einmütigkeit Elternschaft und Lehrerschaft einmal solidarisiert ...), war man bereit zu diskutieren. Der Eindruck, dass dabei von den bereits gesetzten Zielvorgaben abgewichen werden könnte, wurde jedenfalls nicht vermittelt, so dass der Eindruck einer Alibiveranstaltung mit allenfalls schwacher Legitimationstendenz entstehen konnte. Wie mahnt jedoch Gerhard Selic, Berater bei der Managementberatung SKP Dr. Stoebe, Kern & Partner in München: “Man braucht eine klare Kommunikation über die Neuausrichtung des Unternehmens. Erst wenn die Mitarbeiter sehen, dass das Management an einem Strang zieht, können sie langsam wieder Vertrauen gewinnen.”
Wer nun geltend machen möchte, in der Schulverwaltung bis hinein in die höchsten Stellen, handelt es sich nicht um Management im klassischen Sinne, dem würde ich nicht einmal widersprechen wollen. Jedoch die Prinzipien guter Personalwirtschaft werden dadurch nicht außer Kraft gesetzt.
Die Not, die sich aus dem Mangel an Lehrkräften in bestimmten Bereichen ergibt, gipfelt dann manchmal schon in stilblütenhafter Phrasierung: “Wegen der günstigen Einstellungssituation für Hauptschullehrer-/innen und Fachlehrer-/innen wird bis auf Weiteres für Teilnehmer an der Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Hauptschulen und für die Teilnehmer der Zweiten Lehramtsprüfung für Fachlehrer der Verzicht auf Einstellung nicht mehr gestattet.” (GZ: 540-5199/1; Amtsblatt in Bayern; Fettdruck im Original.) Was im Klartext nur heißen soll: Entweder man fängt sofort an oder aber man läßt es bleiben; eine spätere Berücksichtigung findet nicht statt. Nur: Ob die sich das so leisten können? Was wenn später gar niemand mehr da ist, der verzichten könnte? Muß man dann doch reumütig bei den eigentlich für immer Ausgeladenen wieder betteln gehen? Nur ein Bluff, ein leicht durchschaubarer bürokratischer Taschenspielertrick? Ich weiß es nicht. Aber fragen wird man ja noch dürfen ...
Immerhin wird es, wenn man den Vergleich mit der Wirtschaft bemüht, für die Verantwortlichen tröstlich anmuten, dass im Schulbereich die allermeisten Fachkräfte nicht so einfach kündigen können, weil sie eben nur für ihre schulische Tätigkeit ausgebildet worden sind und die Nachfrage nach ihnen demzufolge auf dem Markte des freien Wettbewerbs äußerst gering sein dürfte. Man sollte die einseitige Verworfenheit der Bediensteten aus diesem Umstand aber besser nicht überstrapazieren, nicht wahr?
Aber auch bei den bereits im Beruf tätigen Lehrkräften dürften die obrigkeitlichen Maßnahmen nicht spurlos vorüber gegangen sein beziehungsweise sie unberührt lassen. Die Beratungsgesellschaft Gallup hat eine Umfrage durchgeführt, deren Ergebnisse zu Denken geben sollten. Danach machen 70 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland ‘Dienst nach Vorschrift’; wirkliches Engagement im Betrieb ist nur bei 12 Prozent vorhanden. Als wichtigsten Grund für diese innere Emigration wird schlechtes Management genannt. Die Autoren der Studie relativieren den Wert sogenannter pauschaler Erklärungen für die Verweigerungshaltungen, als da genannt werden ‘allgemeiner Wertewandel in der Gesellschaft’ (Eine dankbare Floskel, mit der sich alles erklären ließe - jedoch mit einem geringen Tauglichkeitswert für die Konzeption praktischer Konsequenzen, nicht war?), ‘abnehmende Loyalität’ (Warum wohl?) und ‘schwindendes Unrechtsbewusstsein’ (Was ‘Wert’ und was ‘Unwert’ ist, wird halt durch Erziehung und durch gesellschaftlich manifestierte Verhaltensweisen definiert ...). Die Autoren beklagen, dass eben auch die Loyalität der Firmen gegenüber ihren Mitarbeitern abgenommen hat. Die neuen Werte hießen “Flexibilität, Cost Cutting, Lean Management und Shareholder Value”. Und da wundert man sich, wenn das Fazit aus den Ergebnissen heißt: Arbeitnehmer sind nicht motiviert.
Nun sollten die Verantwortlichen gerade des pädagogischen Bereichs fundierte Kenntnisse und sich daraus ergebende Verhaltens- und Handlungskonsequenzen aus der Motivationsforschung aufzeigen können. Wer sieht, wie mit Lehrerarbeit faktisch umgegangen wird, der kann daran erhebliche Zweifel haben! Alles wird unter dem Deckmantel der Effizienzsteigerung unter das Volk gebracht. Kostenersparnis heißt das Zauberwort. Widersprüchlich mag es vordergründig wirken, wenn man weiß, dass die Kosten für Bildung gegenüber anderen staatlich (mit-)organisierten Bereichen sogar erhöht worden sind. Dennoch: wer faktisch die Arbeitszeit, und dies wohlwissend um die bereits bestehende Belastungsgrenzen, erhöht, diese Mehrarbeit als Definition der Lehrerarbeitszeit versucht zu verkaufen, dies verbunden mit bei näherem Hinsehen nicht haltbaren Begründungen, der versucht die Effizienz durch Kostensenkung zu erhöhen. Wie unter anderen der Professor für Personalwirtschaft Rainer Marr (Universität der Bundeswehr in München) bestätigt, kann man schon die Effizienz steigern, indem entweder die Leistung erhöht oder die Kosten senkt oder aber gleich beides tut. Und letzteres geschieht letztlich im Schulbereich, wenn man die Sachverhalte auf die individuellen Lehrkräfte und auf deren Arbeitspotential aufrechnet. Damit werden jedoch die verdeckten Phänomene und damit die tatsächlichen Kosten nicht erfasst. Sicherlich ist es öffentlichkeitswirksam, wenn man die leicht dokumentierbaren Kostenreduzierungen auf einer quantifizierbaren Ebene erfasst. (Vielleicht auch deshalb die Vorliebe für oft mehr als überflüssige deskriptive Statistiken im öffentlichen Bereich?). Was steckt hinter diesem Verfahren? Die falsche implizite Annahme, dass bei derartiger Belastungsmehrung die Leistung steigt oder wenigstens gleich bleibt.
Durch diese Maßnahmen sinken statt dessen die Leistungen, die Loyalität der Mitarbeiter nimmt ab und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens als Ganzes wird ebenfalls geringer.
Wie Professor Marr aus den Ergebnissen einer umfangreichen Untersuchung deutlich darlegt, ließ sich zwar kein unmittelbarer Leistungszusammenbruch beobachten (Da war der Hauptmotivator “Angst” vor der Arbeitslosigkeit - man sollte dies besser als ‘Furcht vor Arbeitslosigkeit’ bezeichnen, sofern diese Problem dem einzelnen bewusst ist und seine Handlungen determiniert) - wirksam; aber Angst war nie, ist nie und wird auch nie ein stabiler Faktor im Kalkulationsprozess sein.); deutlich wurden jedoch ein großer “Moralverlust” und “eine sehr ambivalente Motivationshaltung.” Ebenfalls sei der Zynismus der Mitarbeiter sehr gestiegen. “Die nehmen die Aussagen von Managern einfach nicht mehr ernst und fühlen sich wie in einer Bluff-Gesellschaft. Sie wissen, dass sie sich auf nichts mehr verlassen können und nicht mehr als Mensch geschätzt werden, sondern nur noch ein Kostenfaktor sind.” Daraus resultieren dann Rückgang im Engagement fürs Unternehmen, aber auch eine Verschlechterung in sozialen Verhaltensweisen und damit eine größere Bereitschaft zum Mobbing, die Mitarbeiter glauben nicht mehr an eine Unternehmenskultur und beklagen die Abwesenheit von Vertrauen. (Der interessierte Leser sei in diesem Zusammenhang verwiesen auf das Buch: “Personalabbau in deutschen Unternehmen. Empirische Ergebnisse zu Ursachen, Instrumenten und Folgewirkungen, Gabler Edition Wissenschaft 2003 von Rainer Marr und Karin Steiner. Das Buch ist nicht ganz billig, jedoch sehr preiswert ...)
Wer nun meint, das träfe nur auf die Wirtschaft zu, der irrt gewaltig. Im Gegenteil: In der Schule wirkt oft nicht einmal mehr der nur kurzfristig wirksame Furcht- bzw. Angstfaktor in Bezug auf Entlassungsmöglichkeit (Dafür jede Menge andersgerichtete, die dann in Zusammenwirken mit anderen Faktoren zum bekannten Burnout Syndrom führen können.); die faktische Geringschätzung der Arbeit durch Gängelungsversuche, durch Aufpfropfen zusätzlicher Aufgaben und der damit verbundenen indirekten Fortsetzung der Neidkampagne, und durch eine sachlich mehr als fragwürdige positive Wertung von Scheinaktivitäten (die dann auch noch als ‘Vorbildcharakter’ verkauft werden) wirken unheilvoll.
Was sicherlich die allermeisten Lehrkräfte noch bindet (dafür kann aber das System sich kaum eine Feder an den Hut stecken), ist die Zuwendung und das Interesse an den Schülern. Diese positiven Bindungen jedoch für administrative Zwecke einer Kosteneinsparung funktionalisieren zu wollen, dürfte allerspätestens dann sich ins Gegenteil verkehren, wenn die Überstrapazierung der Belastungsgrenzen endgültig zu gesundheitlichen Schädigungen der Lehrkräfte geführt haben. Ob es sich dann um rein physische oder aber um psychosomatische oder um abgrenzbare psychische Erkrankungen handelt, dürfte im Ergebnis für den “Betrieb Schule” egal sein, denn das System würde noch mehr Schaden nehmen. Dem gilt es entgegen zu wirken. Die Gesundheit der Lehrkräfte ist zugleich eine gesunde Basis für positive emotionale Zuwendung und damit Voraussetzung für erfolgreiches Lernen und bereicherende Erziehungsprozesse!
Diejenigen, die das Schulgeschehen und vor allem die Entwicklung auf den vielen Schulen administrativ oder aber auch nur virtuell übergestülpten Ebenen mit kritischer Aufmerksamkeit verfolgen, dürften zumindest gegenwärtig allen Grund zum Pessimismus haben. Keine rosigen Aussichten für die im Erziehungshandeln aufeinander verworfenen Personen ...
Der Erziehungsaspekt unter der Perspektive notwendiger Evaluation.
Es dürfte nicht ganz einfach sein, quantitativ darzulegen, was in der gegenwärtigen Diskussion über die Bildungsmisere überwiegt. Ist es immer noch die Lehrerschaft, die hier verantwortlich gesehen wird? Sind es die Erziehungsberechtigten, die zu einem mehr oder weniger großen Anteil ihre Aufgaben auf andere Instanzen zu delegieren versuchen um sich so - gemäß den Tendenzen einer überwiegend materialistisch orientierten Gesellschaft und der Mode gewordenen Spaßgesellschaft - ihrer eigentlichen Verantwortung zu entledigen? Sind es die Fehlleistungen der Politik und sogenannter moralischer Instanzen, die falsche Weichen gestellt haben und stellen? Sind es einfach nur - dann nebulös gesprochen - die Umstände, denen man sich hilflos ausgesetzt wähnt?
Je nach Position werden die Attribuierungen unterschiedlich ausfallen. Je nach Interessenlage werden die Schuldzuweisungen dann bestenfalls in einer relativen Aufteilung auf mehrere Verantwortungskreise vorgenommen werden.
Interessant sind vor allem jene “Ratgeber” aus der Öffentlichkeit, vor allem auch von politischer Seite, die durch ihre eigene Biographie entweder ausweisen, dass sie auf dem Feld der Familienplanung und Familiengestaltung selbst wenig erfolgreich waren oder gar gänzlich versagt haben oder aber durch ihr praktisches Verhalten im Bildungssektor Positionen vertreten, die für die Handlungsweisen im eigenen familialen Bildungsplanen gerade nicht handlungsleitend waren. Der moralische und praktische Wert der Forderungen und Vorschläge jener dürfte eher gering anzusiedeln sein, wenn es darum geht, angemessene Lösungsstrategien zu einer Verbesserung der Bildungs- und Erziehungssituation entwickeln zu wollen. Zumindest rufen derartige Aussagen nach Ideologiekritik und einer Erhellung der individuellen psychologischen Situation, ehe man die Aussagen dann gewichten kann. Was letztlich nichts anderes bedeutet, dass die Kompetenz von politischen und anderen gesellschaftlichen in diesem Zusammenhang relevanten Instanzen, vertreten durch die jeweiligen Repräsentanten, einer permanenten Evaluation zu unterziehen ist bevor man ihre Vorgaben der Praxis zumutet respektive aufzwingt. Es geht also um eine Evaluation von “denen dort oben”.
Kinder bedürfen der emotionalen Absicherung; sie brauchen soziale Einbettung mehr als alle anderen, sollen sie zu lebenstüchtigen, selbstverantwortlichen und nach Mündigkeit strebenden Menschen heranwachsen können. Hier ist der Ruf nach einer Lösung durch Ganztagsbetreuung durch den Staat gänzlich kontraproduktiv. Eltern müssen ihre Erziehungsverpflichtung einlösen und dürfen diese nicht auf andere Institutionen abwälzen! Dazu müssen sie sich jedoch selbst in die Lage versetzen können und es muß ihnen die Möglichkeit hierzu durch Schaffung familienfreundlicher Gestaltung des sozialen Lebens eingeräumt werden. Hier kann der Staat seine legitime Aufnahme wahrnehmen, indem er die Bedingungen zu diesen Möglichkeiten durch Gesetzgebung, Schaffung von Rahmenbedingungen und auch durch finanzielle Unterstützung dieser Familienarbeit aus Mitteln des Steueraufkommens bereitet.
Statt Eltern es zu erleichtern, ihre Kinder zeitlich noch mehr aus dem Einflußgefüge der Familie zu entfernen, sollte man den Erziehungsverpflichteten ein Erziehungsgrundgehalt geben, das alle anderen Ansprüche (wie z.B. Kindergeld, kostenlose Aufsicht an staatlichen Institutionen wie Schulen, etc.) ablöst. Die Eltern sollten verpflichtet werden, Kurse und Bildungsmaßnahmen zu besuchen, die sich intensiv mit Erziehungsfragen und Bildungsgestaltung auseinander setzen. Gekoppelt müßte dies dann an eine Abschlußprüfung mit Zertifikat werden, damit die Bereitschaft zu einer fachkundigen und zeitgemäßen Erziehungsarbeit gewährleistet bleibt. Für den Fall des Scheiterns in diesem Bildungsgang sollte dann als negative Sanktion eine Kürzung des staatlichen Erziehungsgeldes erfolgen. Es handelt sich also dann um die Nichtausbezahlung von Zuwendungen wegen nicht erfolgter Leistung. Gleiches sollte gelten, wenn Jugendliche dann nicht der Schulpflicht nachkommen, keine Hausaufgaben erledigen, kurz: wenn sie den schulischen Lernauftrag nicht ernst nehmen und gewissenhaft betreiben.
Es findet also auch hier eine Art von Evaluation statt: die Evaluation der Erziehungsarbeit im häuslichen Umfeld.
Von dem Erziehungsgeld könnten dann die Eltern selbst individuell Gebrauch machen: Entweder indem sie Teile davon für zu bezahlende Bildungsdienstleistungen in Anspruch nehmen und die für sie hierdurch frei gewordene Zeit nach eigenen Präferenzen verwenden oder aber indem sie keine Aufgaben delegieren und so für ihren Zeit- und Erziehungsaufwand zusätzlich entlohnt werden. Dies wäre gerecht, nicht zuletzt deshalb, weil die so erzogenen Kinder dann auch für die Gesamtgesellschaft (die jenes Erziehungsgeld letztlich zu bezahlen hat) im Sinne von Mehrwertschaffung von Nutzen wären. Das mag zwar vor dem heutigen Hintergrund etwas optimistisch klingen, aber es wäre genau die Richtung, die eine Gesellschaft als Organismus versteht, indem die Einzelglieder in selbstverantwortlichen Beiträgen zum Wohle des Ganzen und damit auch zur eigenen Besserstellung beitragen. Der Staat schafft also nur die Bedingungen, die es den Bürgern dann ermöglichen den verantwortlichen (und auch verantwortbaren) Erziehungsweg zu gehen. Nicht mehr und nicht weniger.
Dabei ist eines aber auch zu sehen: Eine Entscheidung für Kinder ist keine, die völlige Kompensation durch materielle “Wiedergutmachung” seitens Öffentlichkeit für angeblich entgangene Lebensqualitäten erfahren kann. Kinder sind Freude, Bereicherung und vor allem auch - Lebensqualität. Wer keine hat, der hat auch diese Form von Lebensqualität nicht. Ob die anderen dafür eingetauschten Formen der (kinderlosen) Lebensgestaltung wirklicher Ersatz für ein entgangenes Familienleben sind, muß letztlich jeder selbst für sich entscheiden, wenn er beziehungsweise sie so gelegentlich eine Art Bilanz des gelebten Lebens zieht.
Aber eines geht halt nicht: Man kann nicht gleichzeitig Fisch und Vogel sein, man kann nicht gleichzeitig Kinder haben wollen und die damit verbundenen (vermeintlichen oder tatsächlichen) Einschränkungen nicht, andererseits geht es auch nicht, dass man ohne Kinder sein Leben gestalten kann, ohne nicht auch gewisse Verpflichtung gegenüber denen zu übernehmen, die in jeglicher Hinsicht VERANTWORTUNGSVOLL ihren Kinder auf dem Weg ins (gesellschaftliche) Leben helfend und zeitlich sie begleitend zur Seite stehen.
Wie kann nun die Einlösung dieser Verantwortung aussehen, damit auch schulische Entwicklungsprozesse erfolgreich verlaufen können?
Zunächst ein paar Beispiele aus der Praxis wie es sicherlich nicht gemeint ist und auch nicht funktionieren kann und darf (Es sei darauf verwiesen, dass ich diese Informationen aus zuverlässigen Quellen habe und teilweise auch selbst überprüfen konnte):
Ein Mädchen, fünfzehn Jahre, sagt: “So ein Scheißland, scheiß Wessis. Immer dieser Stress. Ich habe einfach keinen Bock aufs Lernen.” Ich antworte ihr: “Wenn du es hier so schlecht findest und hier nicht aushalten kannst, dann gehe doch wieder in den Osten (Sie kam aus dem DDR-Gebiet).” Daraufhin erwidert sie: “Geben sie mir das Geld und ich gehe sofort zurück.”
Zur Erläuterung: Ich möchte das nicht auf die Waagschale legen; zum einen war sie noch recht jung, zum anderen kam sie aus zerrütteten Verhältnissen und - mir eigentlich am wichtigsten - als ich ihr meinen Werdegang (Ich habe ab dem siebzehnten Lebensjahr durch eigene Arbeit alles selbst finanziert, z.B. Lehre, Abitur, Studium, Weiterbildungen) erläuterte (also den Preis, den ich für Selbstständigkeit und relative Unabhängigkeit zu zahlen bereit war - also kein ‘Hotel Mama’ oder ähnliches mehr ...) erzählt hatte wurde sie recht nachdenklich und entschuldigte sich sogar (letzteres hielt ich für unangebracht und überflüssig, da es aus meiner Sicht zumindest für dieses Mädchen nichts zu entschuldigen gab).
Aber der impulsive zur Selbstverständlichkeit geronnene Gedanke, das Geld müsse von woanders her kommen und nicht von eigener Anstrengung - das ist das nicht Untypische für gegenwärtige Zeitgenossen ...
Zwei Übersiedler geben ihre Reaktion auf meinen Hinweis, sich doch etwas anzustrengen und für sich selbst etwas zu lernen, trocken und abgeklärt: “Sie bezahlen später einmal unsere Sozialhilfe.”
Ich will das nicht weiter kommentieren, da es selbsterklärend ist. Es sei jedoch daran erinnert, dass der Staat und seine Repräsentanten sich auch von diesen Menschen eine Verbesserung der Situation der Sozialkassen erhofft hatte und wohl auch noch erhofft ...
