Gedichte 1998 bis 2001
Sommernebel
inmitten satter wiesen
auf steilen himmelswegen
gegangen
tief in abgründe geschaut
keinen blick gewendet
froh morgenwände erspäht
aufrecht gehend
ziellos schreitend
gleichwohl voll ziel
Gespräche
Im Kerzenschein leuchtet der
Rand des Rotweinkelches.
Sozusagen ein Leuchtfeuer -
Funkeln als Traubengruß
Aus fernem Land hinein in die
Vorwinterwohnzimmeridylle.
Erinnerung an gemeinsame Wege:
Gebirge, Schluchten, Täler,
Rotweinabende am Meeresschaum.
Langsam fallen die Worte in
Abendlandschaft, gefangen in
Wänden ruhig wärmender Nähe.
Versuche des Lesens in Blicken:
Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft verschmelzen leise in
Ahnungen der Ungewißheit.
Rückblicke
Ein Leben in die Bilanz genommen
Jetzt da sein Ende still erklommen
Die Zeichen zu leugnen geht nicht mehr
Für nichts bleibt eine Wiederkehr
Gleichwohl sich in Dankbarkeit begnügen
Die Wahrheit schält sich aus den Lügen
Es fallen ein die schon längst gegangen
An denen die Seele zeitlebens gehangen
Buddy, Ritchie, Eddie in früher Jugendzeit
Harry und Elvis als Hoffnung schien weit
Für jene war alles viel kürzer bemessen
Doch niemals konnte ich sie vergessen
Diese Erinnerung verscheucht ein wenig das Zagen
Und läßt das Wissen ums Ende leichter ertragen
Seelenausbruch
Schmelzen im Lockstrahl endlicher Sonnenglut
Den Lockruf fern der Einerleiwüsten spüren
Sinnloses Ringen um Spruchentsprechungen
Kraft des Ausbruchs gegen irdische Bindung fühlen
Das Lied des Frühlings - wieder einmal
Tanzgesänge legen Girlanden um Spiegelwiderschein
Die Melodie der Täuschung - wieder einmal
Dennoch loslassen und fliegen in Uferlosigkeit
Ohne Gedanken an Netze und doppelten Boden
Einfach Gedanken in Bodenlosigkeit bannen
Keine Grübeleien um Sinn oder Preis
Einfach fallen in Seelententakeln
Gefangen von flirrenden Gemütsfäden
Ausbreiten im Meer tosender Gischt
Tausend Bilder aus Regenbogenfarben
Augapfelorgasmen und Berührungsmelodien
Ins Du eintauchen und Tiefen spüren
Signale
Signale, dumpf, unregelmäßig wechselnd.
Zunehmend ziehend oder stechend -
Ferne Regionen des Unterleibs rücken nah.
Zu nah für weitere Verdrängungen.
Zunehmende Wallungen an Gewißheit,
Trost durch verlockende Begegnungen:
Jimmy Morrison, Ritchie Valens,
Elvis Presley, Eddie Cochran -
Vor allem Buddy Holly und Kleist...
Ich stelle mir vor: Bildhaftigkeiten.
Biblische Verheißungsszenarien aus
Jugendjahren, dahingeflogen, fort.
Ich erinnere mich: das Glauben an
Ewigkeit und Wiedersehen, an die
Auferstehung, befreit und atmend.
Alternde Gedanken, still geprägt vom
Geist mannigfaltiger Erfahrung -
Aus Zuversicht leisen Zweifel gezeugt,
Verwandlungen in tausend Märchenbilder!
Kein Wort wahr aus klerikalen Mündern:
Herrschaftssicherung als Triebfeder.
Religion als Knüppel der Ekelpolitik.
Ende als Betätigungsfeld der Würmer -
Also keine Begegnungen, nur Ende...
Täglich Abschied
Täglich Abschied nehmen -
Bewußt und ohne Lust auf Täuschung:
Von Dingen dereinst selbstverständlich,
Banal geworden in täglicher Begegnung,
Abgenutzt von der Gleichgültigkeit gegenüber Zeit.