Ein Mädchen, das von ihrem Vater im eigenen Haus eine Einliegerwohnung angeboten hatte, um nach der mittleren Reife eine Lehre bequemer absolvieren zu können, lehnte dies ab, wollte angeblich weiter auf die Schule gehen (FOS), trieb sich statt der schulischen Pflicht nachzugehen mit einer Kifferclique herum, hatte eine Junkie zum Freund und tat alles nur nichts, das sie näher in die Richtung Selbstverantwortung gebracht hätte. Als sie dann mit ihrem Freund nach Marokko ging und sich dort in einschlägigen Kreisen herumtrieb und auch nach ihrer Rückkehr keine Anstrengungen unternahm, stellte der Vater die Zahlungen mit der Begründung ein, sie würde nur herumgammeln. Sie strengte einen Unterhaltsprozess an, verlor ihn in der ersten Instanz und in der zweiten kam es zu einem Vergleich. Danach betrieb sie ihre Ausbildung konsequent und erreichte auch einen Abschluss (Fachabitur, Sozialpädagogin). Interessant erscheint mir hier die mitgehörte Begründung gegenüber ihrem Vater: “Ich will ja von dir gar kein Geld. Aber was kann ich denn dafür, wenn der blöde Staat so scheiß Gesetze macht und sich vom Zahlen drückt und du dann löhnen mußt.”
Es geht hier nicht um einen temporär verpfuschten Lebensweg, zumindest nicht in erster Linie. Es geht darum, mit welcher Selbstverständlichkeit ‘der Staat’, also die Allgemeinheit zum Bezahlen eines wie auch immer gearteten Lebensstiles da zu sein hat, und wenn der es halt nicht richten kann, dann soll gefälligst jemand anders dafür herhalten. Nur selbst will man nichts dazu tun. Das ist das eigentliche Problem.
Eine Mutter beklagt sich bei einer Lehrkraft, ihr Sohn würde daheim keine Wörter mehr lernen, ginge nicht in sein Zimmer, um seine Aufgaben zu erledigen. Er würde auch nicht mehr gehorchen. Dabei gab sie nach längerer sinnloser “Diskussion” dem Lehrer die Schuld, dass ihr Sohn daheim nichts mehr lernen würde.
Man sollte dies nicht kommentieren, so blöde ist das alles. Werden Eltern mit den Kindern daheim nicht mehr fertig, wird nicht mehr Ursachenforschung im Nahbereich betrieben, sondern man sucht sich einfach einen Sündenbock. Jener Lehrer hat übrigens zu der Frau gesagt: “Dafür sind sie alleine zuständig. Ich habe dieses Kind nicht gezeugt.” Ich finde diese Antwort passend und angemessen ...
Ein Übersiedlerjunge macht Schwierigkeiten. Er ist nicht gerade von Fleiß geplagt, hat selten eine Hausaufgabe, seine Noten sind entsprechend. Deutsch spricht er gut genug, um gut zu verstehen und auch um gut verstanden zu werden. Er ist eine sehr sympathische Erscheinung, auch gepflegt und mit höflichen Umgangsformen. Aber wie gesagt: Er tut nichts für die Schule, von den Fächern Werken und Kunst einmal abgesehen. Da zeigt er sehr viel Geschick und auch Interesse.
Nun kommt seine Mutter in die Schule und beklagt sich über schlechte Noten. Im Zuge des Gesprächs mit der Lehrkraft sagt sie dann mit einem Ton der Billigung und Bewunderung: “Mein X (Name wird hier nicht genannt!) macht halt nur das, wozu er Lust hat. Das muß man verstehen. Er ist ein guter Junge. Aber wozu er keine Lust hat, das macht er nicht. Er macht nur, was er will.”
Hier hat die Erziehung sicherlich versagt. Obwohl ich davon nicht betroffen war, habe ich jener Frau klipp und klar gesagt, dass auch sie Dinge macht, wozu sie wohl nicht immer Lust habe, wie z.B. Wäschewaschen, Kochen, Flicken, Putzen und es trotzdem erledige, weil es eben sein muß. Und aus meiner Sicht sagte ich noch (das Wetter war sehr schön), dass ich auch lieber jetzt zum Baden gehen würde als hier in der Schule zu sein, aber das es halt im Leben auch Pflichten gäbe - Lust hin, Lust her. Und abschließend sagte ich ihr noch, dass ihr X das möglichst schnell begreifen müsse und dass es auch ihre Aufgabe wäre, ihm dabei zu helfen ...
Eine Mutter, unübersehbar an großem Übergewicht leidend (oder auch nicht ...), wirft in der Sprechstunde einer Lehrkraft vor, sie wäre schuld, dass ihr Kind (ebenfalls mit Wohlstandsbauch) daheim so viel fernsieht und dabei immer jede Menge ungesundes Zeugs wie Knappergebäck, Chips, Süßigkeiten und Cola konsumiert.
Es stimmt schon: Die Mutter sollte ausziehen aus dieser Wohnung und die Lehrkraft dafür hinein. Problem ist nur: Wer wollte hier tauschen und diese verkorkste Erziehung kompensieren, von anderen Umständen einmal abgesehen ...
Aber es muß ja nicht immer so direkt sein. (Wahrscheinlich empfinden es die Betroffenen gar nicht so ‘direkt’, sondern für viele ist es eine schlichte Selbstverständlichkeit, dass andere für ihr Wohlergehen zuständig zu sein haben.)
“Die Göttin der Dummheit, deren Eigenlob Erasmus von Rotterdam lauschte, verpaßt den Menschen Eselsohren und den Hang zur Selbsttäuschung, um ihnen das Leben zu versüßen. Mag sein, dass sie ihre Wirkung ein wenig überschätzt; denn nicht alle Menschen verdanken ihr Glück dieser Eigenschaft. Aber sie hat ja in ihrem Füllhorn (...) noch weitere Gaben, nämlich Sinnsysteme der Dummheit, die nicht unbedingt für das ganze Leben gedacht sind und die auch Gescheite zu schätzen vermögen.” (vgl. Martin Doehlemann, “Dumme Sinnsysteme. Ausflucht und Zuflucht.” in: Wertheimer / Zima (Hg.), “Strategien der Verdummung. Infantilisierung in der Fun - Gesellschaft”, becksche reihe 3.Aufl. 2001, S. 45)
Jene sogenannten ‘Dummen Sinnsysteme’ entlasten von Komplexitätsdruck und Rationalitätsdruck, erlauben eine Art von ‘Denkferien’; die beinahe unüberschaubare Vielfalt der Lebensarten und das Anhäufen von Information in nie gekanntem Ausmaß, führen vielfach dazu, auf kritische Urteilskraft zu verzichten und einer Art von Beliebigkeitstoleranz zu huldigen. Eine typische Verhaltensweise im Postmodernismus, in der auch eine Art von Überinformation als Wissen ausgegeben wird. Vielleicht rührt daher auch die gegenwärtige Beliebtheit vieler Quiz-Shows (natürlich neben dem Gedanken auf einfache und schnelle Art etwas reicher zu werden).
Es ist nicht auszuschließen, dass die den oben angeführten (ausgewählten) Denkweisen eine eigene ‘Rationalität’ zugrunde liegt, die ein wirkliches Reflektieren dieser Einfalt und Dummheit durch ihre Träger und Übermittler überhaupt nicht mehr zuläßt. Es hilft da auch nichts, sich eines unangemessenen Verständnisses für jenen Personenkreis zu befleißigen, das vielleicht deren Hingabe an entproblematisierende Medienereignisse (Sport, Selbstschau und Selbstdarstellungen, Suggerieren von Nähe bei faktischer Distanz, Unterhaltungsindustrie mit künstlich aufgebauschten Ersatzobjekten, etc.) oder einen Einheitsbrei von Gefühlszirkus (Esoterik, Soaps, melodramatische Ergüsse, etc.).
Menschen, die für solche Dummheitsgebilde anfällig sind (in dem Sinne, dass sie daraus für ihr eigenes Leben wesentliche Substanz ziehen können und müssen), die also - aus welchen Gründen auch immer - mittlerweile darauf angewiesen sind, können auch kaum die Klugheit einer differenzierten Betrachtung von Sachverhalten aufbringen. Es wäre nun für die von solchem Personenkreis Betroffenen falsch, über das (psychologische und soziologische) Erklärungsniveau hinaus ein Verständnisniveau zu entfalten, womöglich noch unter Aufopferung von Teilen des eigenen Zeitbudgets. Erklären ja, akzeptieren nein - so muß die Devise im Umgang mit Einfaltspinseln lauten.
Daraus folgert jedoch, dass man mit der Partizipationseinräumung dieses Personenkreis sehr, sehr vorsichtig umgehen muß. Sie würden kaum einen Beitrag zur Problemlösung leisten können, sie würden kaum auch nur irgendeinen Fortschritt bewirken helfen; sie würden jedoch die ohnehin bereits gegebene Arbeitsbelastung (letztlich durch ihr kontraproduktives Erziehungsverhalten haben sie ja zu dieser Belastung schon viel mit beigetragen ...) nur verschlimmern.
Kritisch gilt es auch zu fragen, ob schlechte oder falsch gehandhabte Evaluationsvorhaben Teile solcher “dummen Sinnsysteme” sein können; dabei soll hier nicht die aus diesen “dummen Sinnsystemen” eventuell partiell und zeitlich begrenzt Erleichterung (oder Bequemlichkeit) liefernde Resultante betrachtet werden (eine solche könnte sein, dass sogenannte Teammitgliedern sich - wohl wissend um die Sinnlosigkeit ihres Tuns - hinter der Arbeit der anderen verstecken, um sich so unter dem Deckmäntelchen der Kollegen einen schlauen Lenz zu machen ...) betrachtet werden.
Nein, wir wollen den positiven Weg beschreiten und fragen, ob die intendierten Evaluationsvorhaben aufgrund ihrer Implementation bereits Bedingungen schaffen, damit die Möglichkeit einer Verbesserung der Erziehungsarbeit gegeben ist oder ob sie durch ihre strukturellen Ausprägungen bereits Faktoren beinhalten, die zu mehr Arbeitsbelastung führt, die in keinem vernünftigen Verhältnis zur geäußerten Absicht einer Verbesserung der Verhältnisse steht.
Arbeitsbelastung: zusätzliche Arbeitserschwernisse durch fragwürdige Evaluationsvorhaben?
Wie bekannt tauchen die Evaluationsideen gerade zu einem Zeitpunkt der Implementation zusätzlicher Belastung der Lehrerarbeitstätigkeitsgestaltung durch administrative und politische Instanzen verstärkt auf.
Dabei sollte man es sich nicht zu einfach machen, und die dagegen laufenden Proteste teils als Kampf um ‘Besitzstandswahrung’ diskreditieren; vielmehr sollte man davon ausgehen, dass all die Maßnahmen, die einst eingeführt wurden um der Lehrergesundheit - und damit ihrer Fähigkeit sich mit vollen Kräften in den Dienst einer guten Sache stellen zu können - eine sinnvolle Hilfe zu sein, im vollen Bewusstsein nach gründlicher Erforschung etwaiger Notwendigkeit seinerzeit erfolgt sind. Den dafür zuständigen und verantwortlichen Stellen dürfte auch nicht entgangen sein, dass seither die Bedingungen der Lehrerarbeit an Schulen schwieriger und belastender geworden sind. Damit entfällt als Rechtfertigungsgrund ein Argument, das etwa lauten könnte: Die verbesserten Arbeitsbedingungen ermöglichen nun eine größere Inanspruchnahme der Lehrerarbeitskraft. Genau das Gegenteil ist der Fall! Schwierigere Schüler, vor allem in zunehmender Quantität schwierigere Eltern, schlechtere Bedingungen an den Arbeitsplätzen, geringere gesellschaftliche Anerkennung der Tätigkeit (entgegen den groß tönenden Lobeshymnen, mittlerweile aus der Not vor allem politischer und wirtschaftlicher Seite geboren, spricht die gesellschaftliche Alltagspraxis vor allem in ihrer Ausprägung des tatsächlichen Umgangs mit Lehrern eine andere, sehr deutliche Sprache ...), kaum ernst zu nehmende Versuche der Auflösung gesellschaftlich-immanenter Widersprüche bei ihrer Affinität zum Erziehungsgeschehen (Antagonistische Zielvorstellungen zum Beispiel) und viele andere Faktoren verbieten bei ehrlicher Betrachtung eigentlich diese aufgezwungenen Mehrbelastungen.
Nun fehlen natürlich nicht mehr oder weniger komische Versuche die zusätzlichen Belastungen als Fortschritt und Verbesserung der Lehrerarbeitsbedingungen zu verkaufen. Wer mitten im Geschehen ist, der weiß ohnehin, was von dieser tollpatschigen Verbalakrobatik zu halten ist, wer die Materie nicht so genau kennt, mag sich davon vielleicht leichter täuschen lassen.
In einer Zeit, wo Firmen wie zum Beispiel die SKYTEC AG in Oberhaching und Stuttgart bei den mittelständischen Unternehmen einen ersten Platz in der Unternehmensbewertung für ihr Personalmanagement erhalten, weil sie den Mitarbeitern Vertrauen entgegenbringen und auf eine sowohl überholte als auch kontraproduktive Gängelung der Mitarbeiter verzichten, scheinen große Teile des öffentlichen Dienstes genau den umgekehrten Weg einzuschlagen.
Die Studie wurde vom Forschungsinstitut psychonomics AG in Köln durchgeführt; es wurden 26000 Fragebögen verschickt und bis zu 250 zufällig ausgewählte Bewerber pro Firma konnten ihre Stellungnahmen abgeben. Mittelpunkt der Befragung war: Wie glaubwürdig ist das Management aus der Sicht der Betroffenen, wie fair und respektvoll geht es mit der Belegschaft um, und wie indentifiziert sich der einzelne Mitarbeiter mit dem ‘Team’ und dem Unternehmen? Das Ergebnis brachte 50 Top-Arbeitgeber in Deutschland hervor, die sich damit automatisch für den Europäische - Union -Wettbewerb der 100 attraktivsten Arbeitgeber in Europa qualifiziert haben. (vgl. auch: Capital vom 21. 01. 2003)
Es ist schon lesenswert, was zu positiver Bewertung durch die Belegschaft verholfen hat. So zeichnet den Sieger bei den Großunternehmen, die Microsoft Deutschland, aus, dass die kompetente Steuerung des Unternehmens auf ein hohes Maß an Eigenverantwortung setzt und sich durch eine wenig hierarchisch und sehr offen geführte Unternehmenskultur darstellt. “Bei uns wird von jedem Mitarbeiter unternehmerisches Denken und Handeln verlangt und gefördert.” (Jürgen Gallmann, Chef Microsoft Deutschland).
Der Sieger bei den Mittelständlern, die oben bereits erwähnte SKYTEC AG erhält folgende Attribute: uneingeschränktes Vertrauen des Managements gegenüber den Mitarbeitern, Arbeitsabläufe ohne ständige Kontrolle, rotierende Arbeitsplätze und temporärer Wechsel zwischen den einzelnen Gruppen und teilweise Erledigung der Arbeit von häuslichem Arbeitsplatz aus unter der Vorgabe eines Fertigstellungstermins. Thomas Geyer und Christian Veitl (die beiden Vorstände des IT-Beratungshauses): “Bei uns ist jeder Berater im Projekt vor Ort auch für Vertriebs-, Personal- und Controllingfragen verantwortlich.”
Unstrittig: Beide Sieger (übrigens auch die aus anderen Kohorten) zeichnet eine Abwesenheit von Gängelei, von Besserwisserei, von Allmachtsansprüchen aus und dies gleichzeitig verbunden mit einem großen Vertrauen in die Kompetenz, Leistungsbereitschaft und Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter. Natürlich leisten die genannten Organisationen zur Unterstützung dieses Potentials jegliche Unterstützung, so dass den Erfordernissen des jeweiligen Betriebsziels bestens entsprochen werden kann.
Man darf vor diesem Hintergrund ruhig einmal die kritische Frage stellen, ob die politischen und administrativen Vorgaben für die Lehrerarbeit auch nur annähernd derart konzeptionell qualifizierbar sind. Welchen Platz hätte der Arbeitgeber des Betriebs Schule, die bayerischen Schulen - und auch die anderswo -im gewogenen Durchschnitt gewichtet, wohl in einer derartigen Ranglisten eingenommen? Viel Phantasie bedarf es nicht, hier einen Platz auf den hintersten Rängen zu vermuten ...
Nachdem sich die Verantwortlichen des Bildungswesen nun auch der Terminologie aus der Wirtschaftswelt bedienen, daraus Effizienzkriterien übernehmen und daran angelehnte Verfahren einführen (wollen), müssen sie sich auch mit jenen selbst bewerten und messen lassen. Jedenfalls ist eine faktische Geringschätzung der Arbeitsgestaltungskompetenz von Mitarbeitern keinem Unternehmensziel dienlich; und je differenzierter das jeweilige Produkt zu betrachten ist, desto kontraproduktiver wirken Gängelei und Augenwischerei. Und das ist auch gesamtgesellschaftlich sehr bedenklich: “Immer mehr Fremdbestimmung schwächt auch das Selbstvertrauen, deshalb wird der Bürger ein verletzlicher und argwöhnischer Partner für die Politik.” So legt es die Unternehmensberaterin Gertrud Höhler in ihrem Buch “Warum Vertrauen siegt” (Econ 2003, Seite 114) sehr plausibel dar. Und weiter ist ihr zuzustimmen wenn sie schreibt: “Die Selbstblockade der großen Demokratien und ihrer Bündnisse hat mit diesen Verwechslungen zu tun: Taktik statt Strategie, Kalkül statt Vertrauen, Geringschätzung der Menschen als Führungsprinzip führt zur falschen Wahl bei den Führungsmethoden: Deals von Fall zu Fall kosten Vertrauen, weil die klare Linie fehlt.” (ebd. S. 256) Und gerade bei Lehrkräften, die eigentlich die Werte vertreten und vorleben sollen, die das Fundament des pluralen, demokratischen Zusammenlebens bilden (müssen), dürfte es fatal sein, wenn ihnen immer mehr Gründe zum Zweifeln geliefert werden. Weniger politisch orientiert, aber deswegen nicht minder relevant, hat die Bedeutung einer von Vertrauen getragenen Menschenführung John Selby in seinem Werk “Arbeiten ohne auszubrennen” (dtv 2004, Seite 58) formuliert: “Ein Unternehmen, in dem aufrichtiges Vertrauen und Ehrlichkeit herrschen und das eher von Zusammenarbeit und Konkurrenz geprägt ist, wird mehr Erfolg haben als eine Firma, in der überwiegend auf der Grundlage von Misstrauen, verzerrter Realitätswahrnehmung und Konkurrenzdenken gearbeitet wird. Und es gibt überhaupt keine nachvollziehbare Argumentationsfigur, die eine Anwendung dieser Überlegungen auf den “Betrieb Schule und Bildung” verbieten könnte.
Sich wehren aber wie?
Die “Aktion Rotstift” des BLLV in Bayern ...
Vorab: Ich gehöre dem BLLV nicht an. Aber er ist eine, wenn nicht gar die maßgebliche Interessenvertretung für Lehrkräfte (vornehmlich Volksschullehrkräfte) in Bayern. Deshalb halte ich die Maßnahmen des doch recht einflußreichen Verbandes für erwähnens- und untersuchenswert.
In diesem Zusammenhang möchte ich eine persönliche Darstellung machen, damit meine Nichtmitgliedschaft für einen Verband, der für Lehrkräfte in der Vergangenheit schon einiges erwirkt hat und auch auf (bayerischer) politischer Seite immer wieder gebührendes Gehör findet, plausibel gemacht werden kann; auch geschieht dies aus Gründen ideologiekritischer Seriosität.
In einem Arbeitszeitverfahren bei angestellten Lehrkräften (es ging um den bayerischen Sonderweg der Fachlehrer für Englisch an Volksschulen, die ausschließlich im Angestelltenverhältnis beschäftigt wurden und werden) wurde mir vom BLLV beschieden, dass die Verfolgung des Anliegens (Verweigerung einer einseitig ausgesprochen Arbeitszeiterhöhung durch den Freistaat) aussichtslos und auch nicht angemessen wäre. Ich hatte damals nicht den Eindruck, dass der Verband sich dieser Interessen einer Minderheit in der breiter gefächerten Minderheit annehmen wollte oder konnte und schob eine eigentlich intendierte Mitgliedschaft (die Antragstellung hatte ich immer wieder hinausgezögert, nicht zuletzt weil einmal eine BLLV-Delegation eine ‘Bildungsbesichtungstour’ nach Fernost unternommen hatte und ich erst einmal die Legitimition dieser Reise gegenüber den Mitgliedern geklärt wissen wollte) bis heute hinaus. Übrigens: Die Rechtsklärung verfolgte ich - entgegen dem Rat vieler - dann auf eigene Faust und der Richter entschied zu meinen Gunsten. Da von diesem Urteil auch andere Nutznießer hätten sein können, schickte ich die Unterlagen an den BLLV, um das Ergebnis in der Verbandszeitschrift anderen Betroffenen mitteilen zu können. Einen kleinen Seitenhieb auf den Verband, der “eigentlich diese Interessen hätte wahrnehmen” sollen und müssen, habe ich mir dabei nicht verkneifen können. Ich jedenfalls habe im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Urteil keine entsprechende Information im Publikationsorgan finden können. Soweit meine rein persönlichen Erfahrungen, die bekanntlich stets auch handlungsleitend bei (nach-)denkenden Menschen sein sollten und wohl auch sind. Dessen ungeachtet weiß ich im die Verbandsarbeit grundsätzlich zu schätzen.
In einem Schreiben an “die Damen und Herren Schulvertrauenspersonen des BLLV” vom 28. Januar 2004 weist der Vorsitzende des Verbandes, Albin Dannhäuser, auf die enormen Rückmeldungen anläßlich eines Schreibens vom November 2003 zur “rigorosen Sparpolitik” hin, und stellt fest: “In der Tat ist es angesichts der hohen Arbeitsbelastung unerträglich, wenn die Unterrichtspflichtzeit innerhalb von zehn Jahren zum dritten Mal erhöht werden soll. Um unseren Protest und auch unsere tiefe Enttäuschung über diese Zumutung zum Ausdruck zu bringen und um unsere Gesundheit zu schützen, haben wir zur AKTION ROTSTIFT: “Mehr geht nicht! Wir wehren uns!” aufgerufen. Im Rahmen dieser Aktionen ist eine Protestwoche in der Zeit vom 9. - 13. Februar 2004 vorgesehen.
Herr Dannhäuser stellt fest, dass Lehrer sich genau an das halten sollen, was der bayerische Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung festgelegt hat: “Maßstab für staatliche Betätigung wird künftig nicht mehr die Nützlichkeit und Wünschbarkeit sein, sondern die strikte Notwendigkeit und Unerlässlichkeit. Viele Dinge, die früher sinnvoll und wünschenswert waren, können wir uns nicht mehr leisten.”
Im Anschluss an dieses Denken fordert der BLLV-Vorsitzende, mit der Aktion Rotstift sollten die Lehrerkollegien “gemeinsam darüber zu entscheiden, welche der freiwilligen zusätzlichen Angebote in der Schule in Zukunft unterbleiben müssen, wenn die Unterrichtspflichtzeit weiter erhöht würde.”
Als Ziele dieser Aktion Rotstift werden unter anderem genannt:
“1. Wir stellen gegenüber Eltern, Schulträgern, Kommunal- und Landespolitikern sowie der Öffentlichkeit dar, welche pädagogischen Leistungen wir bisher über unsere Kernaufgaben hinaus freiwillig und zusätzlich erbringen.
2. Wir müssen unsere Arbeit auf das ‘Notwendige und Unerlässliche’ reduzieren, wie es der Ministerpräsident für die gesamte öffentliche Verwaltung angekündigt hat und dies den Eltern vermitteln.
3. Wir müssen unsere Gesundheit im Interesse der langfristigen Sicherung der schulischen Bildung erhalten und uns deshalb vor Verschleiß und Überbelastung schützen.”
Erläuternd stellt Albin Dannhäuser fest: “Die Verantwortung für Abstriche in zusätzlichen pädagogischen Angeboten tragen nicht wir Lehrerinnen und Lehrer. Schuld ist eine Politik, die im Gegensatz zu der der meisten anderen Industrienationen nicht erkannt hat, dass Investitionen in die Schule Schlüsselinvestitionen in die Zukunft unserer Gesellschaft sind.”
Es wird in einem ‘Aktionshandbuch’ darauf hingewiesen, dass die Qualität von Schule wesentlich durch diese (freiwilligen) und andere Angebote bestimmt wird. Es wird ferner versichert, dass man diese Angebote eigentlich nicht beschneiden wolle, zumal dies “empfindlich zu Lasten unserer Schülerinnen und Schüler gehen” würde. Aber es werde keine Verantwortung dafür übernommen, wenn “unsere Schulen pädagogisch ausgehöhlt werden.” Vor dem Hintergrund dieser Maßnahmen der Staatsregierung bittet man Eltern und Öffentlichkeit um Unterstützung, damit “unsere Schulen pädagogisch wertvolle Lern- und Lebensräume sind.”
Es wird empfohlen, in Lehrerkonferenzen die angekündigten Maßnahmen zu besprechen; dabei soll dann auch beschlossen werden, welche Angebote künftig nicht mehr an der jeweiligen Schule angeboten werden können. Es soll hierüber eine breite Information erfolgen: vor allem der Eltern, aber auch der politischen Positionsrollenträger und der Administration, Schulverbandsträger eingeschlossen. Übrigens: Eine Lehrerkonferenz MUSS innerhalb von zwei Wochen einberufen werden, wenn ein Viertel des Kollegiums dies beantragt. (vgl. § 44 VSO)
Entsprechende Beschlüsse können laut BLLV auch “Personalversammlungen zum gleichen Thema” herbeiführen; eine Einberufung könne als außerordentliche Personalversammlung (Art. 49, Abs.1 und Art. 49, Abs. 2 BayPVG) erfolgen.
Die Schulleitung ist in vielen Fällen an eine mehrheitliche Entscheidung der Lehrerkonferenz gebunden (vgl. § 42 VSO). Hierunter fallen unter anderen Veranstaltungen der gesamten Schule wie Schulfeste, Tage der offenen Tür, Schulwettbewerbe, Projekttage, Projektwochen, Basare. Dies betrifft auch die affinen Bereiche von allgemeinen pädagogischen Fragen von Unterricht und Erziehung, wie z. B. Fragen der inneren Schulentwicklung, des Schulprofils, gemeinsamer unterrichtlicher Aufgaben, wo sich gegebenenfalls eine für Lehrer entlastende Strategie verfolgen läßt.
Bei Planung von Wanderungen, Schullandheimaufenthalten, Abschlussfahrten und sonstigen Ausflügen sind besonders die gesundheitlichen Aspekte zu beachten; auch kann die einzelne Schule durch sorgfältige Schwerpunktsetzung, was natürlich eine Reduktion gewisser Vorhaben bedeutet, zeigen, dass eine “Stärkung der Entscheidungskompetenz der Einzelschule” sichtbar gemacht wird, die klar ausweist, “dass sie ihren Schwerpunkt in der Sicherung der gesetzlich festgelegten Unterrichtsversorgung setzt.”
Ausdrücklich weist der BLLV auch darauf hin, dass eine vorherige Verzichtserklärung bezüglich Reisekosten einer Lehrkraft nicht abverlangt werden darf; ist die Genehmigung z.B. einer Klassenfahrt an eine solche gekoppelt, kann das Vorhaben entsprechend nicht stattfinden. Den Schülern und Eltern kann dann sehr einfach verdeutlicht werden, dass “die Genehmigung ‘leider’ nicht erteilt wurde.”
Der BLLV leistet auf Blatt 6 seines Aktionshandbuches eine Aufstellung von Dingen, die “ohne (rechtliche, d.V.) Bedenken” reduzieren oder weglassen könne:
- Anschauungs-und Lehrmaterial auf eigene Kosten erstellen und beschaffen
- privates Anschauungsmaterial zur Verfügung stellen
- an Elternstammtischen teilnehmen
- Lesenächte durchführen
- den privaten PKW zu dienstlichen Zwecken verwenden (z.B.: Materialbesorgung, Fahrten zur Kreisbildstelle, Fahrten zu einer weiteren Schule)
- an Fahrten, Schullandheimaufenthalten, Schulskikursen, Abschlussfahrten ohne Erstattung der eigenen Kosten teilnehmen
- eine Schul-Homepage einrichten
- den Klassenraum besonders aufwendig gestalten
- an Fortbildungsmaßnahmen ohne dienstliche Anordnung teilnehmen
- auf eigene Kosten zum Staatlichen Schulamt oder zur Regierung (d.h. ohne Dienstreisegenehmigung fahren)
- das private Telefon für dienstliche Zwecke verwenden
- Geld in jedweder Form verauslagen
- den eigenen PC für dienstliche Zwecke nutzen
- Sammlungen für außerschulische Zwecke durchführen
Auch bezüglich der verpflichtenden Elternsprechstunde und anderen Elternkontakte können Lehrkräfte einen Spielraum durchaus ausschöpfen: Anzahl, Dauer und zeitliche Lage als auch ein Eingehen über das notwendige Maß hinaus lassen sich gewiss den jeweiligen Umständen der Belastung ganz gut anpassen. Vorgeschrieben sind für Fachlehrer ein verpflichtender Sprechtag im Monat, bei anderen Lehrern einer wöchentlich; die Dauer ist ebenso wenig festgelegt wie der inhaltliche Spielraum.
Nochmals: Lohnt die Aufregung?
Das muss freilich jeder (und jede) für sich selbst beantworten. Zugegeben: Ich mag die meisten Schüler und Schülerinnen und wenn man sie täglich erlebt, dann ist es schwer sich zur Durchsetzung der eigenen, sicher berechtigten Interessen in so eine Art Dienst nach Vorschrift zwecks Gesunderhaltung einzulassen. Aber es wird wohl unerlässlich sein, will man weiterhin die Kraft und Zuneigung aufbringen, die den Anvertrauten die tägliche Anwesenheit in der Schule so angenehm wie möglich erfahren läßt. Und man darf nie die Ursache mit der Wirkung verwechseln! Mir gefällt diese Arbeit mit Jugendlichen nach wie vor. Aber kein vernünftiger Arbeitgeber wird auf den Gedanken kommen dürfen, gerade diese ethische und moralische Gebundenheit funktionalisieren zu wollen. Das kann nur schief gehen nach dem sattsam bekannten Motto, wonach der Krug eben nur solange zum Brunnen geht bis er bricht.
Diese ethische und moralische Gebundenheit der Lehrkräfte an die Schülerinteressen hat aber - und das muß fairerweise hier angesprochen werden - auch eine andere Dimension: So wird es immer wieder Lehrkräfte geben, die nach Bewertung ihrer Verhaltensweisen (weniger nach deren Worten ...) eher dem subalternen, ängstlichen Typus angehören und die es entsprechend nie gelernt haben, kritisch mit der Obrigkeit oder mit dem, was dafür gehalten wird, umzugehen. Diese Lehrkräfte haben durch diese Gebundenheit eine schöne Möglichkeit, sich ein ihr Ich nicht gefährdendes Alibi für die kampflose Akzeptanz von aufoktroyierten Ausbeutungsmaßnahmen zu verschaffen. Man kann dann aus seiner Not eine Tugend machen - und trotzdem in den Spiegel sehen. Mein Kommentar hierzu: Arme, arme vergewaltigte Seelen. Aber wenden wir uns lieber wieder jenen konstruktiv-kritischen Kräften im Erziehungskontext zu, die wirklich an einer Verbesserung der Verhältnisse arbeiten wollen und können, dies in der (sicherlich leicht trügerischen) Hoffnung, dass diese immer mehr werden ...
Es ist nämlich und zusätzlich auch die Aufgabe der anderen gesellschaftlich relevanten Kräfte, allen voran die der Eltern, in deren Interesse Lehrkräfte schließlich auch gesund und kraftvoll tätig sein sollen, hier falsche Weichenstellungen zu verhindern beziehungsweise zu korrigieren.
Zur Klarstellung erfolgt deshalb ein Auszug der Sparmaßnahmen der Staatsregierung, wie sie der BLLV auf Seite 4 seines Aktionshandbuches auflistet:
Arbeitszeitverlängerung für alle Beamten auf 42 Stunden, für Lehrer voraussichtlich um zwei Unterrichtsstunden. (Anmerkung: Bedenke die zusätzliche Zeit für Vor- und Nachbereitung!)
Präsenzpflicht für Lehrer/innen an zwei Nachmittagen “im Rahmen der bestehenden Arbeitszeitregelung” (Anmerkung: Beachte die dann fehlende Zeit für häusliche Vorbereitung, die ungünstigen Arbeitsbedingungen an Schulen, den zusätzlichen damit verbundenen Sozialstress, die ungesunde Arbeitsumgebung, die dadurch reduzierte Regenerationsphase mit den gesundheitlichen Risiken und - darauf wird es wohl hinauslaufen: die billige Arbeitskraft zur Beaufsichtigung und Bewahrung von ‘Problemfällen’, seien es Kinder oder Erziehungsberechtigte)
Reduzierung des Gymnasiums auf acht Jahre ab 2004/05 (Anmerkung: Wer wagt da von weniger Stress für alle Beteiligten zu träumen? Wer glaubt, so ‘wertvolle’ Lebenszeit für den Arbeitsmarkt zu ‘sparen’? Wer glaubt, dass die so Belasteten, Schüler und Lehrer gleichermaßen, gesundheitlich unbelastet da herauskommen? Oh simplicitas!)
Externe Evaluation der Schulen (Anmerkung: Nix gegen Evaluation - wenn sie was taugt, wenn sie auf ehrlichem Fundament aufbaut, wenn die zusätzlichen Belastungen dadurch kompensiert werden ...)
Kürzung des Weihnachtsgeldes (Anmerkung: Das stets Gegenstand bei der Bewertung von Arbeistleistung in Lohn- bzw. Gehaltsverhandlungen gewesen ist und längst den Status einer reinen Zusatzgratifikation verloren hatte.)
Streichung des Urlaubsgeldes (Anmerkung: Will ich mir lieber ersparen ...)
Abbau der Altersteilzeit (Anmerkung: Was früher als notwendig gesehen wurde, nämlich diese Entlastung zwecks Gesunderhaltung, trifft heute mehr denn je zu. Jegliche andere Interpretation klingt mir pharisäerhaft. Die in meinen Augen ehrliche Antwort müßte wohl lauten: Wir beuten euch ohne Rücksicht auf die Gesundheit aus, weil wir keine andere Personalpolitik ermöglichen können oder wollen; wenn ihr dabei auf der Strecke bleibt, dann seid ihr eben selbst schuld.)
Streichung der Altersermäßigung (Anmerkung: Siehe vorstehend!)
Kürzung der Besoldungsbezüge (Anmerkung: Recht so - schlechtere Arbeit verdient nichts anderes als weniger Geld ... Wie hat Dürrenmatt einmal so treffend geschrieben: “In Zeiten wie diesen kann man nur noch Komödien schreiben.”
Es gibt Leute, die sollten Vokabeln wie Nachhaltigkeit, Verlässlichkeit, Vertrauen und dieses bekannte dos ut des besser nicht im Munde führen. Wie viele Lehrer haben eigentlich - im Wissen um die Notwendigkeit einer Gesunderhaltung - ihre Berufsbiographie sorgsam geplant und auf jene gebaut, die obiges Vokabular sorglos und unverbindlich (fast wäre man geneigt zu schreiben: schändlich mißbraucht) gebraucht haben? Und wohl sind es oft die gleichen Zeitgenossen, die sich über Burn-out, über Frühpensionierung und über Lehrer, die ihrer Aufgabe irgendwann dann nicht mehr gewachsen sehen, mokieren!
Im Rahmen der Aktion Rotstift stellt der BLLV ein Konzeptpapier für Diskussionen, Konferenzen oder ähnliche Foren zur Verfügung: In jenem werden verschiedene (mögliche) Angebote der Schulen genannt und diese sollten jeweils unter dem Aspekt “beibehalten” oder “einschränken” oder “streichen” gemeinsam analysiert werden. Schauen wir uns diese (sicherlich gut erweiterbare) Liste einmal näher an (Blatt 5 des Aktionshandbuches). Ich habe sie trotz der darin auszuweisenden Redundanz vollständig wiedergegeben, damit die Leser möglichst das Original kennenlernen. Diese Liste sollte jedoch nach eigener Vorstellung und Erfahrung ergänzt werden:
Durchführung von Schulkonzerten
Durchführung von Schulfesten
Durchführung von Abschlussfahrten
Tag der offenen Tür
Teilnahme an Schulwettbewerben
Durchführung von Lesenächten
Durchführung zusätzlicher Wanderungen / Klassenfahrten
Durchführung von Theaterfahrten
Außerunterrichtliche Förderangebote
Einrichtung einer Schulhomepage
Durchführungen von Schulsammlungen
Zusammenarbeit mit örtlichen Einrichtungen
Entwicklung eines Schulprofils
Bereitstellen privaten Anschauungsmaterials
Teilnahme an Elternstammtischen
Erstellung und Beschaffung von Anschauungs- und Lehrmaterial auf eigene Kosten
Verwendung des PKW zu dienstlichen Zwecken (z.B. Materialbesorgung, Fahrten zur Kreisbildstelle, Fahrten zu einer weiteren Schule)
Teilnahme an Fahrten, Schullandheimaufenthalten, Schulskikursen, Abschlussfahrten ohne Erstattung der eigenen Kosten
Aufwendige Gestaltung des Klassenraums
Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen ohne dienstliche Anordnung
Fahrten zum Staatlichen Schulamt oder zur Regierung (d.h. ohne Dienstreisegenehmigung) auf eigene Kosten
Verwendung des privaten Telefons für dienstliche Zwecke
Verauslagung von Geld in jedweder Form
Nutzung des eigenen PC für dienstliche Zwecke
Nun ist es immer recht einfach, abstrakt in der Darstellung und in der Kritik zu bleiben. Deshalb unternehme ich hier den Versuch, (aus rechtlichen Erwägungen nicht vollständig) meine Tätigkeiten, die zwar arbeitsrechtlich nicht verpflichtend, jedoch im Sinne einer möglichst optimalen pädagogischen Arbeit sinnvoll sind, aber die jedoch einer Kompensation zusätzlicher Belastung durch den Arbeitgeber im Sinne einer unverzichtbaren, notwendigen Regenerationsmöglichkeit reduzierbar wären, aufzulisten.
Pflege, Fortentwicklung und ständige Aktualisierung dreier umfangreicher Lernwebseiten
Finanzielle Belastung durch meine Webseiten für die Schüler, für Materialien, etc.
Studium zahlreicher Bücher psychologischen, soziologischen und pädagogischen Inhalts ausschließlich zum Zwecke beruflicher Innovationsfähigkeit
Elterngespräche, die pro Person oft fast eine Stunde dauern, weil die persönliche Problemlage und der soziale Kontext der Betroffenen diesen Aufwand als sinnvoll (und von der Gegenseite erwünscht) erscheinen lassen
Telefonate in der Freizeit im Rahmen schulischer Belange
Erstellung umfangreicher Arbeitsblätter mit ständiger Anpassung an die Sprachkompetenz der jeweiligen Zielgruppe
Zahlreiche Fortbildungsfahrten zur Universitätsbibliothek in Augsburg
Kontakte mit ehemaligen Schülern und Lehrkräften von anderen (weiterführenden) Schulen, um meinen jeweiligen gegenwärtigen Schülern mit aktuellem Stand und aktueller Erkenntnis behilflich sein zu können
Zahlreiche Kontakte mit der Berufswelt in einem weitern Sinn, um den Schülern auch hier mit hoffentlich gutem Rat zur Seite stehen zu können, wenn auch nur als ein ‘Mosaik’ unter vielen auf deren Weg zur Selbstfindung ...
Arbeit und Austausch mit Lehrpersonen, die meinem Arbeitstempo, meiner Arbeitstechnik und meiner umfangreichen jung gebliebenen geistigen Neugier entsprechen, dies verbunden mit dem für das Lernen notwendigen emotionalen Klima und einem dazu passenden räumlichen Ambiente - wohlgemerkt dies alles in meiner Freizeit
Umfangreiche Korrektur von zusätzlichen Schülerleistungen, die jene freiwillig mit der Bitte um eine Überprüfung erbringen - wohl in der Hoffnung durch meine Hinweise Fortschritte zu machen
Ständige Aktualisierung meiner Computerkenntnisse, besonders auch um sie in den Dienst der Schule stellen zu können
Partnerschaftliche Wartung des Schulservers
Legitimieren des Schulhandelns und Versuch, das Schulimage in der Öffentlichkeit in zahlreichen Gesprächen den Erfordernissen der Realität und den Anforderungen einer sich modern nennenden Zeit anzupassen
Hilfe an Eltern und Schülern in einer großen Bandbreite von Problemfragen, verbunden mit umfangreicher Bibliotheks- und Internetarbeit
Ständiges Bemühen als Englischlehrer sprachlich auf einem hohen und aktuellen Niveau zu bleiben; hierzu gehören viele Tätigkeiten, die ausschließlich im Dienste der Sprachpflege und einer weiteren Erhöhung von Sprachkompetenz stehen
Erstellen von zahlreichen Materialien
Es fänden sich noch einige andere dieser Zusatzleistungen, auf die ich jedoch aus gutem Grunde an dieser Stelle nicht eingehen möchte. Wer die obige Liste aufmerksam gelesen hat, und wer gleichzeitig eine Fähigkeit zu aktiver sowie ereignisreicher, gehaltvoller Lebens- und vor allem auch Freizeitgestaltung kennt, der wird schnell erkannt haben, dass es “bessere” (aus egozentrischer Sicht gesehen) Möglichkeiten des Zeitvertreibes gäbe. In klareren Worten: Ich mache das oben Genannte nicht aus Langeweile, aus dem Motiv des Zeitkillens, also weil mir nichts Besseres einfällt, auch nicht weil ich vielleicht das zu meiner Befriedigung brauche, sondern weil ich ein großes Stück meiner freien Zeit einer Aufgabe widme, die ich bislang eigenverantwortlich - auch in Hinsicht auf die Einteilung meiner Kräfte und des notwendigen Sozialambientes - gestalten konnte, wollte und durfte.