Doch jetzt diese Wehmut bei ihrem Schauen!
Doch jetzt dieses Gefühl der Einzigartigkeit!
Doch jetzt dieses Wissen um Unwiederbringlichkeit!
Ausfluß jenes anfänglich dumpfen Drückens:
Tief innen, ganz unten, gut versteckt,
Verborgen hinter schalem Mantel aus Lust.
Ignoriert und üblicher Wehleidigkeit zugesprochen.
Dann zunehmende Ausstrahlungen in Höhlen und Gebein -
Symptome immer deutlicher, unleugbar,
Ungerufener Gast zur Unzeit: der Peitschenknall der
Krebsgeisel im Herzen dröhnt...
Zwang zu Lebensbilanz und Ausblick ins Nichts:
Hat es gereicht oder war es zu wenig?
Grübeln im reißenden Strom, in den
Strudeln nach - ja wohin denn?
Doch halt - es bleiben noch Augenblicke:
Täglich schauend, saugend Abschied nehmen.
Brachlandoasen
Leergebrannte Erde totes Land
Ausgedörrt von Endlosreden der
Gunstbuhler und Glücksverheißer
Tanzboden der Lügenakrobatiker
Mattscheibeneinlullungsversuche
Kotzbrocken in Dur und Moll
Kabarettbesuche als Alibifunktion
Kritischen Begleitens der
Entwicklung quartärer Sektoren
Zukunftsverheißung als Totempfahl
Hetzen im lauten Terminwirrwarr
Nichts verpassen dürfen und dem
Ruf des Dabeiseinmüssens folgen
Furcht vor Ausgeschlossensein
Ängste aus Blicken ins Innere
Längst veräußerten Seins
Aber mitlaufen und mitheulen
Wald vor lauter Bäumen übersehen
Orgastische Hingabe entäußernd
Träume und Jugendfrohheiten
Dem Lockruf der Brachländler
Willenlos biegsam erliegen
Deren Spuren tiefer graben in
Leergebrannte Erde totes Land
Verzweiflungsgeheulvisagen
Magenfüllorgien als Sedativum
Den Blick mit tiefem Ekel wenden
Hinweg mit Zeitgeistexplosionen
Ödland als Aufgabe begreifen
Mit weit geöffneten Pupillen
Gleich dem Kinde am Wegesrand
Mit dörrend Rose in weicher Hand
Unsichtbarkeiten aufspüren
Jene hegend ans Licht gebären
Tautropfen der Hoffnung aus
Nässender Iris als Lebensquell
Niemals aufgebend den Takt der
Behutsamkeit im Schreiten
Nebenher dafür aber vorwärts
In den Schrunden suchen nach
Zärtlichkeitsregungen und
Liebe langsam wachsen lassen
Narrenschiffahrt
Im scheinbaren Wissen um Wirklichkeiten
Im grenzenlosen Selbstzufriedenheitsgetaumel
Gerechtigkeiten eigenmächtig festgelegt
(Den Zweifel gebannt)
Beständigkeit auf Windflügeln gebettet
(Der Möglichkeit des Falles preisgegeben)
Dabei sorglos dem Sonnengleißen zugewandt
Großpupillige Augen auf Hoffnungsbahnen
(Geglaubt Ewigkeiten zu schauen)
Das Ich weggerückt von Unmittelbarkeiten
Zuständigkeiten der Niederungen weggefegt
(Noch jenseits des Waberns von Sorglosigkeit)
Träume fliegen lassen
Haltlos und schamlos
(Nicht nach dem Preis geschielt)
Bei schnell verrinnender Zeit doch nur
Unveränderbarkeit gespiegelt
Genommen was unverbrüchliche schale
Selbstgefälligkeit nahegelegt
(Weder dem Tod noch dem Leben nahe)
(Letztlich Lüge und Selbstverleugnung ergeben)
Seeleben
Spiegel frohweißer Wolkenhoffnungen
auf glatter Wasserfläche - blaugrün.