Aber wenn die Zeiten sich ändern, dann ändern wir uns mit ihnen! Ob die Richtung aber dann jene ist, die so manch ein Lichtlein, das nur seinem Leuchter verdankt, dass man es sieht, gewünscht hat, darf füglich bezweifelt werden, wenn man sich an Erfahrungswerten orientiert.
Es sollte nicht übersehen werden, dass auch eine wache Aufmerksamkeit am politischen und gesellschaftlichen Geschehen zur Grundlage des Lehrerdaseins ganz besonders gehört. Den Rahmen hierzu geben neben der ganz ‘normalen’ staatsbürgerlichen Verpflichtung, wie sie einem jeden anstehen sollte, die Forderung nach einem Eintreten für die demokratische Grundordnung, wie sie Menschen im öffentlichen Dienst abgefordert wird. Nun: will man da am Ball bleiben (je politischer die Politiker desto tiefer gehen sie doch oft in die ‘Fußballbildsprache’ ...), dann ist das auch ein gehörig Maß an Zeit. Man könnte auch hier sparen: die tägliche Zeitungslektüre (die ohnehin fast nur Plattheiten und Oberflächlichkeit und politische Ärgernisse und Unausgegorenheiten liefert), die Fernsehinformation (mit all dem, auf das man bei Alternativen - und von denen hätte ich eine Menge im privatistischen Bereich - mehr als gut verzichten könnte), die Teilnahme an organisierten Denkprozessen (die einem meist außer dem Gedanken an Zeitdiebstahl nicht in Erinnerung bleibt) und was es da noch so alles gibt, was weg von einem öffentlichen Bezug hinein in den privaten und abgeschirmten Bereich führen könnte. Die Frage ist nur: Ist dem Staat, ist der Gesellschaft mit einem derartigen Bürgerverhalten wirklich gedient? Will man den alles gewähren lassenden Untertan? Auch hier sollte man ernsthafte Zweifel anmelden, denn was vordergründig bequem wirken mag, könnte irgendwann dem Gemeinwohl schaden. Hat die deutsche Geschichte (auch die jüngere, die der BRD un die der DDR) dafür nicht plastische Beispiele?
Nur die Bereitschaft zur Teilhabe, zur Teilnahme, zum Engagement läßt sich nicht mit Pillen in die Seele und ins Hirn fressen; da sollte man schon eher kluge Geister bemühen ...
Eine kritische Anmerkung zum ‘Kampfkatalog’ des BLLVs scheint mir hier notwendig. Man darf nie vergessen, dass das wichtigste Ziel der Lehrerarbeit die effektive Arbeit mit den Schülern ist - dies in einem umfassenden pädagogischen Sinn verstanden.
Es ist ziemlich einfach, herauszufinden, wie groß die Lust und das Interesse der Schüler z.B. an ‘Tagen der offenen Tür’, ‘Schulfesten’ und ähnlichen Vorhaben tatsächlich ist. Da bedarf es keiner großen zusätzlichen Befriedigung eventuell vorhandener Lust auf Statistiken; nein, es reicht - immer eine halbwegs gegebene Vertrauensbasis zwischen Lehrkräften und Schülern vorausgesetzt - das informelle Gespräch mit der Bereitschaft, sich nicht vorschnell Selbsttäuschungen hinzugeben! Und sehr leicht läßt sich so die Interessenspreu vom Interessenweizen trennen. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich vor dem Hintergrund des gegenwärtigen geschichtlichen Bezuges feststelle: Das Interesse ist weitgehend gering. Es ist also keine Maßnahme “gegen die Schüler”, wenn gewisse Dinge zukünftig im Rahmen einer “Neudefinition der Lehrerarbeit” (um ein Stoibersches Bewertungskriterium aufzugreifen) unterbleiben.
Es ist einfach, wenn man nur sachbezogen kritisch prüfen möchte, sich auf das wirklich Wesentliche und Unverzichtbare zu besinnen. Im Maßnahmenkatalog des BLLV sind auch Dinge enthalten, die ich persönlich als unsinnig ansehe. Unsinnig deshalb, weil sie auch gegen die Lehrkraft selbst gerichtet sind. So nach dem Motto “Es geschieht meiner Mutter ganz recht, wenn ich mir auf den Finger gehauen habe.” Ein Beispiel hierfür wäre der Verzicht auf die Nutzung des eigenen PCs für Vorbereitungszwecke, ein weiteres das Unterlassen (der ohnehin nicht arbeitsaufwendigen, wenn man organisieren und einteilen der eigenen Ressourcen sinnvoll anwenden kann ...) der Klassenzimmerausgestaltung. In einem schön gestalteten Ambiente lernt es sich schöner, vielleicht dient es sogar der Reduktion eventuell vorhandener Sozialspannungen und hilft so letztlich auch der Entlastung der Lehrkraft.
Gleichwohl: Das PC-Argument hat noch einen weiteren Aspekt; steuerrechtlich könnten er und das häusliche Arbeitszimmer in den Augen eines tüchtigen Finanzritters und Paragraphenhengstes zum Zankapfel werden, denn es dürfte bei verordneter Anwesenheitspflicht von zwei Nachmittagen an den zwar ungemütlichen Schulen nicht mehr so einfach sein, plausibel zu machen, dass man fünfzig Prozent der Arbeitszeit im häuslichen Arbeitszimmer verbringt. Diese Denkfigur weiter verfolgt, läßt sich durch den Wegfall der steuerlichen Erleichterungen im Rahmen der Werbungskosten sehr leicht eine weitere tatsächliche Reduzierung der Lohnes bzw. des Gehaltes ausweisen. Ein Ministerpräsident verhilft so dem Kabinett in seiner Gesamtheit (hier also der Finanzminister eingeschlossen) also zu mehrfachen Einnahmen - freilich auf Kosten der von diesen aufgezwungenen (und sachlich nicht sehr klugen) Belastungen betroffenen Bürger und Bürgerinnen.
Es müssen also Maßnahmen getroffen werden, die in ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit greifen, die Politiker den Gedanken an den Wahlbürger auch in einer wahlarmen Zeit spüren lassen, die letztlich den Gedanken auf Verlust bislang fast hundertprozentig abgesicherter Wiederwahlen aufkeimen lassen.
Und diese Maßnahmen müssen so konsequent durchgezogen werden, dass die fehlende Klugheit hinter den verordneten Verpflichtungen offensichtlich wird. Kurz: Es geht um das Aufzeigen und ein deutliches Spüren-lassen der Sachzwänge, die im Erziehungsbereich handlungsleitend sein müssen. Es geht um die richtige Prioritätensetzung. Sollte dabei jemand auf den Gedanken kommen, wir könnten uns es leisten, Bildung und Erziehung (trotz aller Probleme auf dem Arbeitsmarkt, trotz aller Spannungen aus Integrationsdefiziten, trotz aller Erhebungen über delinquentes Verhalten, trotz Fehlens natürlicher Rohstoffe, etc.) als einen gleichberechtigten Faktor und vielen zu betrachten, dann sollte dies klar benannt werden. Dann sollte jedoch auch das Gejammere und Wehklagen über die angeblichen oder tatsächlichen Minderleistungen der Schulen und über das immer brüchiger werdende Gefüge in unserer Gesellschaft unterlassen werden. Und dann sollten diejenigen auch sich hinstellen und hierfür die volle Verantwortung zumindest moralisch übernehmen nach dem Motto: “Unsere Politik hat das so gewollt und wir finden die Ergebnisse hieraus tragbar und wünschenswert.” Dass diese ‘Verantwortung’ leider nicht die Mängel beseitigt, an denen jedoch dann alle zu leiden haben, liegt auf der Hand ...
Über Evaluation, das Sich-wehren und die Frage nach dem Lohn der Aufregung vor dem Hintergrund zusätzlicher Arbeitsbelastungen und Erschwernisse.
Die Frage, ob man sich wehren soll, muß eindeutig bejaht werden. Dies ist man seiner Gesundheit und der abgeforderten Fähigkeit zu vollem erzieherischen Einsatz schuldig. Es geht gar nicht anders, zumindest nicht für jene, die keine Übermenschen sind. Und den Typus des Workaholic wird wohl auch niemand für einem anvertraute junge Menschen wünschen, der um den defizienten Seinsmodus dieser Arbeitswahnsinnigen weiß.
Damit wäre auch schon die Frage nach dem Lohn der Aufregung beantwortet. Ich darf ich vielleicht noch Helmut Qualtinger bemühen, der einmal treffend festgestellt hat: “Wer über gewisse Dinge den Verstand nicht verliert, der hat keinen zu verlieren.” Dies ist natürlich im übertragenen Sinn gemeint. Denn gerade den Verstand brauchen wir besonders gut beim Abwägen und bei unserem Handeln nach dem etwas abgewandelten Motto “Die guten in das Köpfchen, die schlechten ins Mülltöpfchen.” Die guten Maßnahmen sind dann die unverzichtbaren, die auch rechtlich genau fixierbar und nachweisbar sind, als die schlechten definieren wir dann all das, was unserer Gesunderhaltung und eigentlichen Arbeitsaufgabe (zeitlich und der Regeneration entgegen gerichtet) im Wege steht. Wir brauchen diesen qualitativ hochwertigen Verstand aber vor allem auch bei der Auseinandersetzung mit den institutionalisierten Zwängen, seien sie “nur” materieller Art oder aber zweibeinig manifestierbar ...
Wer schon des öfteren als Repräsentant einer Macht (der staatlichen, einer wirtschaftlichen, einer schulischen, einer universitären, etc.) gesehen wurde und als solcher einzutreten hatte, der weiß, wie vielfältig die (subversiven) Handlungsmöglichkeiten von Leuten sein können, die es darauf anlegen, Schwierigkeiten zu bereiten. Und ein Stückchen dieses Erfahrungswissens (Schließlich repräsentieren Lehrkräfte faktisch, vor allem aber auch in den Augen vieler Schüler, DAS SYSTEM und je nach Stellung und Einstellung zu diesem System finden dann entsprechende Taktiken und Strategien statt.) gilt es nun in einer positiven Wendung mit dem Ziel einer Besserung der Erziehungsverhältnisse zu aktivieren. Wohlgemerkt: Man muß aufpassen, dass man sich nicht selbst schadet indem die Grenze zwischen zielgerichtetem Verhalten in Hinblick auf die NOCH MÖGLICHE Optimierung der Unterrichtstätigkeit und Erziehungsarbeit neblig gerät und man seine Kraft unverantwortlich verschwendet durch etwa Sand-ins-Getriebe-streuen. Letzteres kann und darf nicht Sinn der Sache sein.
Bleibt noch der Ausgangspunkt meiner Betrachtung: Die Evaluation. Wie oben schon versichert, halte ich Evaluation, Personalmanagement, Qualitätsmanagement, Supervision und andere Innovation unterstützende Maßnahmen für sinnvoll, ja für unverzichtbar. Unter einer Bedingung: Sie müssen qualitativ dem intendierten Ziel entsprechen (können). Sie müssen stimmig, glaubwürdig und vorbildhaft sein.
Wichtig und ich kann es nicht oft genug betonen: Meine nun folgenden Hinweise auf möglichen Umgang mit Mitgliedern eines Evaluationsteams beziehen sich nur auf solche Leute, deren Kompetenz zu einer sachdienlichen Durchführung von Evaluationen sachlich begründbar angezweifelt werden kann oder muß. Kurz: Wenn ‘Evaluation’ wenig nützt, als Ablenkung von Unterlassungen oder falsche schulpolitische Weichenstellung herhalten soll und Zeit stiehlt statt wirkliche Verbesserung für den schulischen Alltag zu verschaffen.
Handelt es sich dagegen um Menschen, die wertvolle Hilfe leisten können, dann wird jeder Lernwillige und Selbstkritische Mensch diese Möglichkeit dankbar und wohlwollend aufgreifen, um sich selbst ein Stückchen weiter zu bringen. Hierunter fallen vor allem auch jene, deren Verstand längst begriffen hat, dass der Verbesserung schulischen Arbeitens durch sogenannte innere Schulreform und schulinterne Fortbildung sehr enge Grenzen gesetzt sind. Ich bin allerdings hier nicht so optimistisch, sagen zu können, dass dieser Personenkreis bereits die respektable notwendige Größe aufweisen kann; ich fürchte: es handelt sich immer noch um die Minderheit.
Oft genügt schon die Kenntnis der Alltagspraxis von Teammitgliedern, um ein einigermaßen begründetes Urteil über die jeweilige Person abgeben zu können. Eine weiter Möglichkeit zur Erhellung von Kompetenz ist das Abklopfen auf systemimmanente Stimmigkeit (da erweisen sich z.B. viele Politikeraussagen als heiße Luft)
Wie kann man nun mit aufgepfropfter Evaluation umgehen, wenn sie nachweislich mehr Zeit stiehlt als Nutzen stiftet, wenn sie mehr den Aspekt des Lieferns von Alibifunktionen zur Legitimation vieler von oben angeordneten Vorgaben ohne den entsprechenden Praxis- und Basiswert, also ohne den praktischen Nutzen, in einer breiten Wahlöffentlichkeit verrät?
Man geht damit auch nicht anders um als ich es weiter oben bereits skizziert habe. Auch hier hat man es in erster Linie mit Menschen zu tun, vielleicht sogar mit vielen, die sich idealistisch einem in ihren Augen sinnvollen Tun verschrieben haben. Man steht letztlich prinzipiell vor dem gleichen Problem wie bei den Schülern: Darf man als ‘guter’ und ‘netter’ Mensch jemanden als Repräsentanten eines Subsystems behandeln, also von dessen (sofern tatsächlich vorhandener) ‘guter’ und ‘netter’ Seite abstrahieren? Meine Antwort: Man darf nicht nur, man muß sogar. Sofern man überhaupt ein Zeichen setzen möchte (und kann).
Welchen Weg man hier geht, hängt weitgehend vom persönlichen Naturell ab (wenngleich man in gewissen Rahmen hier auch kognitiv verfahren kann, sofern man diesbezüglich lernfähig ist) und von der subjektiven Input-Output Analyse. Da hier von einer enormen Bandbreite von sagen wir einmal von Die-kalte-Schulter-zeigen bis hin zu Ironisch-kritischen Verschleierungsstrategien auszugehen ist, beschränke ich mich auf einige wenige Verfahrensweisen, die ich selbst im Umgang mit mir fragwürdig erscheinenden Entscheidungen bisweilen schon praktiziert habe oder auch nach sorgfältiger Prüfung der Ist-Situation zukünftig gegebenenfalls einsetzen könnte.
Eine gute Methode (wenngleich sehr zeitraubende) ist es, selbst immer auf dem aktuellsten Stand der Informationslage zu sein. Es macht mir Spaß, Leuten die gerne mehr zu sein vorgeben als es ihrem tatsächlichen Wissensstand entspricht, ihre Grenzen aufzuzeigen. Die Methode ist grundsätzlich gemein und sollte nur dann angewendet werden, wenn gewissen Leute dies ‘verdienen’. Sich selbst wertet man damit nicht auf (im Gegenteil, manche liebe Zeitgenossen mögen dieses Verhalten, wenn sie nicht entsprechendes Hintergrundwissen haben, sogar als recht fies empfinden ...), aber das ist ja auch nicht das Ziel. Ziel ist etwas anderes: Diesen ungebetenen ‘Gästen’ die Anwesenheit so unangenehm wie möglich zu machen; ihnen zu zeigen, dass sie entweder mehr ‘bieten’ müssen oder sich besser wieder etwas ‘zurücknehmen’. Bei völliger Inkompetenz (die ja bekanntlich auch nicht so selten ist) kann man solche Leute mit dieser Methode oft erfolgreich vertreiben. Ich stelle mir deren Gefühlslage vor dem Kommen etwas so vor: “Oh Gott, da muß ich heute hin!” - dabei dieser explizite oder implizite Aufruhr des Unbehagens von leichtem oder gar stärkeren Knieschnacklern und/oder Schweißausbrüchen begleitet.
Eine allseits beliebte Frage bei sich vorgesetzt fühlenden Leuten ist die nach ihrer Legitimation, nach ihrer Vorbildung, nach ihrem Erfahrungshintergrund, nach ihrer Arbeitsmethode und anderen einschlägigen Bildungshorizonten. Auch in diesem Kontext ist eigenes Wissen äußerst hilfreich, weil die dann einem kein X für ein U vormachen können; vielmehr fühlen jene sich plötzlich in eine Art Rechtfertigungssituation versetzt, die bei wenig souveränen oder aber schaumschlagenden Personen plötzliche Aktivierung ihres Fluchttendenzenmechanismus aktivieren dürfte. Man vergesse nie: Die befinden sich auf fremden Terrain, es fehlt ihnen ihre gewohnte, Sicherheit spendende Umgebung. So mancher ‘kraftvoller’ Amtsschimmel, der in seinem Büro wie ein früherer Herrscher von Theben wirkt, degeneriert zum hilflosen Pantoffeltierchen sobald ihm der frische Wind der Ungewohntheit entgegen bläst.
Man kann auch schnell wieder zum Schüler werden. Dabei braucht man sich überhaupt nicht genieren, im Gegenteil. Wir kennen doch alle das chinesische Sprichwort, wonach man sobald man auf irgendeinem Gebiet zum Meister geworden ist, auf einem anderen wieder Schüler werden sollte. Ein Leben lang. Also fragt man immer wieder und scheut sich auch nicht, mehrfach etwas nicht sogleich zu verstehen, denn letztlich möchte man kompetent werden und dazu ist ein Abtauchen bis in die tiefsten Gründe unverzichtbar; schließlich ist man wißbegierig und an den Neuerungen gerne aktiv beteiligt. Man wird staunen, wie schnell die so oft gerühmte, gepriesene und - verbal - eingeforderte Teilnahme und reklamierte Teilhabe plötzlich zum Ärgernis mutieren. In acht von zehn Fällen dürfte dies schon der Fall sein. Dabei will man doch nur mithalten können, nicht wahr?
Und wäre da nicht das ewige (hier haben wir’s schon ...) Problem der Zeit. Man findet etwas gerade nicht, muß es umständlich suchen, muß sich um die eigentliche Aufgabe (Unterricht, Schüler) kümmern, muß gerade persönliche Bedürfnisse erledigen, hat eine plötzliche und unaufschiebbare Besprechung wegen eines Problems (die gibt es an der Schule dauernd, sie sind schnell greifbar ...), muß unbedingt ein Arbeitsplatt entwerfen (damit der Unterricht optimiert werden kann).
Der Mensch hat sich um Ehrlichkeit und Stimmigkeit zu bemühen. Also ruhig offen, direkt, unverblümt, in einer adäquaten Sprache verdeutlichen, wenn man von etwas nichts hält, wenn die Überzeugung bezüglich Wert des Unterfangens fehlt. Vielleicht erhält man ja neue Ansichten und damit eine neue Betrachtungsperspektive bei dieser Form der Diskussion. Könnte doch sein? Jedenfalls wenn man stumm und leidend geduldig bleibt, passiert nichts außer Stillstand. Und den will man doch nicht ...