Leises Blätterrauschen ins Gemüt:
Birkenmelodie aus Endlosigkeitsgesängen.
Gefühl stillstehender Zeit.
Gleichwohl Greifbarkeit von Zielen:
Zukunft als Gestaltungsmöglichkeit.
Deinen Atem neben mir - Schlummermelodie.
Geruch von frühlingsreifem Naß,
Lockdüfte in Sommerlandschaften.
Das Gestern irgendwo geschwunden -
hinter endlose Himmelslandschaften.
Erneute Schritte zum See.
Vorsichtig, langsam, bedächtig, zögernd.
Der See unverändert - in Größe und Form.
Die Birken - größer, älter, gebeugter.
Und - müder in ihrem Lied.
Vor allem aber: keine Spiegelungen mehr.
Verborgenes Gewässer unter Blattgewirr.
Schlinggewächse Tentakeln gleich
tausendfach verflochten und gewendet
in Teppiche der Undurchdringlichkeit:
Keine Spiegelfläche für Traumbilder.
Leben in eingegrenzten Möglichkeiten.
Doch weiter lebt er - der See:
wieder sein ruhigendes eigenes Leben
in der Stille von Ausgewechseltheit.
Sesselfurzer
Welt aus sicherer Perspektive erahnen:
Nicht zu nahe! Ferne als Halt.
Distanz leben - keine falschen Berührungen.
Vorgegebene Instruktionen:
Anweisungen als Richtschnur -
Untertanensicherheit.
Behutsames Kopfheben, schön langsam:
Nicht zu hoch! Gefahr von Höhenschwindel.
Welt aus vergilbter Zeugniswahrheit aufbauen:
Systematisch! Papierbeweis.
Bodenhaftung - keine Ausrutscher.
Angelernte Schulhaftigkeiten:
Lebensferne als Wahrheit -
Pennälergeistfortschreibung.
Behutsames Fingerzeigen, schön langsam:
Nicht zu schnell! Rückzug stets offenhalten.
Welt aus ehernem Staatsbüttelherz vorzeichnen:
Schön behutsam! Doch bestimmend.
Ordner führen - keine falsche Bescheidenheit.
Peinlich genaue Aufzeichnungen:
Verdichtung von Tatsachen -
Sesselfurzerperspektive.
Folgsam treues Köpfenicken, ganz kräftig.
Bis zum Schafott! Schmierfett im Staatsgetriebe.
Zeitwende
Taktgebende Uhren ausschalten
Nicht im Vergangenen grundeln
Auch der Zukunft nicht verfallen
Vielmehr Gegenwart spüren
Mit Leben füllen
Nach Chancen ausloten
Das Nahe erspüren
Die Ferne erspähen
Ferne und Nähe wägen
Sorgfältig trennen das
Überflüssige vom Notwendigen
Das Verbleibende schätzen
Nichtigkeiten mißachten
Geschwätzigkeiten meiden
Ohren versperren all den
Versprechungen öde und leer
Nichtmitmachen als Aufgabe
Verweigerung als Lebensinhalt
Züge alleine abfahren lassen
Vorbeigehen an Verlogenheit
Übersehen die Versuchungen
Mannigfaltiger Einbindungen
Ketten sprengen und abschütteln
Mensch werden und bleiben
Abziehbilder kapitalistischer
Konsumterroristen als Ekelobjekt
Vernetzungsversuche torpedieren
Systeme an ihrem Inhalt messen
Nicht an den Versprechungen
Machtträgern stets mißtrauen
Jene ins Leere laufen lassen
Nichtmitmachen als Aufgabe
Verweigerung als Lebensinhalt
Rufe der Unverdorbenheit folgen
Mensch werden und bleiben
Den eigenen Verstand entdecken
Und dann benützen um endlich
Aufzustehen aus ermüdendem Schlaf
Zeitwende einleiten und leben
Taktgebende Uhren zerstören
Selbstbegeisternde Eitelkeit
Botschaften verkünden: sich selbst darstellen,
Selbstsichtung als Realität empfinden.
Lokalredakteure einladen - unablässig.