Ich hatte einmal einen Vermieter, der redete mit seiner Frau überhaupt nichts. “So strafe ich sie am meisten,” sagte er mir einmal. Nun, der Menschentyp zum Schweigen bin ich persönlich ja nicht gerade. Aber auch das ließe sich einüben. Man dürfte sich halt nicht schämen, immer wieder zuckende Schultern zu präsentieren, oder aber ein müdes (tonloses, genuscheltes, geröcheltes, aggressiv gesprochenes - um nur ein paar Nuancen anzusprechen ...) “Weiß nicht.” oder “Keine Ahnung.” oder “Kann ich nicht beurteilen.” undsoweiter den ‘Gästen’ zu entbieten. Das sicherlich ebenso wirksame Gegenteil derartigen Verhaltens wäre dann ein gekonntes Volllabern der Evaluationsstrategen. Dem psychisch anfälligen Menschen sei nochmals mahnend in Erinnerung gerufen: Genieren darf man sich dabei nicht! Aber wer seinen eigenen Wert gut kennt, wer ein gesundes Selbstwertgefühl sein eigen nennt, der dürfte dies gleich einem guten Theaterschauspieler handhaben können. Es darf halt nie vergessen werden - und das gilt bei jeglicher Bewertung -, was der gute alte André Gide einmal so treffend gesagt hat: “Es ist egal, was die Leute über uns reden, wichtig ist, wer es sagt.” Dies nun in unseren Schaffenskontext übertragen: Lobt oder kritisiert deine Arbeit ein kompetenter Evaluateur, dann gehe in dich und versuche, daraus zu lernen; widerfährt dir selbiges durch einen ‘Schwatzkopf’ oder ‘Möchtegern-Handwerker’ dann wisse das entsprechend auf den Müllplätzen gehörter Überflüssigkeiten zu entsorgen.
Besonders gerne mögen es die meisten dieser ‘Team-Experten’, wenn man sie auf konkrete Probleme (Schüler X hat zum wiederholten Mal ...) anspricht und um pragmatische Lösungen angeht. Dabei sollte sofort eine stringente Diskussion angestrengt werden; da darf man sich auf keinen Fall scheuen, Allgemeinplätze, untaugliche Wege, fehlende Voraussetzungen zur Durchführung bestimmter vorgeschlagener Lösungsstrategien, Hinweise auf bereits in der Vergangenheit fehlgeschlagene Vorschläge, etc. sofort zu benennen. Wie natürlich im gesamten Evaluationskontext ist auch hier eine direkte, knappe Sprache zu bevorzugen, da so die Möglichkeit einer Rationalisierung des Gesagten (Übrigens eine beliebte Methode vieler Vorgesetzten!) erschwert wird.
Und dann kennen wir das doch aus den unterschiedlichsten Bereichen: Bewirtung für unsere angekündigten ‘Überraschungsgäste’. Da steht dann Kaffee auf dem Tisch; frische Teilchen bester Bäckerskunst, Brötchen (Semmeln) kunstvoll und appetitanregend belegt, warten auf aktive Magensäfte. Man kann gastlich sein. Keine Rede. Wenn es angemessen ist. Aber es geht auch anders. Wenn es angemessen ist. Schulalltag ist diese Auftischung sicherlich nicht. Also bleiben wir ehrlich. Schließlich wollen wir ja das Ambiente nicht verfälscht darstellen. Und vor allem kann es nicht unser Ziel sein (Das ist zu unterrichten und die Schüler zu betreuen!), die Anwesenheit von ungebetenen Gästen verlängern zu helfen. Die sollen ihre Arbeit machen, schnell wieder gehen und sich dann so verköstigen, wie sie es gewohnt sind und wie es ihrem jeweils individuellen Alltag gemäß ist. Nochmals: Jedem und jeder, wie es gebührend ist. Dabei sind wir freilich flexibel und fair. So wie es die Evaluateure schließlich auch sein sollten, nicht wahr? Schließlich wollen wir doch dem menschlichen Dasein entsprechen und nicht unangenehme kognitive Dissonanzen erzeugen, lieber Zeitgenosse! Die Welt in der wir leben, die Luft die wir atmen, die Sinne, die wir reizen, erscheinen uns immer wieder neu und faszinierend. Aber auch hier gilt: Jedem das Seine. Und das wollen wir behutsam pflegen und erhalten und anderen, je nach deren Gusto, nicht in ihrer Eile und Zielverfolgung ein Beinchen stellen sondern sie laufen lassen:
“Der Garten riecht nach Regen, nach nassem Sand und vermodernden Blättern. Ein erster Herbstgeruch. Die Sonne scheint noch zu schwach, um die kalte, feuchte Luft zu durchdringen, die aus dem Gras aufsteigt. Die Geräusche sind gedämpft, doch das emsige Gemurmel des Tages schwillt mehr und mehr an, je weiter die Schatten wandern und je kürzer sie werden, so als würde die Arbeit der Menschen auf den Feldern oder unten in der Stadt von dieser kühlen Luft zehren und ihr nach und nach die jugendliche Frische rauben. Bäume und Blumen brauchen einen halben Tag, um sich ganz zu entfalten. Der Mensch erwacht dagegen in wenigen Sekunden, und die Schönheit des Morgens ist für ihn nichts weiter als ein belebender und doch manchmal bitterer täglicher Trunk. Der Mensch ist nicht dafür geschaffen, das Entstehende bloß zu betrachten, das bald die Luft um ihn herum mit Härte erfüllen wird, sondern er muß jener allmählichen Verfestigung seiner Umgebung vorgreifen, die er täglich mit schweißgetränkter Stirn und feuchten Händen zu überwinden hofft. Später wird ihm der Magen vom Mittagessen schwer werden. Die Beine werden steif und wie gelähmt sein, weil er wieder nicht rechtzeitig die Kraft aufgebracht hat, sich aus seinem Stuhl zu erheben bei diesem ohrenbetäubenden Surren der Fliegen und dem unangenehm sauren Geschmack, wenn der Wein aufstößt. Noch aber fühlt er sich leicht wie die frische Luft, die durch den Hemdenstoff und das Gewebe seines Sakkos hindurch seine Arme, seine Brust und seinen Bauch mit der Kälte klaren Bachwassers umfängt. Beschwingt geht er los, zufrieden, die Kraft spielen zu lassen, die er in sich spürt, unaufhaltsam und klar wie einen Strom.”
(aus: Eric Rohmer, Elisabeth, Rogner & Bernhard 2003, Seite 197 f.)
Wir sehen sie also kommen, lassen sie natürlich herein, hören sie an (soweit man ihnen jeweils zuhören kann) und respektieren sie je nach individueller Entsprechung. Wir werden sie in ihrer Eile und Ungeduld als auch in ihrem Trieb, Werdendem vorauseilen, es überholen zu wollen, nicht hindern, schon gar nicht verbessern wollen. Wir wollen gerade ihnen nicht gleich werden; wir wollen sie als Vorbilder nicht annehmen. Dieser nüchterne, sich längst seiner natürlichen Emotionen entledigt habende Zeitgeistgenosse, kann nicht unser Freund sein. Dazwischen mögen Welten liegen und wo Gräben sind, da sind sie auch zu benennen. Sollten wir letztendlich auch scheitern müssen, dann wenigstens nicht so wie jene, sondern aufrecht und unserem Gewissen und unserem Verstand, unserer Mündigkeit verpflichtet - und nicht jenen vom Zeitgeist und Politgepolter immer wieder auf- und durcheinander gewirbelten dürren Laub der Schwerpunktsetzungen, nicht jener Penetranz, die sich vor allem von einem Substrat genüßlich zu nähren scheint ohne es zu merken: der Heteronomie.
Wir werden unsere Arbeit verrichten, so es unser Ethos und unsere Kräfte abfordern und zulassen und werden dabei nie und nimmer uns des eigenen Verstandes entledigen, wenn es darum geht, auf Fragen Antworten zu finden; selbiges mag für Zumutungen gelten, soll auf die Gestaltungsbereitschaft sozialer Strukturen und der Zuschreibung von Bedeutungen, soweit dies möglich, zutreffen, damit die Kräfte für das Eigentliche nicht versiegen.
Und inmitten dieser bürokratischen Maschinerie sollen Seele, Herz und Lunge genügend Oasen des Durchatmens, des Ausklinkens, der Muse, und vor allem einige Plätzchen für Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit finden. Dessen wollen wir uns selbst versichern; das sind wir uns und den Anforderungen an uns schuldig. Niemand möge uns daran hindern. Keiner sollte sich hier in die Wege stellen. Der Umgang mit den Mächtigen mag schwierig sein, aber er sollte nicht von welcher Furcht auch immer determiniert werden. Da wollen wir doch schon einmal Vorsorge treffen. Aus den vielen Möglichkeiten möge ein jeder und eine jede das für sich Passende heraussuchen.
Eine vielleicht (für mich selbst weniger taugliche) Möglichkeit liefert uns Martin Walser in seinem Roman Finks Krieg , indem ein ‘Selbstentzweiungsgespräch’ beginnt, als der Hauptcharakter des Romans Stefan Fink sich von dem Beamten Fink (also von seinem alter ego) trennt, als jener seinen Krieg gegen die Mächtigen wegen eines empfundenen Unrechts beginnt und ihn während einer Bergwanderung gegen Ende sagen läßt (Suhrkamp 1996):
“Den Mächtigen dies und das vorzuwerfen, das ist der Versuch, sie mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen. Anderen etwas vorzuwerfen, darin sind die Mächtigen unschlagbar. So tun, als wisse man etwas besser als sie, das kann nicht gelingen, denn sie wissen immer alles besser als alle, über die sie mächtig sind. Das ist wirklich so. Sonst wären sie ja nicht mächtig geworden. Das kannst du nachprüfen in jeder Größenordnung, vom Kleinkotz bis zum Großkotz. Eine auf Herrschaft gegründete Welt hat nicht nur oben dran ein paar Mächtige und sonst nur Untertanen. Das, was du, trotz der Warnung deines Leibniz, das System genannt hast, ist vollkommen durchsetzt mit Herrschaft, also mit Machtausübung auf jeder Etage, an jedem noch so geringen Fleck. Einer muß herrschen über den anderen, sonst funktioniert das System nicht. Und an jedem Fleck herrscht einer, der es besser weiß, über einen anderen, der es nicht besser weiß. Die einzige Möglichkeit, die Mächtigen zu besiegen, ist, sie zu loben. Ihr wirksamstes Herrschaftsmittel, der wahre Ausweis ihrer Überlegenheit: sie können nur durch Tadel, Vorwurf und Absprechung kleinmachen, aber dadurch härten sie uns auch, durch und durch. Wenn sie uns aber loben, beherrschen sie uns wirklich. Das Lob ist die Besiegelung des Sieges über den Gelobten. Allerdings müssen wir es ernst meinen mit dem Loben. Jux hilft nichts. Und das heißt: Ich werde die Geschichte des Beamten Fink schreiben als ein Lob der Mächtigen. Alles, was dem Beamten Fink angetan worden ist, ist lobenswert. (...) Ich lobe die Mächtigen, ihrer ist die Erde. Sie tragen sicher schwer genug an ihrer Wichtigkeit und Bedeutung. Wenn ich mir vorstelle, ein Mächtiger schaut morgens in den Spiegel, und dann schaut immer ein Mächtiger zurück! Ich meine diese oft von keiner Musik gemilderte Wucht der Gesichtszüge. Nichts Weiches, Nachlässiges, Lustiges, Belangloses, Verträumtes, Herzliches schaut da zurück, sondern ein Beethoven ohne Musik. Mein lieber Mann, da würde ich doch schon wieder abhauen. Fazit: Ich hielte es nicht aus, ein Mächtiger zu sein. Zu schwach. Zu windig. Zu nichtig. Also kann ich froh sein, dass andere sich finden, die es auf sich nehmen, mächtig zu sein, die es ertragen, mächtig zu sein, die nicht daran verzweifeln, mächtig sein zu müssen. Und die muß man darum loben. (...) Alles utopische Denken und Handeln stammt aus der Erfahrung, dass Menschen nicken lernen können. Und zwar alle. Wo immer bis jetzt Utopisches auf der Erde versucht wurde, war immer das große allgemeine Nicken gefragt. Utopie ist ja immer universell, das heißt: da darf keiner fehlen. Da muß jeder mitnicken. (...) Das schlechthin Lobenswerte an und in seinem Tun: so bewies er, wer in diesem System etwas für sich tun will, der muß etwas gegen einen anderen tun. Für diesen Beitrag zur Systemerkennung verdient er unser Lob.” (S. 303 ff.)
Führungskräfte, die derartige spannungsgeladene Situationen heraufbeschwören ohne eine Möglichkeit zu einer emotional verträglichen und gleichzeitig rationalen Aufarbeitung von Problemlagen einzuräumen, “versäumen es, Beziehungen aufzubauen, die einen aufrichtigen Dialog über die Stärken und Schwächen der Organisation ermöglichen würden. Und sie haben zu wenig Kontakt mit den Mitarbeitern, um die emotionale Realität ihres Arbeitsalltags zu erkennen. Noch schlimmer ist es aber, wenn Unternehmensleiter einen befehlenden und fordernden Stil praktizieren und die Leute davon abhalten, die Wahrheit zu sagen. Sie haben keine Ahnung von der Organisation oder leugnen sie. Während sie vielleicht glauben, dass alles in Ordnung sei, haben sie eine Kultur geschaffen, in der niemand es wagt, ihnen die Wahrheit zu sagen. Und dieses Schweigen hat einen sehr hohen Preis.” (Daniel Goleman, Emotionale Führung, Econ 2002, S. 239; Hervorhebung durch Verfasser)
Dabei wird von Goleman ein weiterer wesentlicher Sachverhalt in diesem Zusammenhang nicht explizit erwähnt: Im Laufe der Zeit werden Wahrnehmung und Kritikfähigkeit von diesen Mitarbeitern durch diesen falschen Führungsstil vielleicht so reduziert, dass sie nicht einmal Mängel ansprechen würden, wenn sie sich trauten - weil sie nämlich nicht mehr in der Lage sind, Mängel als solche zu erkennen. Und dieses Verhalten wird über die vorgegebene Organisationskultur implizit gelernt, eingeübt und dann verfestigt. Man kann es von jedem guten Managerberater lernen, stellvertretend sei hier aus dem Buch “Einfach managen. Klarheit und Verzicht - der Weg zum Wesentlichen” (Ueberreuter 2002) von dem Manager und Berater für Strategie und Organisation Dieter Brandes zitiert: “Jegliche Kontrolle erscheint sinnlos, wenn nicht eine Basis des Vertrauens vorhanden ist.” (S. 148) und der Sinn von notwendigen Zielvereinbarungen ist es, “Freiraum für Mitarbeiter zu schaffen” (S. 150) und immer zu bedenken, “dass Zeit und die Fähigkeit zur Aufmerksamkeit die knappste Ressource ist” und dass deshalb “Schnelligkeit und Einfachheit gefragt” sind. (S. 158)
Wenn man nun - und das sicherlich zurecht - davon ausgehen darf, dass diese allgemeingültigen Unternehmensführungsgrundsätze auch für das ‘Schulmanagement’ des Staates in seiner hierarchischen Gliederung angewendet werden können, dann dürfte die Bilanz in diesem Punkte eher dürftig aussehen. Statt zusätzlicher Zeitverknappung ist zeitliche Entlastung gefragt, um den gegenwärtigen pädagogischen Herausforderungen erziehlich zu begegnen. Dabei ist völlig klar, dass mit Erziehungshandeln der Schulen unter Inanspruchnahme des bestehenden Personals allein (und hierunter zähle ich die von vielen Seiten hochgelobte nachmittägliche Aufbewahrung im schlechtesten und Betreuung im besten Fall NICHT, denn hier handelt es sich um sowohl personell als auch sächlich zusätzlich zu leistende Aufgaben der Öffentlichkeit) die Problemlagen nicht in den Griff zu bekommen sind - egal wie engagiert Lehrkräfte sich hier auch immer bemühen mögen. Es ist also zusätzlicher Input vonnöten; wer das leugnet und mit Symptomkurierversuchen wirklich zu helfen suggeriert, der macht der breiten Öffentlichkeit (und auch hoffentlich sich selber) etwas vor.
Wenn nun UNTAUGLICHE Mittel zusätzliche Belastungen aufbauen, dann ist dem entgegenzuwirken.
Das gilt insbesondere auch für die Evaluation. Ich betone zum wiederholten Male: Dies unter der Voraussetzung, dass sie nichts oder relativ (im Lichte einer Input-Output-Analyse) wenig taugt.
Ansonsten möchte ich es ausdrücklich mit dem renommierten Fredmund Malik halten, der zur Vorsicht bei Standardisierungsverfahren rät und vielmehr die Ansicht vertritt, es gälte herauszufinden, wer in der Organisation welche besonderen Stärken habe, diese unter dem Gesichtspunkt des Individuellen und Spezifischen, um dann so die Erkenntnisse für den Evaluierten als auch für die Organisation einer optimalen Nutzung zu öffnen.
Wer wirklich etwas vorzuzeigen hat, der wird auch wissen wollen, wo er steht, wie seine Arbeit objektivierbar wird. Das scheint mir neben der sicherlich auch notwendigen subjektiven Sichtweise (Stichwort: Selbstvertrauen.) wesentlich. Im Umkehrschluss mag man nun geltend machen, dass jemand, der sich einer GUTEN Evaluation entzieht, vielleicht etwas zu verbergen hat. Trifft dies zu und - jetzt kommt ein meines Erachtens sehr wesentlicher Punkt - hat die Organisation durch Fehler ihrer Führungseliten oder durch falsche politische Entscheidungen hier nichts mit zu verantworten, sprich: ist sie bereit, bei sich mit der Evaluation ebenfalls anzufangen, dann kann man langsam die Frage stellen, ob derartige ‘Ablehner’ in dieser Organisation ihren richtigen Platz gefunden haben. Aber nur dann!
(vgl. hierzu u.a. Fredmund Malik, Führen. Leisten. Leben, Heyne Business 11/2002)
Vor dem Hintergrund derartig gewonnener Erkenntnisse lassen sich dann rationale und effiziente Entscheidungs- und Handlungsabläufe generieren, ohne dass durch Fehleinsätze und Scheinaktivitäten Kraft und Zeit engagierter Mitarbeiter gestohlen wird. Ebenfalls lassen sich so kontraproduktive Teamzusammensetzungen vermeiden, dies wiederum mit positivem Ergebnis für Motivation, Leistung, Innovation und Regeneration.
Der Leser mag sich wundern, wenn ich einer Kultusbürokratie (aber vor allem auch den politischen Trendsettern!) einen Ratschlag aus militärischem Munde ans Herz lege. Aber die Führungsqualitäten eines Colin Powell sind unbestritten und auch im zivilen Sektor weithin anerkennt (wer über den militärischen ‘Bezug’ glaubt, sich mokieren zu müssen, der sollte einmal seiner Bildung nachhelfen und aufspüren, was alles eigentlich aus ursprünglich militärischen Forderungen entstanden dann als ‘Abfallprodukt’ die Zivilgesellschaft überschwemmte; als Beispiel seien genannt: Ökonometrie, Schallplattenaufnahmeverfahren, Bandmaschinen, Computertechnologie usw.) und ansonsten gilt der Spruch “Wo der Mann Recht hat, da hat er recht”: “The people in the field are closest to the problem, closest to the situation, therefore that is where real wisdom is.” (Oren Harari, The leadership secrets of Colin Powell, McGraw-Hill 2002, S. 181) (Kleine Anmerkung: Der philosophisch orientierte deutsche Purist sollte sich nicht an der deutschen Übersetzung des Wortes ‘wisdom’ stören ...)
Und wenn man diese Leute, die ja bekanntlich eine fundierte Ausbildung haben, die immerhin - von einigen ‘Flaschen’ (aber die gibt es ja überall, man möge sich nur in der hohen Politik umsehen, einen Hinweis, den ich von eigenen Beobachtungen abgesehen Olaf Henkel als Teilnehmer einer Talkshow verdanke) einmal abgesehen - eine akademische Ausbildung und eine solide Berufserfahrung haben, all dies verbunden mit hoher Innovationsbereitschaft, mit den notwendigen zusätzlichen materiellen und strukturellen Unterstützungsmaßnahmen begleitet und unterstützt, dann kann man gerade wegen der Nähe zum jeweiligen örtlichen Bezug und zum aktuellen pädagogischen Geschehen wiederum in Anlehnung an Colin Powell folgern: “They can make decisions and take actions that are faster, more informed, more flexible. and better fitted to local conditions. And this means that they’ll make better, smarter, more timely, and more appropriate decisions.” (S. 182)
Damit sind wir wieder bei den Limitationen eventueller (diesmal unterstellt: qualitativ hochkarätiger) Evaluateure, die zudem mit zwei Schlüsselproblemen konfrontiert sind: Einmal werden sie nur in seltenen Glücksfällen aktuelle pädagogische ‘Ad-hoc-Aktivitäten’ erleben und damit die dann gezeigte pädagogische Kompetenz (oder aber auch Inkompetenz), und dann werden sie auch niemals Langzeitkomponenten erzieherischen Arbeitens erfassen (schon gar nicht in einer Haupt- und Realschule, die im Regelfall spätestens im Alter von sechzehn Jahren verlassen werden) und deren erziehlichen ‘Vorausleistungen’ aller Involvierten (also nicht nur der Lehrkräfte sondern auch der Schüler). Damit möchte ich allen Betroffenen mit auf den Weg geben, was die Psychologin und Privatdozentin Heidi Möller als Fazit ihrer Arbeit “Was ist gute Supervision? Grundlagen - Merkmale - Methoden” (Klett-Cotta 2001) - Und das ist zumindest was die soziale und psychische Situation betrifft durchaus auf die mit Evaluation Befassten übertragbar! - als Bedenkenswertes mit auf den Weg gibt:
“Eine ethische Leitlinie tiefenpsychologisch-hermeneutischer Sozialforscher könnte der kategorische Imperativ Kants sein. Der innere Rollentausch als Basishandwerkzeug eines jeden Supervisors kann helfen, die angemessene Balance zwischen einem rein beschreibenden Umgang mit dem Datenmaterial und einer zudringlichen und entblößenden Interpretation zu finden. Meine Gegenübertragungsreaktionen und Differenzierungswünsche gegenüber Kollegen, meine Besserwisserei und meine Angst vor dem Scheitern der Untersuchung bleiben schließlich für den Leser im Dunkeln. Die narzißtische Aufwertung, die es bedeutet, sich an die Experten heranzutrauen, sich mit ihnen gemein zu machen und sogar deren Arbeit einer kritischen Reflexion zu unterziehen, sei deshalb an dieser Stelle nur angedeutet.” (S. 289)
Nun könnte man durchaus unterstellen, dass in jeder der relevanten Schaltstellen immerhin einige Leute mit hohem Sachverstand und mit ebensolchen Engagement ausgestattet wirken. Warum setzen sich jene dann nicht durch - so zumindest der Eindruck nach Analyse der intendierten Maßnahmen? Nun, der Gründe hierfür gibt es zahlreiche. Stellvertretend und längst nicht vollständig sei mir der Hinweis auf Resignation bei immer wieder erlebter Zurückweisung (auch der Stärkste wird müde, wenn er sieht, dass seine mühsam nach oben gerollten ‘Steine’ immer wieder hinunter befördert werden ...), eine langsame Absorption durch die Systemmaschinerie (der ‘Marsch durch die Institutionen macht einsam und ist längst nicht so wirksam wie von ihren Erfindern dereinst sich vorgestellt ...), edel gesprochen: die Einsicht in ‘demokratisch’ verordnete Mehrheitsentscheidungen (Motto: Der Entscheidungsprozess ist überhaupt nicht hierarchisch, sondern völlig demokratisch zustande gekommen und dem hat man sich eben zu beugen ...), Hilflosigkeit (Furcht vor Sanktionen, fehlende Unterstützung, keine Chance auf manifeste intersubjektive Übereinkunft ...), Subalternität (nicht jeder intelligente und hoch engagierte Mensch ist zugleich ein Ritter ohne Furcht und Tadel ...) und schlichte physische und psychische Überlastung durch die täglichen Mühlen im Entscheidungsprozess erlaubt.
Da sich auf dem Erziehungsfeld alle relevanten gesellschaftlichen Kräfte tummeln, da es gleichzeitig so endlos in den Dimensionen ist, da die Ergebnisse in letzter Konsequenz - trotz immer wieder gegenteiliger Beteuerungen - eben nicht so konkret wie gerne gewünscht greifbar sind (es werden schließlich immer nur AUSSCHNITTE von pädagogischen Leistungen erfasst), und vor allem weil ein jeder (und eine jede) glaubt, gerade auf diesem Gebiet sachkundig mitreden zu können (schließlich hat man ja selbst schon Kinder in die Welt gesetzt, war auch auf irgendeiner Schule gewesen und hat obendrein dann noch - günstigsten Fall - Information auf der Basis dieser populärwissenschaftlichen Medienberichterstattung), wird genau dieser Bereich immer wieder Opfer von populistischen Strömungen und Ziel von Ablenkungsmanövern als Ersatz für notwendige, aber in diesen Momenten sehr unerwünschte Auseinandersetzungen auf anderen Gebieten (Wirtschaftsprobleme, Arbeitslosigkeit, Gesundheitspolitik, etc.).
Könnte Populismus auch eine Triebfeder bei der “Neudefinition” der Lehrertätigkeit sein?
Unbestritten ist: Dem Staat fehlt Geld. Warum das so ist und ob Geld in ‘falsche’ Bereiche investiert worden ist, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Der aufmerksame Beobachter der politischen Szenerie weiß ohnehin genügend Beispiele, von den jährlichen Berichten der Rechnungshöfe einmal abgesehen.
Es war auch ‘in’ und modern, zumindest erfolgreich, Lehrer in der Vergangenheit zu desavouieren, zu diskreditieren. Man erinnert sich nur allzu gut an die ‘faulen Säcke’, an ‘Golf und Tennis spielende Freizeitakrobaten’, an ‘Dauerurlauber’, an ‘Halbtagsjobinhaber’ und die vielen anderen unsachlichen Attribuierungen. Eines haben die Urheber (die bekanntlich bei der breiten Masse, die eigentlich ein rein egoistisches Interesse an gutem Image der Lehrer haben müßte - schließlich sollen jene die eigene mehr oder weniger erfolgreiche häusliche Erziehungsarbeit unterstützen oder kompensieren helfen - einen fruchtbaren Boden für ihr hetzerisches Treiben gefunden haben ...) erreicht: Der Lehrerberuf hat faktisch einen niederen Stellenwert erhalten, die Lehrer wurden und sind in ihrem Ruf schwer geschädigt, die Erziehungsarbeit ist auch dadurch erschwert worden und man steht vor einem Trümmerhaufen, den die meisten jedoch nicht den eigentlichen Ursachen zuschreiben wollen.
Bei diesen Kampagnen hat es eine seltene Einheit von Politik, Medien und Öffentlichkeit gegeben; und jetzt klagen nach anfänglichen leisen kritischen Stimmen immer mehr über das Angerichtete (wobei sie selbst freilich keine Schuld dafür übernehmen wollen; auch hier gilt: Schuld sind immer die anderen.) und wundern sich dann über vorgehaltene sektorenhafte Spiegel wie PISA, TIMMS, Iglu-Grundschulstudie (wobei hier schon einige der entsetzten Kritiker ob der für einige Bundesländer günstigeren Ergebnisse schon wieder etwas Morgenluft wittern ...), Gewalt an Schulen, Gewalt gegen Lehrkräft, Burn-out, Demotivation, Überbelastung. Aber auch im jetzt zunehmenden Jammern und Wehklagen über die Misere findet man wieder diese wenig fruchtbringende Allianz. Und sie alle lassen sich vom Wettergockel auf hohem Dache grüßen und vormachen, wie man mit den Winden umzugehen hat ...
Wer nun meint, daraus hätten alle etwas gelernt, der dürfte sich sehr schnell getäuscht sehen. Die angekündigten Maßnahmen der bayerischen Staatsregierung und der anderer Länder (man denke nur einmal auch an das diesbezüglich unselige Berlin und an Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen nicht zu vergessen ...) sprechen eine andere Sprache.
Die Arbeitssituation der Lehrer wird noch schlechter werden, damit die Ergebnisse der Erziehungsarbeit und in der Folge davon der Ruf von Schule und Erziehungshandelnden.
So bleibt der Verdacht, die angekündigten Maßnahmen stellen eine seltsame Mischung aus Hilflosigkeit, einseitiger ‘wissenschaftlicher’ Erbsenpickerei, sicherlich auch aus Einfalt und Wunschdenken (auch ‘Dummheit’ dürfte ihren Anteil in diesem Brei haben, wenngleich das sich für die Masse erst immer in Ergebnissen nachweisen läßt), aus Kurzsichtigkeit und aus POPULISMUS dar. Auch Rechthaberei dürfte ihren gehörigen Stellenwert in diesem Bildungsmenü haben. Guten Appetit!
Es wird immer behauptet und gefordert (und die Präambeln und Erläuterungen von administrativen Gesetzen und Vorgaben sprechen dieselbe Sprache), dass der mündige, sich an den Menschenrechten orientierende, kritische als auch verantwortungsbewußte und verantwortungsbereite und der demokratisch gesinnte sowie kompetente Bürger Ziel von Erziehungshandeln sein muß. Dem ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Wäre dies alles weit verbreiteter, in den Menschen tief verankerter Konsens, dann wäre es in der Wirkung sicherlich neben den eigentlich gewünschten, intendierten Ausprägungen auch populistisch, all die Maßnahmen zu ergreifen, die den vorgegebenen Zielen förderlich sind. Kurz gefaßt: das Optimieren der Bedingungen der Möglichkeiten zur Zielerreichung.
Dies würde zur Zeit jedenfalls noch nicht auf die breite Zustimmung (verbunden mit dem Verzicht auf andere Schwerpunktsetzungen) stoßen, denn es hieße unter anderem, das Bildungswesen mit viel mehr Mitteln auszustatten, mehr Lehrkräfte und anderes pädagogisches Personal einzustellen, die Arbeitszeit der Lehrer zu verringern, die Klassen auf ein optimales Minimum zu verkleinern, die Fortbildungspflicht der Lehrer so zu organisieren dass sie beiden Aspekten gleichermaßen entspricht: Bestandteil bezahlter Arbeitszeit und in einer qualitativen Hochwertigkeit auch für alle beanspruchbar, eine Organisationsstruktur, die es erlaubt und ermöglicht, Entscheidungen des Erziehungshandelns unmittelbar zu treffen sowie in rotierenden Verfahren Lehrern mehr Einblick in die gesellschaftliche (berufliche) Wirklichkeit zu ermöglichen.
Derartige Forderungen sind berechtigt; sie sind jedoch keineswegs in ihrer Wirkung als populistisch zu werten, denn damit erreicht man wohl kaum größeren Beifall.
Hinzu käme, dass der Staat dafür sorgt, dass die von ihm größtenteils mit verursachten Problemlagen (die sich aus Migration, Übersiedlung, Arbeitsgesetzgestaltung, Infrastruktur, etc.) pädagogisch durch entsprechende Einrichtungen aufgefangen werden können. Kompensatorische Erziehung wäre zum Beispiel eine Entlastung für die eigentliche Schularbeit und könnte bei entsprechender Organisationsstruktur eine optimale Integrationsarbeit leisten. Das gleiche gilt für intensive (sicherlich nicht billige) Sprachprogramme, die am Anfang jeglicher Eingliederungsversuche stehen müßten. Das können die Schulen in ihrer heutigen strukturellen Ausrichtung und in ihrer gegenwärtigen personalen Zusammensetzung in der Regel nicht leisten, zumindest nicht flächendeckend. Auf der Strecke bleiben dadurch die jeweiligen Jugendlichen, die dieser Unterstützung dringend bedürfen und die Gesellschaft (das heißt: letztlich wir alle), die mit den sich aus diesen Defiziten ergebenden Auswüchsen zu leben hat. Mit Hochglanzbroschüren allein ist diesem Phänomen jedenfalls nicht beizukommen.
Auch diese Forderung dürfte wenig “populär” sein, weil sie gleichzeitig Einschränkungen in anderen Bereichen bedeutete.
Es ist schon erwähnenswert, dass ausgerechnet in dem Bereich, der wesentlich für die “freie Entfaltung der Persönlichkeit”, die Freiheit in Meinungsfragen, die Entwicklung eines freien, verantwortlichen Geistes, eben für die wesentlichen Grundsätze unserer Verfassung, für die Pflege einer dem Gemeinsinn gegenüber verantwortlichen Autonomie persönlichen Denkens und Handelns verantwortlich ist, nämlich im Bildungswesen, für die dort Agierenden andere Prinzipien gelten sollen:
“Demokratische Schulbehörden sind wenigstens davon überzeugt, dass der richtige Gebrauch des freien Geistes das staatliche Schuldiktat zur Voraussetzung hat. Für sie fallen dann auch politische Macht einerseits und Kompetenz in Geistesdingen andererseits ganz umstandslos zusammen. Der gesellschaftlichen Einrichtung, die über das Gewaltmonopol verfügt, wird zugetraut, dass sie in Geistesdingen irgendwie schon das Richtige tut. Und wenn einmal der Bildungsstand und die ‘Sprachkompetenz’ eines hochrangigen Politikers despektierlich kommentiert werden, so ist damit zugleich ein geistiger Kniefall vor der von solchen ‘Mängeln’ offenbar gänzlich unberührten Macht verbunden, die den Mann auch als obersten Bildungsverweser ausweist. Irgendwie muß sich bei den Bürgern das Urteil festgesetzt haben, dass die Ausübung der politischen Gewalt ganz mit guten Werken für die Bildung ihres Verstandes zusammenfällt - ein Urteil, dass sie übrigens bei fremden Staatsgewalten durchaus zu ‘hinterfragen’ pflegen.
Bemerkenswert ist daran, dass sich solche Urteile halten, obwohl sie regelmäßig durch die Erfahrung widerlegt werden. Für viele Bürger erfüllen sich die persönlichen Erwartungen, die sie an das Schulwesen geknüpft haben, nicht. Von vermehrter Bildung, sprich: verlängertem Schulbesuch haben sie sich eine Verbesserung ihrer Lebenssituation bzw. der ihrer Kinder versprochen. Und regelmäßig müssen sie feststellen, dass diese Rechnung für sie nicht aufgeht. Das allgemeine Lob des Schulwesens und die Beurteilung des Schulresultats für und durch den einzelnen treten auseinander.”
(so hierzu: Freer Huisken, Erziehung im Kapitalismus, vsa 2001, S. 201)
Man darf gespannt sein, wie die politische Seite den Spagat zwischen den letztlich auf das Grundgesetz zurückzuführenden Bildungszielen und die sich daraus ergebenden praktikablen Umsetzungsmöglichkeiten auf der einen Seite und dem Umstand fehlender oder falsch eingesetzter Mittel auf der anderen Seite lösen wird. Man wird sehen, welche Anteile bei dem Hin- und Herschieben der (politisch gesetzten) Gewichte dominieren; es wird entscheidend sein, inwieweit es gelingt, bei der derzeitigen Bewußtseinslage Populismus und Herumkurieren an Symptomen ihren tatsächlichen (= bezüglich Effizienz im pädagogischen Handeln) Platz auf den hinteren Rängen der Werteskale wieder zuzuweisen.
Fest steht jedoch schon jetzt: Mit den Lehrern, mit ihren ‘handwerklichen’ Fertigkeiten und mit ihren ‘demokratischen’ Kompetenzen und den sie als unverzichtbar tragenden Voraussetzungen, vor allem Gesundheit und gesellschaftliche Wertschätzung ihrer Tätigkeit und Notwendigkeit, haben wir DIE sine-qua-non Bedingungen, ohne deren Existenz auch die Schüler auf der Strecke bleiben werden.
Und: die Hoffnung stirbt zuletzt ...
Viertes Motto: Istos tristes et superciliosus alienae vitae censores, suae hostes, publicos
paedagogos assis ne feceris!
(Seneca, Epistulae Morales 123, 11)
Damit der ideologische Charakter von Sprache zum Schluss auch für einige Funktionsträger noch einmal deutlich spürbar werde und damit ‘Auf Wiedersehen’ bis demnächst ...
Haß und Unfähigkeit als Motivation für Problemlösungen?
Nun die große Wende?
Ein Kurzkommentar zur Hauptschule
Eine Dame (in ihren teilweise verbalen Entgleisungen jedoch alles andere als damenhaft ...) glaubte mit einem "Lehrerhaßbuch" ihren wertvollen Beitrag zu schulischen Problemlösungen leisten zu müssen. Darauf werde ich dann weiter unten noch einmal zurückkommen.
Ein Lehrerkollegium hat den Bankrott des Unterrichten-Könnens erklärt. Der Unterrichtsablauf findet nun unter Polizeischutz statt. Ähnliche Verhältnisse soll es auch an anderen Schulen geben. Die Rede ist von den Verhältnissen an einer Berliner Hauptschule, die nun zu großem und plötzlichen Diskussionsbedarf führen. An vorderster Front wieder einmal Teile unserer Politiker, denen diese Problematik recht neu zu sein scheint. Denn warum sonst diese späte Empörung, dieser späte Ruf nach Besserung der Verhältnisse.
Gewiss gibt es jetzt auch die Fingerzeiger, die mit einem Überlegenheitsgebaren nach der “Haltet-den-Dieb-Methode” besserwisserisch oder aber - und damit noch schlimmer - mit Verdrängungselan ihre geistigen Finger auf die Berliner Wunden legen. Etwa nach dem Motto: Bei uns gibt es so etwas nicht.
Die aufmerksame Leserschaft meiner Webseiten konnte schon seit Jahren meine kritischen Mahnungen verfolgen, vor allem auch, was passiert, wenn man auf Lehrer einprügelt und sie zum Sündenbock für gesellschaftliche und familiale Verfehlungen macht und die Schule als reinen Reparaturbetrieb ansieht. Schlechtes Ansehen bedeutet wenig Rückhalt in der Bevölkerung, Abverlangen von nicht leistbaren Kompensationsprozessen führt zu falscher Ursachenbeschreibung und zur erneuten Diffamierung - weil ja, wie bequem, auch dann wieder Versagen der Schule diagnostiziert werden kann und mit dem erneuten Ergebnis des Imageschadens.
In einer Gesellschaft, in der Lehrer zum Spielball von Schülerlaunen, schlechter oder gar falscher Erziehung werden dürfen, in einer Gesellschaft, in der Motivation für Anstrengungen und Leistungsbereitschaft eher untere Stufen auf der subjektiven Bedürfnisskala einnehmen, in einer solchen Gesellschaft kann Schule nicht mehr zufriedenstellend funktionieren.
In einer Klasse genügen bereits ein, zwei, drei Schüler, die im Stören von Unterricht ihren schulischen Lebensinhalt sehen, um das Lernen der Mehrheit der Lernwilligen zu konterkarieren, zu verunmöglichen.
Wenn man jedoch sieht, daß letztlich wirklich wirksame Methoden zur Beseitigung jener Störfelder, seien sie nur pubertär einfältig bedingt oder aber auch von Bösartigkeit, gediehen auf falscher Sozialisation oder / und von einem gehörigen Maß an Dummheit genährt, nicht wirklich zur Verfügung stehen, dann kann man bei einigermaßen realistischer Annäherung an die Problemlage wirklich nicht davon ausgehen, daß mit einigen Euphemismen und Fortbildungsveranstaltungen, die was den time-lag angeht, oft von der Thematik mehr als zwanzig Jahre verschlafen zu haben scheinen und schlicht nur hinterher hinken und damit weiß Gott nicht von großem innovatorischen Erkenntniswert sein können, oder aber mit politischen Beschwichtigungformulierungen oder gar “engergischen” Postulaten, geholfen werden kann.
Es sei unbestritten, daß die Sprachproblematik am Anfang allen pädagogischen Übels stehen kann. Frau Merkel sagt aber sicherlich nichts besonders Neues, wenn sie fordert, daß die Schüler ihre Lehrer verstehen können müssen. Daß man für einen solchen banalen Satz Beifall bekommen kann, spricht schon genug für sich ...
Dann kommen wieder die üblichen und bekannten Ritualhandlungen (die sich in Intervallen, lediglich von der Zielrichtung ihrer Aufhänger in Nuancen unterscheidbar, mit einer gewissen Regelmäßigkeit einstellen), daß diejenigen, welche unsere Normen und Kultur nicht annehmen wollen oder können in ihre Heimat rückzuführen sind.
Einmal davon abgesehen, daß unser Staat mittlerweile selbst jene Normen geschaffen hat, die eine solche Rückführung äußerst schwer, wenn nicht gar unmöglich macht (das Beispiel Mehmet aus München läßt grüßen), wird bei dieser Argumentationslage übersehen, daß es genügend Schüler und Schülerinnen gibt, die den formalen Kriterien des Deutschseins genügen und sich ebenfalls einen Dreck um eigene Leistungsbereitschaft, Akzeptanz sozialer Normen und mitmenschlichen Umgang mit Mitschülern und Lehrer scheren.
Die Antwort muß also lauten: Egal, wer stört, wer Unterricht negativ begleitet, wer andere am Lernen stört, wer soziales Miteinander gefährdet, ja der gehört entsprechend darauf verwiesen, daß auch die Hauptschule nicht eine Verwahranstalt für Versager aus anderen Schulsystemen, für Schulzeitverlängerer, die leider keine Arbeit gefunden haben, die aber gleichwohl das so eigentlich für nützliches Lernen gewonnene Jahr nicht zum Lernen nützen, sondern sich im Unterricht in fortwährenden Störmanövern ergehen, werden darf, aber auch nicht für einen Personenkreis, der schnell noch wenigstens überhaupt irgendeinen Schulabschluß auf “billige Art ohne die notwendige Anstrengungsbereitschaft” einstreichen möchte.