Sich ablichten lassen, wohl geschminkt.
Worthülsen diktieren - aufdringlich.
Dabei maskenhaftes Dauergelächele:
beizeiten Sektkelche zur Hand.
Selbstdarstellung als Lebensaufgabe.
Den eigenen Arbeitsbereich streng definieren,
symbolhafte Überzeichnung von Wunschwelt.
Endlich an einer Spitze stehen - vorgesetzt!
Schule als bildhaftes Haus skizzieren:
durch ein Dach wie jenes von oben beschützt;
(Korrelat eigener oft nachgewiesener Ängstlichkeit)
Fenster zum Öffnen des Blickes nach draußen,
Neues entdecken, frische Lebensluft einsaugen;
(Selbst jedoch kleinsten Spalt furchtgeschlagen verriegeln)
Jederzeit offene Türen für Eltern und Gäste
(Für Minuten die eigene Verschlossenheit leugnen)
Meisterliche Akrobatik der Selbstverleugnung,
Phantastische Meisterung von Spiegelfechterei:
Knochengerüst mit Illustriertenmode umhüllt.
Untergebene öffentlich als erfahren verkaufen.
(Im Haus stattdessen penetrante Kontrolle)
Sie als idealistisches Kollegium etikettieren.
(Intern jedoch besserwisserische Gängelei)
Wohlfühlen - als Werbevokabel geheuchelt:
Wunschdenken als Medium von Seinsgewabere.
Angst, Angst, nackte Angst: Wirklichkeit zu
erfahren, begreifen zu müssen, spüren, riechen,
hören, lesen zu müssen. Furcht vor Enttarnung
auf zahllos rauhen Böden gesellschaftlicher
Herausforderungen. Furcht auf Forderungen
nach Verändern der Verhältnisse zu stossen.
Angst und Furcht zugleich - Konglomerat aus
Halbwissen und Esoterikeckenausdünstungen.
Wunschdenken als Selbstschutz, Ausgeburt
selbstverschuldeter Unmündigkeit sich eigenen
Verstandes zu bedienen: Psychokorsettpflege.
Digitalisierte Stränge intriganter Zielverfolgung:
Telefonkolportagen als Anonymitätsmaske -
Der Zweck heiligt die Mittel; dabei das Wort
Gott auf den Lippen in steigender öliger Penetranz:
gleichsam Lippenstift, fast abriebfest, austauschbar.
Alles plötzlich heilig bestimmt: Jahr 2000, Feste,
Tod, Leben, Karriere - vor allem das eigene Ich.
Vision von Schule als leerer Legitimationsausruf.
Beschützerinstinkte auch auf der Gegenseite
gefragt: wer, sagt an, ja wer befreit von dieser
Selbstbegeisterung unerträglicher Dummheit!
Allgegenwärtig
Im Raunen treibenden Windes
Auf ziellos tanzenden Wellen
Im täglichen Auf und Ab
Im Verklingen von Wortschwall
entfernt
aus den Augen verloren
Zeit der Umkehr in gurgelnd
Sumpf gesogen
Jedenfalls: von Zeit getrieben.
So verschwinden sie
Sekunden
Minuten
Stunden
Tage
Wochen
Monate
vielleicht gar Jahre
Allenfalls: von Zeit gebremst.
Zeit bremst nicht
fließt wertlos dahin
Keine Bewertung
Ohne jeglichen Wetteifer
Keine Lust auf Tänzeleien
Entrückt jeglichem Drang
Fließt grußlos grußhaft
Schafft nur abstrakten Abstand
Einerseits: sie drängt nicht.
Deine Sinne gestalten diesen Fluß
Dein Herz erzeugt Bewertungen
Deine Ängste treten die Pedale
Deine Entscheidung über Zeitwert
Hammer oder Amboss im steten
Rhythmus rinnender Zeit
Kraft des Einhaltgebietens oder
Treibenlassen in ungeordneter Bahn
Andererseits: sie drängt doch.