Ansonsten nicht meine Gesinnungsfreunde, was die Rede über die Lehrer angeht, jene Vertreter der Wirtschaft wie Herr Hundt u.a., in diesem Punkt kann man mit ihnen sehr gut übereinstimmen: Es wird zu lange gelernt, es wird strukturell falsch gelernt. Wo der Hauptschüler früher mit 14 oder 15 die Schule verlassen hatte, dann mit etwa 18 seinen Gesellenbrief bereits in der Hand hatte, gibt es heute bei steigender Tendenz Hauptschüler (!) mit 18 Jahren auf der Schulbank, die dann natürlich zusätzliche persönliche Frustrationen ob dieses doch zumindest statistisch recht seltsam anmutenden Lebensweges kompensieren müssen und auch Schwierigkeiten haben, sich sozial angemessen einzufügen. Man stelle sich einmal vor: ein achtzehnjähriger Mann (volljährig!) oder seine weiblicher Konterpart mit gerade erworbenem Hauptschulabschluss, und selbst wenn es die dort auch erwerbbare “mittlere Reife” wäre, bewirbt sich bei einer Firma und verweist auf diese Bildungsbiographie als Zucker für seine potentielle Einstellung! Wie groß da wohl die Chancen sind für eine Einstellung sind?
Es gilt, einen gewissen zeitlichen Lernrahmen einzuhalten, in dem Schüler einigermaßen altersangemessen ihre schulische Laufbahn zu beschreiten haben! Vor allem gilt es: diesen Rahmen auch durchzusetzen.
Wer in dieser Zeit dies nicht schafft und zudem noch die anderen in ihren Lernanstrengungen hindert, der gehört weg aus der Hauptschule und sollte auf den zweiten Bildungsweg verwiesen werden. Dort kann er dann - mit vielleicht altergemäßerem Klientel - zeigen, ob Anstrengungsbereitschaft gegeben ist oder nicht. Für den Fall des dortigen Versagens: Sein Pech! Das mag herzlos klingen, aber er hat dann wenigstens nicht andere am Lernen behindert. Und jede Gesellschaft wird immer wieder mit Aussetzern leben müssen, zu leben haben. Jede.
Was die Hauptschule braucht? Bessere Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte, damit auch für die Schüler, durch sinnvolle Sanktionsmaßnahmen (Was ist denn damit geholfen, wenn Schüler von einer Schule an eine andere versetzt werden? Störenfriede finden oder erschaffen sich schnell wieder ihr genehmes Störungsumfeld! Übrigens findet so des öfteren dann ein Austausch der seltsamen Art statt: Ich nehme dir deinen Störenfried und du kriegst dann einen von mir. Die Belastung der Lehrer wird dadurch nicht gemindert ...) beziehungsweise durch intensive Begleitinstrumente. Dies hieße jedoch wieder kleinere Klassen, intensivere Betreuung vielfältigster Art (durch Sozialpädagogen, Psychologen) in Kleingruppen, ein Angebotsvielfalt zur Motivationssteigerung (das freilich nolens volens vor allem auch auf den zukünftigen Arbeitsmarkt orientiert sein muß - alibihafte und publikumswirksame Aufführungen mögen die örtliche Presse und unkritische Gemüter bedienen, helfen jedoch dem beruflichen Fortkommen des einzelnen Schülers im Regelfall überhaupt nicht). Die Lehrer müssen so arbeiten dürfen, daß sie in die Lage versetzt werden, den Schülern sowohl menschlich als auch sachlich entsprechen zu können.
Es gilt, ein waches Auge darauf zu werfen, was wirklich der Sache dient und dies zu scheiden von dem, was leider nur irgendwelchen statistischen Zwecken oder aber überflüssigen Legitimationen dient. Wenn eine Schulaufsicht z.B. melden kann, daß an der Schule Y im Halbjahr bereits fünfzehn Konferenzen stattgefunden haben, dann mag das der Befriedigung der “Obrigkeit” dienen (Man kann ja sagen: “Schaut her, was hier alles geschieht!”). Es sagt überhaupt nichts über Qualität, Inhalt, Stringenz aus, schon gar nichts über die Notwendigkeit.
Wenn ein Lehrer, der vor mehr als zwanzig Jahren an der Universität sich intensiv mit Medienpädagogik auseinandergesetzt hat, seitdem dieses Gebiet weiter aufmerksam verfolgt hat, dann plötzlich zu einer Fortbildungsveranstaltung über ein Thema über den Medieneinfluß auf Jugendliche verdonnert wird, dann wirkt das unprofessionell. Vielleicht hätte er in dieser vergeudeten Zeit besser sich seinen Vorbereitungen oder auch nur der Regeneration gewidmet, damit der nächste Schulalltag wieder besser verlaufen kann. Damit bin ich bei meinem alten Vorwurf: Fortbildungen für Lehrer sind nicht individuell ausgerichtet; ich hege den Verdacht, bei vielen muß einfach der Saal gefüllt werden, damit die Referenten nicht vereinsamen und man wieder “Aktion” nach oben melden kann. Eigentlich gehört die Sinnfrage in ihrer Zielgruppenorientierung an den Anfang aller Überlegungen! Eigentlich ... Dies alles scheint mir auch ein großes Mißtrauen gegenüber den Lehrkräften auszudrücken. Ich rede nicht von den paar “schwarzen Schafen”, die es überall, also in allen Berufen, gibt. Aber der “normale” Pädagoge kümmert sich schon sehr gewissenhaft darum, daß er in allen relevanten Informationsfeldern auf aktuellem Stand bleibt. Es wäre - und dies an die Adresse all jener, die glauben, die Schulwirklichkeit zu kennen, aber mangels Masse leider nur in diesem Glauben verharren, ohne dies einzugestehen oder eingestehen zu können - für eine Lehrkraft wirklich peinlich genug, auf die Fragen der Schüler allzu häufig mit “Ich weiß das nicht.”, “Das interessiert mich nicht.” oder ähnlichen Eingeständnissen eigenen Unvermögens reagieren zu müssen. Und welcher Mensch stellt sich schon gerne im Dauerzustand als mehr oder weniger großer ignoranter Trottel dar?
Nein, es ist ein Mißtrauenskultur, die sich eingebürgert hat, gleichsam so, als fürchte man Eigeninitiative und Selbständigkeit. Was wichtig ist: Mehr Mut zum eigenen Handeln, mehr Mut zur Konsequenz, weniger “Gutmenschattitüden” (die letztlich im Ergebnis nicht einmal Schatten ihrer selbst bleiben). Warum ist es eigentlich so schwer, dem anderen - sofern er nicht permanent das Gegenteil beweist - einfach zu unterstellen, er mache seine Aufgabe ordentlich und nach bestem Wissen und Gewissen. Und wenn dann Evaluation als ausschließliches Mittel zur Verbesserung von Kompetenz, dann aber nur von Personen, die hierzu fachlich und menschlich in ihrer Verantwortung geeignet sind, eingesetzt wird, hat sie durchaus ihren Sinn. Daß dies jedoch nicht das Ziel zu sein scheint, zeigen mir jedenfalls die amtlichen Vorgaben, daß Unterrichtskontrollbesuche nicht mehr angesagt werden dürfen; die juristisch “grundsätzlich” mögliche Ausnahme von dieser Generalregelung ist dann jedenfalls mit ausführlicher Begründung als Protokoll festzuhalten.
Es gibt einfach zu viele Widersprüchlichkeiten in diesem System, als daß man sich über die Zunahme von Exzessen (Gewaltvideos, Pornos, Zerstörungswut, Aggression gegenüber Mitschülern und Lehrern) sehr wundern sollte. Wer die Szene wach begleitet hat, der dürfte jetzt auch keinen großen Grund zum Staunen finden ...
Die Abschaffung der Hauptschule wird nun im Kielwasser der Berliner Vorfälle vereinzelt gefordert. Das hat vor fast vierzig Jahren der Pädagogikprofessor Klemm als Notwendigkeit auf Grund der Veränderung der Verhältnisse prognostiziert und implizit auch gefordert. Nur mit der Abschaffung wäre nichts gewonnen, wenn es nicht gelänge, Maßnahmen zu finden, mit unangepaßten Verhaltensweisen effizient umzugehen; damit meine ich, so umzugehen, daß ein produktives Lernklima für alle möglich wird. Ob dies jedoch in einer weniger überschaubaren Einheit mit der Tendenz zur Aufblähung von Schulzentren und ihrer infrastrukturellen Gigantomanie leistbarer wäre, darf zumindest angezweifelt werden.
Aber gleichgültig wie auch immer die Weichen gestellt werden, viel, viel Geld wird der Staat sich das kosten lassen müssen und dann bleibt zu hoffen, daß er unter der gegenwärtigen Negativimagekampagne für diesen Beruf noch die notwendigen aufbruchbereiten Personen findet.
Ich komme zum Schluß: Es gibt “Das Lehrerhasserbuch”. Den Namen der Autorin erspare ich mir an dieser Stelle, Interessierte mögen selbst fündig werden und ihre Recherchen anstellen - sie führen mitten nach Berlin. Die Frau ist alleinerziehend und hat meines Wissen vier Kinder an einer Berliner Schule. Ihr vorgegebenes Ziel war es - so ihre Angaben bzw. die des umtriebigen Verlags -, damit die Diskussion über den desolaten Zustand von Schule anzuregen, um so für die Kinder bessere schulische Verhältnisse zukünftig zu schaffen. Was ich von dieser Art der Auseinandersetzung halte, habe ich in einer E-Mail an die Autorin geschrieben. Diese veröffentliche ich zur Kenntnisnahme auf einer anderen Seite. Nur kurz sei noch angemerkt, für mich spannt sich hier der Bogen von Schröders “faule Säcke” über andere diffamierende Äußerungen von höheren Positionsrolleninhabern hin zu einer doch allzu simplifizierenden, wenn nicht gar unverschämten Betrachtungsweise der Lehrerarbeit. Ist der Dame eigentlich entgangen, was es für Spannungszustände an einigen Berliner Schulen gegeben hat und gibt oder fehlt ihr der distanzierte Zugang zur Ursache- und Wirkungsanalyse? Sollen wir also vom Verlagstitel lernen, daß man mit “Haß” diese Problematik anzugehen hat? “Denk ich an Deutschland in der Nacht ....” (H.Heine)
Anmerkung: Die angesprochene E-Mail findet sich gleich unterhalb der Bilder ...
Hier meine E-Mail an die Autorin des "Lehrerhassbuches":
Sehr geehrte Frau Unverzagt,
leider nur zufällig - und damit etwas verspätet - kam ich beim "Zappen" in diese Sendung und erlebte sie dort nicht gerade als positiv gestimmt wirkende Frau: Sie wirkten eher voller Frust (z.B. hängende Mundwinkel, wenn Sie nicht gerade sprachen) und dann passiert, was in solchen Fällen häufig zur Gefahr gerät: es fällt schwer, vor diesem vorläufigen Urteil (und hoffentlich gerät ein solches nicht allzu schnell zu einem: Vorurteil, das sich dann gar noch zu endgültiger Meinungsbildung verdichtet, dies dergestalt, daß auch neue Informationen keine Korrekturen mehr zulassen) dann noch den notwendigen Ernst für die Auseinandersetzung (man könnte auch: Achtung, Respekt sagen) aufzubringen und dem anderen wenigstens eine gewissen Sachkompetenz zuzubilligen, und sich selbst damit den Wert aufklärerischen Tuns.
Da ich jedoch trotz mehrfach erfolgten Paradigmenwechsel in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen (deren Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit ich hier nicht weiter erörtern möchte) und deren Ausfluß auf gesellschaftliches Leben und die jenes tragende Strukturen immer noch den Wert ideologiekritischer Analyse für notwendig und operabel und äußerst wertvoll erachte, bin ich dieser Gefahr nicht völlig erlegen und habe weiter gesucht, ihre Webseite gefunden und somit zumindest ein paar Incentives zum Innehalten in der Urteilsbildung gefunden.
Ich selbst bin Lehrer, habe viel Erfahrungen mit praktischer Tätigkeit, aber auch mit (wissenschafts-)theoretischer. Wenn Sie Lust haben, können Sie bis Anfang März noch auf meinen Webseiten "www.englisch-hauptschule.de" viele Hinweise über meine Sichtweise der Problematik finden, wenngleich diese Seiten überwiegend Schülern beim Englischlernen helfen sollen. Übrigens: Diese Webseiten habe ich eher wie ein didaktisch orientiertes Lesebuch konzipiert und somit auf den weitverbreiteten Webseitenschnickschnack verzichtet. (Die Seiten werde ich demnächst mit Business English für Schüler ersetzen, um neue Anregungen und Hilfen zu geben ...)
Es ist natürlich vom Marketing verständlich, eine "Haßbuchreihe" herauszugeben; unsere Gesellschaft ist dafür sehr aufnahmebereit, was man vor allem vor dem Hintergrund des gesamten, mehr auf Schau und Sensation als auch auf oberflächlichliche Befriedigung zielenden Programmangebotes feststellen kann. Ob damit dann jedoch dem Ziel, zu verbessern, also Fronten zu klären statt sie zu erhärten, gedient werden kann, kann füglich bezweifelt werden.
Ich jedoch wage es nicht, Sie diesbezüglich stärker zu kritisieren, da ich selbst gerne zu dem Stilmittel der kognitiven Dissonanz greife, eben weil ich weiß, daß oft nur auf diese Weise starre Denkstrukuren aufzubrechen sind. Ehrlicherweise muß ich aber gleichzeitig feststellen, daß gerade im Umgang mit Administration und Kultusbürokratie ich damit eher stets das Gegenteil des Erwünschten - meistens: einer ehrlichen Analyse, was im System nicht stimmt, wo man mit Verbesserungen ansetzen könnte, etc. - erreicht habe: Sie flüchteten sich in Beschwichtigungsformeln, ergossen sich in Euphemismen oder / und verließen leider fast stets die Bahnen rationaler Diskussion. Nur: über diese dann zumeist übrigbleibenden Formen der Diffamierung oder Geringschätzung kommt man der Sache nicht näher.
Stimmiges Verhalten setzt ein stimmiges System voraus. Aber es stimmt leider gerade bei den Eltern in sehr vielen Fällen (auch) nicht mehr: Kompensatorisch sollen die Kinder das leisten, wozu sie selbst nie in der Lage waren (dabei völlig obendrein die anderen Zeitumstände mit ihren zum Teil andersgearteten Herausforderungen an die Jugendlichen verkennend, von der Arbeitsmarktsituation ganz zu schweigen ...), meist ohne auch nur eine geringe Anstrengungsbereitschaft aufzubringen, sich das wenigstens für eine Basisdiskussion notwendige Grundwissen anzueignen, wird geklugscheißert, was das Zeug hält und findet dabei in dieser einfachen Gemüts- und Geistesverfassung sehr leicht Gleichgesinnte (und logischerweise auch: Gleichbetroffene), werden Korinthen und Erbsen gezählt (weil man das ja noch bis zu einem gewissen Grade beherrscht), begibt sich auf einen Jahrmarkt der Unverbindlichkeiten (zu dem man in der ersten Reihe stehend, das aber bitte dann doch noch mit der sicheren "Sozialdistanz" einer eigentlich doch recht subalternen Gesinnung, damit einem ja nicht Übel widerfahre) und redet "gescheit" daher und glaubt mit seiner eigenen meist doch recht dürftigen und kärglichen Schulerfahrung den Erziehungsprozess voll im Griff zu haben und auch erklären zu können.
Viele dieser Pseudogescheiten sind nicht einmal fähig, ihre eigenen Kinder so zu erziehen, daß sie basale Motivation, eine gewisse Anstrengungsbereitschaft, Empathie fürs soziale Leben sowie ein für schulisches Lernen notwendiges Sozialverhalten ausbilden. Die Schule bekommt dann ein Sammelsurium von Verhaltensweisen geliefert, aus dem Lehrer dann ein lernfähiges und lernbereites Ensemble fordern sollen.
Klar daß Kinder aus kaputten Ehen, aus dem Erleben von Unfähigkeit von Partnerschaftsbindungen, aus dem täglichen Leiden am "Sozialstress" nicht zu "pflegeleichten" (Und wer könnte DAS schon wollen?) Zöglingen (um einmal diesen altmodischen Begriff aus der Pädagogik zu bemühen) werden. Aber: Jene unfähigen Eltern sollten gefälligst dann sich lieber um die Reinigung des nahen "Nestes" (sofern überhaupt diese Assoziation angemessen ist) bemühen statt rundschlagmäßig Fremdattribuierungen vorzunehmen.
Zugegeben: Sehr viele Eltern oder Erziehende sind völlig anders als hier von mir beschrieben. Jene meine ich auch nicht mit meiner Kritik! Aber der Anteil jener, die ich oben skizziert habe, hat erheblich zugenommen und macht das schulische Arbeiten ungleich schwerer. Und die Administration steht alledem hilflos oder auch nur untätig gegenüber, bemüht sich um Sonntagsreden und Wählerbefriedung (wobei sie sich hier - zumindest in der Vergangenheit - sehr häufig des Stammtischniveaus zur Befriedigung ebensolcher Gesinnung bedient) und lassen die Lehrer mit ihren Nöten ziemlich alleine. Jedenfalls ist der Time-Lag zwische Erkennen von Problemen (auf der wissenschaftlichen Ebene z.B.) und dem Versuch einer Umsetzung in der Praxis viel größer als es sich eine um das Wohl der Jugendlichen besorgte Gesellschaft leisten darf. Ganz davon abgesehen, daß die Dringlichkeit mancher "Probleme" (z.B. Rechtschreibunterricht, Leseverfahren) und die Geringschätzung oder gar Mißachtung anderer (Es sei hier an Frischs "Biedermann und die Brandstifter" und die beachtliche Verdrängungsleistung erinnert.) auch einer kritischen Analyse bedarf.
Ich habe gehört, es kommt jetzt noch das "Elternhassbuch" in der Reihe ewigen Hassens heraus. Hier blüht der Kapitalismus pur und ich glaube, daß es hier - zumindest faktisch - mehr um Heuchelei wegen Mehrwertschaffens denn um ehrlich bemühte Veränderungsintention geht.
Man sollte weder Lehrer hassen, auch keine Eltern, auch keine Postbedienstete, auch keine Alleinerziehende, auch keine Nurhausfrauen, auch keine Doppelverdiener (auch wenn die Frage nach dem Wohl der Kinder hier vielleicht wie in allen anderen Fällen auch virulent werden sollte), keine Schriftstellerinnen, keine Schriftsteller, nicht einmal Politiker, seien sie auch noch so eindimensional gestrickt. Der psychisch gesunde Mensch haßt nicht. Er hört spätestens bei der Meidung unliebsamer Personen auf.
Einen etwaigen Gegenpol zu Ihren Ausführungen dürften Sie bestimmt kennen: "Abschied von der Spaßpädagogik" von Albert Wunsch. Auch überdenkenswert. Schön sachlich. Nur wenig reißerisch.
Kennen Sie einen der zahlreichen Lehrerromane? Der Witz ist: Vor "ewiger" Zeit schenkte mir ein damaliger Freund, ein Buchhändler, einen Roman mit dem Titel "Winterreise" (Roth), m.E. gut gelungen und ebenso geschrieben. Dies war vor einer meiner damals zahlreichen Italienreisen. Hört, hört: Die Toskanafraktion, höre ich schon wieder die Kritiker. Mitnichten. Nicht ich. Jene mochte und mag ich auch nicht besonders. Dann jahrelang irgendwie Ebbe, bis ich die Klage las (in der FAZ oder war es Die Zeit oder wo auch immer), es gäbe zu wenig "Lehrerromane", also eine Marktlücke. Zunächst dachte ich: Das könnte deine Zeit nun sein (Zumal ich schon so etwas in der Art angefangen hatte zu schreiben.). Sie war es aber nicht, weil ich erziehungswissenschaftliches Aufbaustudium und andere Fortbildungsmaßnahmen vorzog (in der Zeit wo andere am Fußballplatz hocken, oder Saufen gehen, oder Camel-mäßig Urlaub machen, oder einfach - wie sagt man doch so schön heute - FUN leben und machen) und ehe ich mich recht versehen hatte (was eigentlich auch heißt: Nach erfolgreichem Abschluß von - freiwilligen - Fortbildungsmaßnahmen) war ich wieder einmal zu spät dran: Zu Dutzenden kamen sie in die Regale, die Lehrerromane. Ach wie herrlich, vor allem: wie herrlich langweilig, wie aufgesetzt, wie: Mainstreamhörigkeit oder einfach nur Frustrationsbewältigung (wenngleich für die Autoren billiger als ein Psychologe und sogar noch mit - zumindest etwas - Zusatzeinkommen verbunden). Der Gipfel dürfte dann - allerdings nur soweit mir bekannt - Orths "Lehrerzimmer" gewesen sein, wo man schon nicht mehr so genau wußte, lese ich nun ein Buch oder sitze ich vor dem üblichen Fernsehglotzenbrei. Also: Verzichtbar und überflüssig. Aber zum Mitreden gehört nun einmal: Kenntnis und deren Gefolge dann - Erkenntnis.