Moderne Form der Steigerung:
Problemlage
Augen verschließen
Problemlage vergrößert
Nochmals Augen verschließen und Ohren zu
Problemlage drastisch verschlechtert
Dadurch neue Problemlage
Entrinnen schwieriger
Öffentlichkeitsdruck, Aufmerksamkeitsorgien
Konferenzen, Ministerialdekrete, Papieraustauschereien
Gremienbildung, Ausschüsse zur Wahrheitsfindung
Endlich endlich Komiteegründungen (war ja auch Zeit)
Köpfe rauchen, Kaffeetassen klirren, Dunstereien
Oben finden was unten vonnöten
Entwirrungsversuche, Entirrungsgezappele
Wir haben es geschafft Verkündigungen
Problemlage unverändert drohend
Jedoch Filterbrillen und Ohrenpfropfen aus Verkündigungen
Fest verwachsen mit AufsichtsICH und Machbarkeitshirnen
Unmerklich zieht der Boden unter den Füßen weiter
Unbemerkt, unwidersprochen, untätig
Problemlage
Lösungskompetenzen
Auflösungstendenzen
Erlösungstendenzen
Problemlagentendenzen
Und nun einmal gänzlich etwas anderes an dieser Stelle ...
Bildhaftigkeiten in Variationen
Die Mietsache - ein Gedicht
Da staunt der Mietmensch - und das nicht schlecht: im Keller ist was los.
Unter einem Baldachin aus Duschgestrüpp - die Kakerlake macht sich groß.
Dies hätt er bei seinem Einzug nie erraten;
Nie wär´s in seinen Blick geraten ...
Na dann wie nichts in die Arbeitsecke - oder auch Abstellraum genannt;
Die Lüftung funktioniert - natürlich frisch . Ein Scheibenloch gebannt
Mit guter brauner Hartpappe:
Halt da nur deine Klappe.
Gemütlich wird´s im Obergeschoss nun mit frohem buntem Augenschmaus,
Utensilien aus öder Rumpelkammer schmücken schnell nun das Innenhaus.
Wer will da noch klagen jammern scherzen?
Vermietergunst aus braunstem Herzen!
Wer einmal diese Grüßzügigkeit geschaut, dies Stilleben hat gesehen:
Wird nimmermehr gutgläubig froh den Mietvertrag verstehen.
Neben anderer Wehr
Schärfer Mehrklang muss her!
(Thomas J. Harding)
Meine Antwort: Denke auch das vordergründig Undenkbare - rechtzeitig!
Loreley
Wie oft schon geschaut
zumeist vorbeifahrend
durch mehr oder weniger
trübe Zugfenster
Träge fließender Rhein
träge fließende Gedanken
Erinnerung an Gelerntes
Lied der Loreley
Angeblich unbekannter Dichter
Weil unbequem
Zu unseliger politisch Zeit
Einfach totgeschwiegen
Manchem sein Deutschlandbild
wohl zu dunkel geraten
Lügen bleiben nicht verborgen
Heinrich Heine
Er war es
fühlend
denkend
schreibend
über ein schroffes Stück Fels
Loreley
nichts als ein blöder Knick
im Fließen müden Gewässers
und oben
statt nackter Flußjungfrau
dümmliche Flaggenkosmetik
Touristenverdummung
Deutschlandflagge
Deutsches Eck
wahrlich eckig
ungeglättet
Es bleibt dennoch
radierender Wahrnehmung
grenzenlose Phantasie
Trotz oder gerade wegen Wissens
Immer wieder schauen
Gedanken fließen lassen
Loreley als Symbol für
Beliebigkeiten
(17.04.1998)
Dort
Aus den Lautsprechern dringt sie
die Nachricht
dort
wo Füsse im Sand spielten
Sonne auf blanker Haut brannte
dort
wo Blicke sorglos wanderten
aber da
diese Nachricht
unglaubliche Verrücktheiten
diese Steigerung der
Unglaublichkeit
dort
soll alles anders sein
so wie noch nie gewesen
dort
wo wie gesagt regelhaft
Idyllen blühen
dort
sollen nun also jetzt
gerade wo Träume ausbrachen
dort
so die gelangweilte
Stimme des Radiosprechers
gelangweilt weil nie dort
sollen nun also jetzt
Chaos und Inferno wüten
dort
also nun meterhoch türmend
Schnee und Eiseskälte
der Weg zum Flughafen
unpassierbar weil
meterhoch unter Wasser
Windstärke elf
dort
unvorstellbare Attacken
von ungezügelter
Natur
unterspülte Leuchttürme
Schiffsverkehr eingestellt
gesperrte Flugplätze
weggespülte Straßen
kein Zug keine Möglichkeit
zu reisen
dort
wo sonst Sonne und Sand
wetteifern und Winde nur
die Melodie zur Stimmung
liefern
dort
Nässe undurchdringbar
Kälte unüberbrückbar
dort
nichts als Elend
dorthin
das Herz schicken
den Menschen ein klein
wenig Beistand schenken
auch wenn sie es
nicht spüren
dort
wegen der Ferne
Aus den Lautsprechern dringt sie
die Nachricht
Nicht hinfahren
Lautsprecher abschalten
Unannehmlichkeiten fliehen
dort
nicht so gegenwärtig
wie schon so oft
dort
das Erschrecken
Zorbas in Unbilden
unfaßbarer Gewalt
(26.03.1998)
Der Stuhl
Schaukelnd wie von selbst
Erinnerungsrhythmus
Sonnenumflutet
Mit Phantasien besetzt
Zeitverschlingend
Pupillenspiele
Schweigsames Raumdasein
Kreisende Wände
Fliegender Boden
Decke gleich Baldachin
Getragen von Lächeln
Augenblitze hellen
Fragen und Antworten
Antworten und Fragen
Wechselspiele
Viel Ungesagtes
Dazwischen Unterbrechungen
Musikalische Untertöne
Griff in die Mottenkiste
Vatis Argumente
Argumentationslos
Gerade deshalb Gleichklang
Andere Musik im Raum
Instrumentationslos
Gleichwohl bleibend
Schwebend im Raum
Leichtigkeitsgefüge
Doch der Stuhl fest
Am Boden verharrend
Gelebte Zuversicht
Wissend
Wartend
Schaukelnd wie damals
Unmerklich
Kaum ahnbar
Schaukelnd ins Morgen
Tanzspiel ins Licht
Voller Geduld
Wissend wartend
(23.03.1998)
Winterzyklus
1. Flockentänze
Kristallines Ruhen auf Gezweig und Schloßzinnen.
Klirrende Kälte unter fahlem Licht.
Gebreitet in greifbare Unendlichkeiten
Nebelhafte Spiegelungen in kalten Gewässern.
Darüber das Gedankentorso im Versuch des Erdenkens:
Möglichkeiten der Wirklichkeitsausspähung.
Zuckende Schultern und befreiender Atemstoß,
Tritte gegen die bodenhafte Kälte -
Blicke in aufsteigende Nachtbilder gesetzt.
Austragen gebärender Lebensstrukturen;
Dennoch strömt vorübergehend Ruhe,
Gleichklangfäden weben Hoffnungsteppiche.
Vereinzelndes Sternengefunkel auf dem Silber
Stand gewährenden genäßten Untergrundes.
Tief einatmen und bewußtes Ausstoßen.
Flockenfrische und Schneeduft strömen lassen:
Winterliches Fühlen als Frühlingsauftakt,
Ins Morgen gesetzte Jetztempfindungen.
Das Tosen nächtlichen Stürzens der Wasser
Reißt Erinnerungen tief hinab in die Schlucht -
Aus Gischt stetig ruhigerem Fließen entgegen.
Die alte Holzbrücke von Eisen gestützt.
Dem Rücken will ein Schaudern nicht gelingen.
Lichtboten zwischen Schloß und Übergang:
Ein Anfang ist nicht auszumachen.
Tief unten die zwei Seen als Vorstellung
Von Winter und Sommer gleichermaßen -
Gleichwohl spürbar, sichtbar, gegenwärtig.