Ich habe jetzt eigentlich nur ein Problemchen (mein Zimmer ist voll von einschlägiger Literatur, vor allem auch wissenschaftler): Soll ich trotz der reißerischen Aufmachung meinem ideologiekritischen Impetus folgen und Ihr Buch kaufen? Oder wegen? Oder besser nicht? Oder soll ich einfach nur ein, und jetzt wird es fast schon neutestamentlich, ein gutes Werk tun und Ihnen zu ein paar Euro Einkommen verhelfen, selbst auf die Gefahr hin, daß Ihr Büchlein eine einzige den wahren Sachverhalt nicht annähernd treffende Schmähschrift ist? Vielleicht könnte gerade eine solche Denke, wäre sie weit verbreitet, Ihnen die Mittel dann zur Verfügung stellen, die für gründliche Recherche notwendig sind? Wenn dann wieder eine - neue - Schmähschrift generiert wird? Oder gar ein gutes Buch? Oder ist das Haßbuch vielleicht schon gar ein solches? Fragen über Fragen über Fragen.
Jetzt fällt mir ein: Sie könnten jetzt natürlich meinen "Wer so viel Zeit hat, mir eine so lange Mail zu schreiben, der kann nur Lehrer sein, nur die haben soooo viel Zeit für fremdes Tun und vernachlässigen dabei ihre eigentliche Aufgabe!" und ein zusätzliches Haar aus der ohnehin schon so trüben Suppe fischen. Ja, vielleicht sollte man doch statt Schriftsteller (der ich übrigens auch noch bin) oder Kritikerin besser Angler werden. Hoppla, Stichwort: Angler-Latein? Niemals. Das nicht! Aber wenn dann die Fische nicht einmal mehr anbeißen? Ja, was dann? Wie singt Harry Chapin in seinem Road to Kingdom Come so schön: Do just what you do! Und dies geht tiefer als es oberflächlich betrachtet klingen mag. Und so ist es wohl mit (fast) allem ...
Vielleicht höre oder sehe ich wieder einmal von Ihnen; jedenfalls wünsche ich Ihnen - egal, was sie tun, und wenn es nur das Sitzen in einer Talkshow ist - viel, viel Fröhlichkeit und eine lebenserheiternde Gelöstheit. Übrigens: Die Zeit für diese Mail geht nicht von meinem schulischen Engagement ab, das ich bis zum endgültigen Abschied selbstverständlich gewissenhaft - und wohl auch mit dem notwendigen Maß an "Lockerheit" (Ignoranten fangen hier wieder an, ihre stumpfen Messer zu wetzen...) - bewältigen werde. Bewältigung meint auch: Kraft aufbringend, damit Kraft abgebend, somit Kraft schöpfen müssend.
Mit freundlichem Gruß von einem Fachlehrer, der all dies völlig ohne Haß und Geringschätzung in seiner freien Zeit geschrieben hat,
Joachim Buchenau, M.A.
Anmerkung: (24.06.2006)
Auf Bitte von Frau Unverzagt habe ich zugestimmt, meine Zuschrift auf ihren Talkshowauftritt bei Hern Jauch in ihrem neuen Buch veröffentlichen zu dürfen.
Dieses Buch ist mittlerweile erschienen: Elternsprechtag (Knaur Verlag) unter dem Pseudonym Lotte Kühn. Warum wohl "Kühn"? So kühn ist es nun wohl auch wieder nicht, was Frau Unverzagt zum besten gibt ...
Mein Beitrag wurde, entgegen meiner Bitte, daß Kürzungen nur mit meiner Zustimmung bzw. ohne daraus resultierende Verfälschung erfolgen dürfen, so gekürzt, daß Frau Unverzagt nicht in jenem kritischen Kontext erscheint, in den ich sie und ihre Arbeit gestellt hatte.
Des weiteren ist es schon fachlich inkompentent, wenn aus einem psychologischen Fachterminus ("Attribuierung") fälschlicherweise umgewandelt wird in: Attributierung (Finden Sie einmal dieses Wort in einem Wörterbuch ...), wenn der örtliche Kontext völlig geändert und fälschlicherweise dem Land Hessen zugeordnet wird. Jedenfalls stelle ich mir seriöses und gründliches Arbeiten schon anders vor; so erhärtet sich der Verdacht, daß auch die anderen Zuschriften mehr dem Zweck dienen, Frau Unverzagts Schulkritik und Schulfrust auf eine anscheinend breite Basis zu stellen. Jedenfalls ist in diesem neuen Buch keine sie richtig kritisierende Zuschrift veröffentlicht. So kann man das Buch der Frau Unverzagt ("Kühn") als "Treffpunkt" hinsichtlich Schulerfahrungen (seien sie authentisch oder auch nur überakzentuiert interpretiert) ziemlich frustrierter Personen sehen; jedenfalls fehlt eine quantitative (und auch qualitative) Gegenüberstellung zu sicherlich gegebenen positiven Schulerfahrungen anderer Leute! Damit ist also mit Sicherheit ein Zerrbild von Wirklichkeit gegeben..
Erschreckend ist für mich aber vor allem, daß sehr viele Zuschriften Frau Unverzagts Arbeiten als "mutig" etc. bezeichnen. Daraus ziehe ich den Schluß, daß bei sehr vielen Leuten der "Mut" wohl nicht sehr vorhanden ist. Denn erstens ist Frau Unverzagt wahrlich nicht die Speerspitze von Schulkritik (Das können nur jene sehen, die sich niemals richtig und intensiv mit all den kritischen Arbeiten auseinandergesetzt haben, die es schon seit Jahrzehnten diesbezüglich gibt...), sie ist da vielmehr am (gegenwärtigen) Schluß der Kritikerreihe anzusiedeln, und zweitens gibt es in unserem Land wirklich genügend Möglichkeiten, Kritik in (fast) jedweder Form vorzubringen und bei einigem Stehvermögen auch - sofern sie berechtigt ist - in konkretes Handeln, sprich: Beseitigung des Mangels, zu kanalisieren. Fast polemisch möchte ich daran erinnern, daß die Todesstrafe in Deutschland längst abgeschafft ist. Und wer immer nur Furcht (oder gar: Angst) davor hat, es könne "ja Nachteile für ..." bringen, wenn man den Mund aufmacht, dem oder der ist wirklich nicht zu helfen. Die werden wohl weiter nolens volens in ihrem Frust dahin gründeln und ziellos umherkritisieren.
Gut, ich habe das Buch vom Verlag geschenkt bekommen, insofern erübrigt sich für mich die Frage, ob das Buch das Geld wert ist. Wer jedoch gerne einmal so nachlesen möchte, was einzelne Menschen für unverarbeitete Lasten mit sich herum schleppen, der kann darin schon recht gut fündig werden. Und auch darüber, wie sinnlos sie ihre Hoffnungen auf Lösungen an falsche Adressaten richten und heften. Eigene Untätigkeit wird im Leben eigentlich immer irgendwie bestraft ... Vielleicht finden manche Leser auch noch mehr, für sie noch nicht Bekanntes. Mir jedenfalls hat auch diese "unverzagte" Veröffentlichung nichts geistig Bereicherndes geben können ...
Vielleicht noch als Zusatzanmerkung: Aus dem Buch geht hervor, daß Frau Unverzagt und ihre Kinder wegen ihrer Arbeit Bedrohungen und Mobbing ausgesetzt sein sollen. Wenn dem so ist, dann kann ich nur sagen, daß jene wohl (auch) noch nicht begriffen haben, was geistige Auseinandersetzung ist und wie man sie zu führen hat. Laßt die Frau, vor allem auch ihre Kinder in Ruhe und macht sie nicht noch überflüssigerweise zum Heldentum! Und laßt sie Bücher schreiben, so viele sie will; es gibt kein Gesetz, das auch nur irgendjemanden zwingt, diese Veröffentlichungen zu kaufen ...
Merke: Leute ohne entsprechende Qualifikation sollte man nicht so hofieren und sich ihnen andienen, daß jene Kompetenzanmaßung betreiben können. Es muß also gelten: Vor der Teilhabe und Teilnahme muß entsprechender Kompetenzerwerb stehen!
Ist es nicht so, daß unqualifizierte Stellungnahmen allenfalls zur Hypothesenbildung für (z.B. soziologische) Untersuchungen taugen dürfen, daß sie ansonsten eher der Ebene unstrukturierter Nörgeleien zuzuordnen sind, daß sie -- nicht unähnlich der Wirkungsweise eines ekelhaften Furzes in seinem Bezug zur olifaktorischen Wahrnehmung -- im Regelfall leider nur das geistige Klima einer notwendigen Auseinandersetzung verpesten?
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Further questions you should better ask that beautiful griffin (and then go further downward)...
(Potsdam is one of the most beautiful places to be and to look for ...)
Die Förderung der Institution "Familie" scheint nun auch politisch oberste Priorität zu genießen. Was bedeutet dies nun für die gesellschaftliche Wirklichkeit konkret? Welche Form oder Qualität von Familie soll gefördert werden? Diejenige, in der Erziehung in einer verantwortungsvollen Art und Weise als Selbstverständlichkeit gelebt wird (oder in der man sich wenigstens um diese Zielsetzung bemüht), oder aber jene, deren Grundstruktur von Chaotismus, Haltlosigkeit, Gleichgültigkeit, Verantwortungslosigkeit, Hilflosigkeit, ja auch von: mehr oder weniger grenzenloser Dummheit, Ignoranz, Selbstüberschätzung, Rechthaberei -- um nur einige der leidigen konkreten Erscheinungsformen in nicht seltten anzutreffender gesellschaftlicher Positionsbestimmung aufzuzählen -- geprägt ist?
In diesem Zusammenhang lautet die Frage nicht nur: Welche "Produkte" familialen Gestaltungswillens respektive familialer Abstinenz wünscht sich eine moderne, an Demokratie ausgerichtete, auf Eigenverantworung zielende Gesellschaft? Nein, diese Fragestellung gilt es zu erweitern um den Aspekt, welche Ergebnisse von familiarer Gestaltung sich eine solche Gesellschaft überhaupt leisten kann.
Diese Frage erhebt sich allerdings nicht nur vor dem Hintergrund möglicher oder häufig beobachtbarer gar wahrscheinlicher Alimentation durch die Allgemeinheit (z.B. "Karriere im Sozialhilfesystem"), sondern sollte den Aspekt sozialer Teilhabe an gesellschaftlichen (Gestaltungs-)Prozessen berücksichtigen ehe man sich den Auswüchsen unangemessener Unterstützung ohne entsprechende Gegenleistung (sprich: erzieherischen Einsatz und Verantwortung bei der Entwicklung der eigenen oder anvertrauten Kinder) zuwendet.
Ein weiterer wesentlicher Aspekkt dürfte die motivationale Wirkung auf den übrigen Teil der Bevölkerung sein, die bei umso größerer eigener Arbeits- und Einsatzleistung für Staat und Gesellschaft wohl ein entsprechend sinkendes Verständnis für "soziale Hängematten" und mehr oder weniger selbstverschuldeter Not (z.B. bei nicht zeitlich angemessener Betreibung einer eigenen beruflichen Ausbildung, bei Leben von privater Verwirklichungsexzessen auf Kosten einer wenigstens halbwegs linearen vom Wirtschaftsleben akzeptierter bzw. akzeptierbarer Biographie) produzieren könnte. Es ist durchaus nicht abwegig, zu überlegen, inwieweit sich dann jene als (finanziell und immateriell) augebeutet vorkommenden Teile der werktätigen Bevölkerung auf eine Umorientierung besinnen könnten. Dies im Sinne einer Abkehr von bislang gezeigtem engagierten Verhalten bis hin zu einer inneren Emigration oder anderen als utiltaristisch empfundenen resp. gesehenene Möglichkeiten.
Der Hinweis, daß man eben keine entsprechende Arbeitsstelle bekommen könne bzw. konnte und deshalb eben "(beruflich) nichts aus sich machen könne", dürfte in sehr vielen Fällen da wohl viel zu kurz gegriffen sein und den wahren Sachverhalt verschleiern. Ich erspare mir an dieser Stelle die Nennung einiger durchaus nicht unrepräsentativer Fälle, da die Gefahr eines Rückschlusses auf konkrete Personen zu groß wäre; immerhin müßte ich aus dem Kontext meiner Begegnungen berichten und damit wären bereits die Weichen in Richtung "Entblößung" gestellt. Aber die Leser und Leserinnen dürften derartige Fälle zur Genüge selbst im Laufe ihres Lebens kennengelernt haben.
Meine Ausgangsthese lautet also: Negative Erscheinungsformen und die (indirekte) Förderung jener im Erziehungs- und Ausbildungsbereich kann sich unsere Gesellschaft nicht leisten. Auswüchse sind als solche kenntlich zu machen, direkt anzusprechen und zu bekämpfen.
... wird demnächst hier weiter ausgeführt veröffentlicht ...
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Man gebe den Erziehenden mehr Geld und schon wäre die Misere bei der Erziehung behoben. Dann beschimpfte man noch kräftig die Schulen und die dort Beschäftigten ob ihres angeblichen Versagens und schon stünde einer "Friede-Freude-Eierkuchen-Idylle" nichts mehr im Wege. Ja, wenn es denn so einach wäre. Nun soll ab dem vierten Kind ein erheblich höherer Zuschlag an Kindergeld gewährt werden, so der Vorschlag eines "weitblickenden" Abgeordneten. In diese Schiene paßt auch das Elterngeld, passen Zuschüsse, ungeachtet dessen, ob man damit dann häusliche oder außerhäußliche (z.B. Kinderhort) Erziehung finanziert.
Nun so leicht sollte man es sich dann doch wieder nicht machen. Es sollten zunächst einige Fragen geklärt werden. Eine wichtige davon: Welche Familien bekommen denn vier und mehr Kinder? Wieviele davon können überhaupt die damit verbundene Verantwortung auf Grund ihrer Persönlichkeit wahrnehmen und einlösen? Eine andere (von konservativen Abgeordneten -- aber wer und was ist denn da alles NICHT konservativ -- überwiegend seltener gestellte) zu beantwortende Frage: Kommt das Kindergeld überhaupt den Kindern auch faktisch zugute? In jungen Jahren arbeitete ich für eine namhafte Firma im Außendienst. Bei meiner Tätigkeit kam ich auch in sogenannte Wohnghettos; dort erlebte ich es nicht selten, daß bereits vormittags die Bierflaschen auf dem Küchentisch herumstanden, um einen mehr oder mal weniger besoffenen Vater lärmten und "spielten" die Kinder, die Mutter des Hauses war völlig überfordert mit der Situation (in mehreren Fällen lag sie krank darnieder im Bett), in einigen Häusern waren die Stromkabel herausgerissen, weil man mit dem Kupferverkauf damals etwas Geld machen konnte. Zugegeben, es handelt sich hier nicht um Regelfälle, aber es macht auch keinen Sinn, hier über Prozentzahlen zu streiten. Glaubt denn jemand ernsthaft, daß das Kindergeld in einem derartigen Milieu den (hilfs-)bedürftigen Kindern zukommt? Und: Glaubt denn jemand, daß es nicht eine sehr plurale Erscheinungsbandbreite von "Verwahrlosung" gibt (Drogenabhängige, Kaufsüchtige, psychisch Kranke, Arbeitslose, Arbeitsverweigerer, Kriminelle, Hilflose, Lebensunfähige, etc.), die leider mehr oder weniger garantiert, daß eben die Kinder nicht Nutznießer der Kindergeldzuwendungen sind?
Mit dieser Feststellung soll keine Diffamierung vorgenommen werden, denn die Ursachen für derartige Abstürze können zahlreich sein. Nein, für therapeutisches Denken und daran orientierter Analyse ist hier nicht der Platz.
Wenn aber eine Mutter beispielswese ihre eigene Vergangenheit als "unaufgearbeitet" erlebt und deshalb in retrospektiver Abhängigkeit den Großteil ihrer Kraft aborbieren muß, so daß keine oder zu wenig für ihre Kinder übrigbleibt, dann bleibt der Gesellschaft zumeist die Aufgabe mit deren Kindern, die eigentlich die Mutter selbst zu lösen hätte. Wenn die "Erziehung" sich lediglich auf Geschimpfe über Lehrkräfte und Schule einerseits und das Besorgen der Anti-Baby-Pille für eine zwölfjährige Tochter erstreckt (bzw. erstrecken kann) und beim nächsten behördlichen (oder persönlichen) Ärger eben wieder ein erneuter Umzug mit der Folge einer sozialen Heimatlosigkeit für eben diese Tochter beschränkt, ergänzt von regelmäßiger Flucht in die Krankheit seitens jener Erziehungsarkrobatin, dann darf sehr wohl gefragt werden, ob man nicht einen anderen Weg als den über finanzielle Unterstützung in private Hände gehen muß.
Alles doch nur Einzelfälle, höre ich schon die Einwände. Nun, man könnte davon eine ganze Menge aufzählen. Und die Praktiker an Schulen, die nicht erst PISA gebraucht haben (wie angeblich viele Politiker, von denen ich allerdings dann schon einigen Unfähigkeit für diesen Posten und große Blindheit, wenn nicht gar völlige Ignoranz vorwerfen muß), um zu erkennen, was tatsächlich an defizitärer Erziehung seitens an Zahl zunehmender Elternhäuser (dieser Begriff auch stellvertretend für euphemistisch angehauchte Vokabeln wie Patchwork-Families, Alleinerziehende, Dyaden mit häufig wechselnden Bezugspersonen, etc. stehend) zu erkennen ist. Dies mit schrecklichen Auswirkungen auf die schulische Bildungsarbeit, denn die dadurch verursachten Störungen beeinträchtigen das Lernen der Interessierten und Lernwilligen, also derjenigen, die begriffen haben, daß sie das Rüstzeug brauchen, um in absehbarer Zukunft ihr eigenes Leben meistern zu können.
Nein, wer heute noch mit Gesundbeten und Schönrednerei gegen die Mängel und Unzulänglichkeiten im schulischen Arbeitsmodus angeht, der gehört ins Abseits gestellt. Jene zeigen nur, daß sie unverantwortlich handeln.
Ich meine, der Staat soll das Geld, das viele den Familien direkt zukommen lassen wollen, besser und lieber in Förderinsitutionen, in die Bezahlung von Lehrkräften (so daß an Hauptschulen Klassen mit höchstens 12 - 15 Schülern gebildet werden können und diese somit wenigstens den Hauch einer Chance von kompensatorisher Erziehung erhalten können), in die Beschäftigung von Schulpsychologen und Sozialarbeitern in nennenswerter Quantität und Qualtität, in infrastrukturelle Maßnahmen, in schulische Essensbetreuung o.ä. stecken, damit den Kindern und Jugendlichen tatsächlich geholfen wird und werden kann.
Das Argument, damit wäre Familien nicht hinreichend geholfen, denn Kinder "kosten" mehr als "nur" Ausbildung, könnte durch eine entsprechend steuerliche Behandlung von arbeitenden Familienmitgliedern entkräftet werden. Und diejenigen, die -- aus welchen Gründen auch immer -- temporär oder auch über einen längeren Zeitraum von steuerlicher Entlastung wegen ihrer Arbeitslosigkeit nicht profitieren können hilft ohnehin hinreichend ein System von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen, das übrigens nicht so abundant gestaltet werden muß, daß sich ein ernsthaftes Bemühen um Arbeit nicht mehr lohnt. Die Schere zwischen denen, die durch eigene Arbeit ihr Leben bestreiten (und dies damit auch können müssen, um damit eine Argument für Mindestlöhne zu erinnern!) wollen und jenen, die -- aus welchen Gründen auch immer -- einen anderen (bequemeren?) Modus vorziehen, muß wieder größer werden. Oder kurz: Arbeiten muß sich wieder lohnen.
Fazit: Statt Kindergeld damit diejenigen Institutionen unterstützen, die Kindern und Jugendlichen helfen, in der Gesellschaft sinnvoll und produktiv Fuß zu fassen. Hierunter müssen auch kompensatorische Hilfen fallen wie z.B. Lerngutscheine, die allerdings nur zweckgebunden einzulösen sind. Und diese Zweckgebundenheit der Mittelzuwendung mag auch ein Lösungsansatz in all den "hoffnungslosen" Fällen von Familienstruktur, wie ich ein paar oben angeführt habe, für entsprechend zu kurz gekommene Kinder sein.
... wird demnächst hier weiter ausgeführt veröffentlicht ...
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