Dazwischen unauflösliche Verknüpfungen,
Ahnbar, greifbar, den Sinnen nicht entschwunden:
Die Wirklichkeit der Jahreszeiten grüßt herauf.
Und - hier - der ruhende Pol in stillem Windgeflüster:
Die Jugend. Nächtliche Aussicht für Sehende...
2. Spuren
Von Sonnenstrahlen aufgebrochen
Den Boden wieder frei gegeben
Der Untergrund wird wieder leben
Das Pflänzlein durch den Fels gestochen
Wo jüngst noch Schnee und Eis verdeckten
Was einfach nur nach Sonne sehnte
Statt dessen sich im Grabe wähnte
Bald schon die heißen Strahlen leckten
Lebendigkeit aus allen Ritzen
Traumland aus Farbenprächtigkeit
Den Phantasien die neue Zeit
So wird der Tag dem Abend nützen
Was will das modrig Blatt verderben
Als Rest aus letzten Herbstestagen
Dies Überbleibsel toter Fragen
Um neues Grün gilt es zu werben
Es gilt nicht schäbig Lob zu reden
Wir wissen wohl um Winterglück
Und ziehen auch an diesem Strick
Doch Wärme läßt uns tiefer beben
Deshalb frisch in dein Herz gekrochen
Schrei es hinaus aus tiefer Brust
Vorbei nun die träge Endzeitlust
Des Frühjahrs Blüte ward gerochen
3. Leerräume
Als Eisesaugen Frühjahr spähten
Dem Sommer sich entgegen warfen
Die Sinne über Felder wehten
Zu dem Klang von friedvoll Harven
Als Träumereien Boden fassten
Der Wind sich stritt mit steifen Masten
Da ward ein Hauch von Weiterziehen
Von stetig werden ohne Fliehen
Doch plötzlich Herbstesgrad erblicken
Ausgebliebene Sommertage
Antwortlos die Hoffnungsfrage
Mit kühlen Herbstesfäden stricken
Gleichwohl dem Grauen zu entrinnen
Ja zu neuen Sphären sagen
Im Herzen tausend Nadeln spinnen
Und die schnelle Unzeit plagen
Von Geisterhand durchs Jahr geschoben
Den Teufeln keinen Blick gegeben
Wo blieben Götter fern von oben
Kein labsam Saft aus frischen Reben
Wie man es immer wenden mag
Es bleiben noch drei Jahreszeiten
Und mühsam Weg in endlos Weiten
Doch nie mehr Sommer süßt die Plag
4. Der Schneemann
Das Frühjahr - kaum erinnerbar:
Zu weit im Dunst der Gedanken.
Der Sommer - er ist ausgeblieben.
Einfach ausgefallen. Ersatzlos.
Der Herbst - dieser alte Lieferant
Fallender Blätter und Nacktheit!
Klirrende Kälte läßt Dauer spüren:
Der Schneemann grüßt Nachthimmel,
Betrachtet still wandernde Tagträumer.
Frost als Sinnesbalsam bannt die
Angst vor dem Schmelzen in Bodenritzen.
Schneemanndasein als Hoffnungszustand.
Gleichwohl im Sog unausweichlich rinnender Zeit
Geschmolzen durch einbrechende Frühjahrswärme.
Irgendwann noch dieses erinnernd Rinnsal
Wo jetzt nur mehr spröder Untergrund.
Schon wieder Knospen spähen:
Das Frühjahr - nicht zu verleugnen.
Doch diese Erinnerung an das Ausbleiben!
Dieses Wissen um Sommerkräfte.
Notwendigkeiten unterdrücken wollen.
Furcht, Hoffnungen zu verschenken,
Ins Irgendwohin, ins Nichts zu gießen.
Traumtänzereien in das Abseits bannen!
Frühjahr und Herbst als Überflüssigkeiten:
Reduktion unerträglicher Unvollständigkeit.
Schneemanndasein als Bestimmungsgrad:
Machbarkeit auf dem kleinsten Nenner.
(15.01.1998)
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